Verkehrsminister Schnieder hatte für Ende August eine fertige Bahnstrategie angekündigt. Doch Bahn-Chef Lutz soll gehen. Wie geht es weiter? Über das schwierige Verhältnis von Politik und Bahn.
Ein Verkehrsminister muss wohl Kilometer machen. Das Rheinwasser zieht glitzernd am Dampfer vorbei, genauso wie die romantische Loreley. Patrick Schnieder ist auf seiner ersten Sommerreise im Amt erst per Dampfer unterwegs, besucht dann eine Schleuse, eine Straßenbrücke, ein Fahrradparkhaus und eine geplante Autobahnstrecke. Die Bahn kommt ganz am Ende, ein Termin unter vielen.
Die Botschaft ist klar: Für einen CDU-Verkehrsminister hat nicht die Schiene die höchste Priorität, das Auto ist mindestens genauso wichtig. Und doch verfolgen Fragen zur Bahn Schnieder auch ins sommerliche Rheinland, denn sie ist derzeit wohl seine größte Baustelle.
Experte: Strategie offenbar nicht rechtzeitig fertig
Mit der Entlassung von Bahnchef Richard Lutz ist die Krise längst nicht vorbei, vielleicht wird sie auch erst einmal noch größer: "Man sucht offenbar seit längerem einen Nachfolger, das weiß man in der Branche", sagt Christian Böttger, Verkehrswissenschaftler an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Das ganze Manöver rund um die Entlassung hält er sogar für "merkwürdige Schaufensterpolitik".
Der Bahnexperte blickt ernüchtert auf die vergangenen Monate: Schon im schwarz-roten Koalitionsvertrag stand, dass man eine "Neuaufstellung von Aufsichtsrat und Vorstand" anstrebe. Schnieder habe für Ende August seine fertige Bahnstrategie angekündigt. "Das hat er offenbar nicht geschafft", sagt Böttger. "Jetzt hat man vorab schon mal angekündigt, dass der Chef gefeuert wird - und hat dadurch vier Wochen Zeit gewonnen."
Kein attraktiver Job
Die Anforderungen an einen neuen Mann oder eine Frau an der Spitze des DB-Konzerns sind hoch, das macht die Liste kürzer. Aber womöglich gibt es noch einen anderen Grund, warum die Suche wohl schleppend läuft: Wie die Politik seit Jahrzehnten mit der Bahn und ihren Chefs umgeht, das dürfte den Job nicht attraktiver machen.
Nicht der Bahnchef sei der Hauptgrund für die Krise der Bahn, mahnt etwa Detlef Neuss, Bundesvorsitzender von Pro Bahn: "Die Bahn wurde 30 Jahre lang von der Politik vernachlässigt", kritisiert er. "Man hat viel zu wenig Geld in die Bahn gesteckt."
Investitionen in der Größenordnung von 100 Milliarden Euro wären nötig gewesen - sie kamen und kamen nicht. Genauso wenig wie klare Zielvorgaben oder Boni-Kürzungen, wenn die Manager diese Ziele nicht erfüllten.
Politik will sich mit Bahn profilieren
Die Politik, so kann man sagen, fährt mit im Führerstand der Bahn. Sie drückt im Staatskonzern die Knöpfe, stellt Weichen und zieht Bremsen. Vor allem aber steht sie ständig wild blinkend an der Strecke und versucht, sich mit der Bahn zu profilieren - nicht nur im Bundestag, sondern bis hinunter zum Landrat oder zur Bürgermeisterin.
Ständige Strategiewechsel oder einfach strategische Unklarheit sind die Folge. Börsengang ja oder nein? Mehr Geschäfte außerhalb Deutschlands und fernab der Schiene? Beteiligungen an Start-Ups? Der Politik scheint bis heute nicht klar zu sein, wohin sie mit dem Konzern will. Dass Verkehrsminister Schnieder seine Bahnreform nun verspätet im September vorstellt, das sei "bezeichnend", sagt Christian Böttger.
