Die SPD hat eine neue Kandidatin für den Posten am Bundesverfassungsgericht im Blick. Wer es ist, darüber herrscht striktes Schweigen. Die Gerüchteküche brodelt. Doch die Namen scheinen bislang nicht zu stimmen.

Rumdrucksen, Ausweichen, unkonkret bleiben - darin musste SPD-Fraktionschef Matthias Miersch in den vergangenen Tagen und Wochen glänzen. Immer wieder wurde er in der parlamentarischen Sommerpause von Journalisten gefragt, wer denn die neue SPD-Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht sein könnte. Immer wieder musste er ausweichen, sprach von mehreren Kandidatinnen und guten Gesprächen mit Juristinnen, die dafür in Frage kämen.

Klar war nur: Es muss wieder eine Frau werden. Selbst in der tiefsten niedersächsischen Provinz, in seinem Wahlkreis, verfolgte ihn diese Frage bei seiner Sommerreise. Bei n-tv brach es dann aus ihm heraus: "Wir haben einen Namen, und den werde ich jetzt aber garantiert nicht nennen."

So mancher wundert sich, warum der SPD-Fraktionschef diesem Druck nachgab und erklärte, dass es einen konkreten Namen gibt. Denn jetzt fängt die Jagd auf die Personalie an - und die Befürchtung ist groß, dass diese neue Kandidatin im Vorfeld schon wieder beschädigt werden könnte.

Die Debatte ist in vollem Gange

Die Gerüchteküche brodelt, Namen wie die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Katarina Barley, oder die ehemalige Innenministerin, Nancy Faeser, werden in den Raum geworfen. Doch die Namen scheinen nicht zu stimmen. Die SPD schweigt, die AfD wettert schon, dass das weitere "verrückte Namen seien".

Die Debatte um eine neue Kandidatin ist im vollen Gange. In der SPD herrscht darum ein Schweigegelübde um den richtigen Namen - und die Hoffnung, dass auch die Union am Ende schweigen kann, denn mit der wird man das auf höchster Ebene besprechen müssen.

Im Alltag der Bürgerinnen und Bürger spielt es kaum eine Rolle, wer diese Kandidatin ist. Vielmehr interessiert die Menschen, wie teuer in Zukunft der Strom ist oder wer sich die Pflege im Heim in Zukunft noch leisten kann. Mit diesen Fragen wurde Matthias Miersch zumindest in seinem Wahlkreis in Laatzen konfrontiert.

Doch was viele Wählerinnen und Wählern nicht ahnen: An dieser Personalie hängt nichts Geringeres als die Zukunft der schwarz-roten Koalition  und die Art und Weise, wie die Union und die SPD in Zukunft noch zusammenarbeiten und Konzepte für die Zukunft beschließen können.

Der Schmerz bei der SPD sitzt tief

Es ist etwas ins Rutschen geraten, hört man aus der SPD immer wieder. Eine Debatte um die Wahl einer Richterin fürs Bundesverfassungsgericht war die vergangenen Male kein Politikum, die Namen oft medial nicht bekannt. Doch dieses Mal entzündete sich ein Streit um die Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf, vorgeschlagen von der SPD, im Vorfeld abgesprochen mit der Union.

Die Sozialdemokraten heben immer wieder hervor, dass die Personalie Frauke Brosisus-Gersdorf in einem extra dafür vorgesehenen Ausschuss ja mit der Union besprochen und festgelegt worden war und der Fall Brosius-Gersdorf viel über das Vertrauen in der Koalition aussage.

Denn was kurz vor der Sommerpause passierte, belastet die schwarz-rote Koalition seit Wochen: Brosius-Gersdorf wurde wegen ihrer liberalen Haltung zu Abtreibungen massiv kritisiert, in den sozialen Netzwerken beschimpft. Von gezielten Kampagnen von rechten Strömungen in den sozialen Netzwerken ist die Rede, die Bundestagsabgeordneten der Union seien dadurch massiv beeinflusst worden. Persönliche Drohungen gegen ihre Familie und ihren Lehrstuhl folgten, erzählte Brosius-Gersdorf später auch in der ZDF-Sendung "Markus Lanz".