Haudegen und Analysten
Jeder Bahnchef hat bisher versucht, seinen eigenen Umgang mit den politischen Rahmenbedingungen zu finden. Harmut Mehdorn galt als Haudegen, der Anfang der 2000er-Jahre auch Konflikte sucht. Sein Nachfolger, Rüdiger Grube, probierte es zunächst mit einer Art Umarmungstaktik, wollte Freunde in der Politik gewinnen. Jahre später sagte er, er habe unterschätzt, wie"irre" der Job sei.
Richard Lutz versuchte es mit schonungsloser Analyse, schrieb ein Jahr nach Amtsantritt einen Brandbrief: Die Finanzlage der Bahn sei fatal, die Performance schlecht. Doch höhere Zuschüsse gab es vom damaligen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nicht. Ein paar Jahre später, 2024, schrieben Bundestagsabgeordnete einen Brandbrief zurück an Lutz. So läuft das zwischen Bahn und Politik.
Grüne: Haushalt für Bahn "ein Desaster"
Für die Opposition im Bundestag deutet wenig darauf hin, dass es besser wird: Die Haushaltsplanung ab 2026 sei "für die Bahn ein Desaster", sagt Matthias Gastel, Verkehrspolitiker in der grünen Bundestagsfraktion.
Zwar sind im Sondervermögen Milliardeninvestitionen vorgesehen. Doch es werde zugleich Geld im regulären Verkehrshaushalt eingespart. Damit breche die Bundesregierung ihr Versprechen, mit den Schulden zusätzliche Investitionen möglich zu machen. "Wenn man die Steigerung von Planungs- und Baukosten abzieht, bleibt kaum ein Plus übrig", kritisiert Gastel.
Union: Bei anderen Verkehrsbereichen nachbessern
Die Unionsfraktion hingegen findet, dass "die Schiene aktuell sogar vergleichsweise gut" wegkomme im Haushalt, mehrere Verkehrsbereiche hätten dagegen keine solide Finanzierung. Da wolle man nachbessern, kündigt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Stephan Stracke an.
Bei der Bahn denke er ansonsten eher an "Maßnahmen, die die Kunden kurzfristig etwas zufriedener stellen". Als Beispiel nennt Stracke "eine bessere Kommunikation zu Zugausfällen, Verspätungen und Reisealternativen". Das klingt nach weiterhin vielen Zugausfällen, aber dafür häufigeren Bahnhofsdurchsagen. Ob das der oder die Neue an der Spitze der Bahn als erste Maßnahme gelungen findet?
Weniger Züge, mehr Pünktlichkeit
Bahnexperte Christian Böttger hat noch einen anderen unpopulär klingenden Vorschlag: "Man hat zu viele Züge im Netz, man muss Züge rausnehmen." Im Moment sei der Fahrplan so voll, dass das Netz instabil werde. Jede kleine Störung, jede Fahrradgruppe sorge für immer mehr Verspätung, weil man keine Puffer mehr habe.
Seine Lösung: weniger Züge, dafür endlich mehr Pünktlichkeit. "Man braucht einen neuen Chef oder eine Chefin, der oder die das Rückgrat hat, das durchzusetzen gegenüber den Bundesländern."
Da ist sie wieder: die Politik, die mit der Bahn Wahlkämpfe bestreitet und so eine Maßnahme kaum durchwinken dürfte. Verkehrsminister Patrick Schnieder sagt zu seiner Strategie vorerst nichts.
Auf seiner Sommertour ist er bemüht, ein wenig emotionale Verbindung zur Bahn sichtbar zu machen: "Ich bin in Gerolstein zur Schule gegangen und jeden Tag mit der Bahn hin- und zurückgefahren", erinnert er sich und schaut etwas sentimental. Allerdings seien das noch "andere Zeiten" gewesen. Er habe damals noch keinen Führerschein gehabt.
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