Von einer Kampagne wollte die Union nichts wissen

Kurz vor der Richterwahl im Bundestag kam zudem ein Vorwurf auf, dass es Ungereimtheiten bei ihrer Doktor-Arbeit gebe, die aber nie bewiesen wurden. Mit einem Paukenschlag wurde die Richterwahl im Bundestag abgesagt, weil CDU-Fraktionschef Jens Spahn die Mehrheiten für sie nicht zusammenbekam.

Zu sehr habe es bei den Unions-Abgeordneten Druck aus ihren Wahlkreisen gegeben, dass man sie wegen ihrer Haltung zu Schwangerschaftsabbrüchen nicht wählen könne, argumentierte die Union. Von einer gezielten Kampagne von rechten Strömungen im Netz wollte die Union nichts wissen.

Die SPD sah das anders und befürchtete eine Gefahr für die Demokratie. Am Ende zog Brosius-Gersdorf ihre Kandidatur in der Sommerpause zurück. Ihr wurde deutlich von der Union signalisiert, dass ihre Wahl ausgeschlossen sei. Die AfD feierte ihren Rückzug.

Schwieriger Drahtseilakt für die Koalition

Doch für die SPD ist klar, dass die neue Kandidatin keine anderen Positionen vertreten werde - und die Union damit irgendwie umgehen muss. In den kommenden Tagen werden sich Unions-Fraktionschef Jens Spahn und SPD-Fraktionschef Matthias Miersch sehr intensiv mit der Personalie auseinandersetzen, über Mehrheiten reden, im Vorfeld versuchen, mögliche Kritik auszuräumen.

Auch mit den Grünen und der Linkspartei muss gesprochen werden, denn für die Wahl der Richter-Kandidaten im Bundestag braucht es eine zwei Drittel-Mehrheit. Die Sorge ist groß, dass, sobald der Name bekannt ist, in den sozialen Netzwerken eine neue Schlammschlacht beginnt. Denn von den drei Kandidaten, die für das Richteramt ursprünglich vorgeschlagen wurden, wurde neben Brosius-Gersdorf auch die andere SPD-Kandidatin Ann-Kathrin Kaufhold in den sozialen Medien in den vergangenen Wochen viel kritisiert.

Was also, wenn die neue Kandidatin der SPD sich dem auch wieder aussetzen muss? Hält sie das aus? Findet man Mehrheiten bei der Union, diese Kandidatin zu unterstützen? Klar ist nur, dass im September die drei Kandidaten für das Richteramt am Bundesverfassungsgericht vom Bundestag gewählt werden müssen. Die Zeit drängt.

Vertrauen durch Grillwurst

In der schwarz-roten Koalition wird jetzt daran gearbeitet, viele vertrauensbildende Maßnahmen zu schaffen, damit das gelingt. Bei einer Fraktionsklausur in Würzburg kommende Woche sollen sich die Unions- und SPD-Abgeordneten "besser kennenlernen" und Inhalte für die Zukunft besprechen.

Die neue Personalie um das Richteramt soll offiziell keine Rolle spielen, sitzt den Abgeordneten aber dennoch im Nacken und wird für Gesprächsstoff sorgen. Auch ein gemeinsamer Grillabend soll Mitte September für bessere Stimmung sorgen - eine Art Team-Building-Maßnahme, um in der Koalition in Zukunft gut zusammenarbeiten zu können.

So mancher Sozialdemokrat hat bisher keine Lust darauf. Zu groß ist noch die Verärgerung über die Union wegen der gescheiterten Richterwahl. Doch vielen ist auch klar: Die Koalition darf an einer Richterwahl nicht scheitern - zu groß sind die Probleme im Land, die diese Regierung noch lösen will.

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