Der Streit um die Richterkandidatin Brosius-Gersdorf hat für Zerwürfnisse zwischen Union und SPD gesorgt. Jetzt zieht sie ihre Kandidatur zurück. Was bedeutet das? Und wie geht es nun weiter mit der Richterwahl?

Nun also doch. Frauke Brosius-Gersdorf hat für sich die Entscheidung getroffen, nicht mehr als Kandidatin für das Amt als Bundesverfassungsrichterin zur Verfügung zu stehen. In einem schriftlichen Statement begründet sie den Schritt mit der großen Ablehnung in der CDU/CSU Fraktion: "Mir wurde (...) in den letzten Wochen und Tagen sehr deutlich signalisiert, dass meine Wahl ausgeschlossen ist." Ihr Angebot in einer Fraktionssitzung von CDU/CSU inhaltlich über die Kritikpunkte zu sprechen, sei bis heute nicht angenommen worden.

Mit dem Rückzug wolle sie zum einen verhindern, dass in einer politischen Lösung auch die anderen beiden Kandidaten gefährdet würden. "Auch muss verhindert werden, dass sich der Koalitionsstreit wegen der Richterwahl weiter zuspitzt und eine Entwicklung in Gang gesetzt wird, deren Auswirkungen auf die Demokratie nicht absehbar sind", schreibt die Rechtsprofessorin in der Erklärung. 

Drei Stellen zu besetzen

Am Bundesverfassungsgericht müssen insgesamt drei Stellen von Richterinnen und Richtern neu besetzt werden. Die Amtszeit von Richter Josef Christ endete bereits im November 2024. Seitdem ist er kommissarisch im Amt. Denn am Bundesverfassungsgericht müssen die Richterinnen und Richter so lange weitermachen, bis ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gewählt ist. Das sorgt dafür, dass das Gericht immer arbeitsfähig bleibt.

Die Amtszeit von Vizepräsidentin Doris König endete - ebenfalls altersbedingt - Ende Juni. Richter Ulrich Maidowski hat aus gesundheitlichen Gründen darum gebeten, Ende September aus dem Amt zu scheiden. Bei ihm ist der Zeitdruck also noch nicht ganz so hoch.  

Wahl möglicherweise im September

Die 16 Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht werden jeweils zur Hälfte von Bundesrat und Bundestag gewählt. Es ist eher Zufall, dass alle drei Richterstellen, um die es aktuell geht, vom Bundestag nachzubesetzen sind.

Der Bundestag befindet sich gerade in der parlamentarischen Sommerpause. Wenn man die Parlamentarier nicht zu einer Sondersitzung zusammenruft, könnte es im September zu einer Wahl kommen. Zuvor aber braucht man eine neue Kandidatin oder einen neuen Kandidaten. Und eine Einigung. 

Vorschlagsrecht bleibt bei der SPD

Traditionell haben CDU/CSU und SPD das Vorschlagsrecht für jeweils drei Kandidaten für jeden Senat. In der jüngeren Vergangenheit durften auch die Grünen und die FDP jeweils einen Vorschlag pro Senat machen. Gewählt werden müssen die Richterinnen und Richter am Ende aber immer mit der Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Für die Nachfolge von Doris König hat die SPD das Vorschlagsrecht. Nach dem Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf ist es also nun wieder an der SPD, eine neue Kandidatin oder einen Kandidaten zu finden und zunächst den anderen Fraktionen vorzuschlagen. Nach den Erfahrungen der vergangenen Wochen und der aufgeheizten Stimmung dürfte es diesmal allerdings deutlich schwerer werden, jemanden zu finden, der bereit ist, sich zur Verfügung zu stellen.

Zunächst wieder Wahl im Richterwahlausschuss

Wenn sich die Regierungsfraktionen einig sind und einen konsensfähigen Kandidaten gefunden haben, der auch genügend Stimmen aus der Opposition erlangen kann, befasst sich der Richterwahlausschuss des Parlaments mit der Personalie. Dort stellt sich der jeweilige Kandidat vor. Der Ausschuss hat insgesamt zwölf Abgeordnete. Wenn diese mit zwei Dritteln einen Kandidaten bestimmen, schlagen sie dem Gesamtparlament die Wahl vor.

Wenn all diese Schritte vollzogen sind, scheitert eine Wahl im Bundestag in der Regel nicht. Anders war es bei der Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf, bei der die Kritik erst richtig groß wurde, nachdem der Richterwahlausschuss sie und die anderen beiden Kandidaten Günter Spinner und Ann-Katrin Kaufhold vorgeschlagen hatte. Vor dem Gang in den Ausschuss hatten sich die Fraktionsspitzen von SPD und Union auf dieses Paket geeinigt und die Grünen hatten ihre Zustimmung signalisiert.

Ein neuer Kandidat oder eine neue Kandidatin müsste nun zunächst wieder vom Richterwahlausschuss bestimmt werden. Die Empfehlung für Günter Spinner und Ann-Katrin Kaufhold bleibt bestehen, wenn die Fraktionen an ihnen festhalten. Spinner ist ein Vorschlag der Union, Kaufhold ein Vorschlag der SPD.

Strenge Fristen gibt es nicht

Wenn man sich nicht auf einen Kandidaten oder eine Kandidatin einigen kann, könnte auch der Bundesrat die Wahl übernehmen. Allerdings nicht sofort. 

Nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz gilt: Kommt es innerhalb von zwei Monaten nach der Amtszeit eines Richters oder einer Richterin nicht zu der Wahl eines Nachfolgers, so muss der Vorsitzende des Richterwahlausschusse das Bundesverfassungsgericht auffordern, eigene Vorschläge zu unterbreiten.

Bei der Nachfolge von Doris König läuft diese Frist Ende August ab. Das Bundesverfassungsgericht würde die Vorschläge dann aber sicher nicht sofort machen, sondern erst einmal abwarten, ob es doch noch zu einer zeitnahen Wahl durch den Bundestag kommt. Wenn das Bundesverfassungsgericht die Vorschläge gemacht hat, hat der Bundestag noch einmal drei Monate Zeit für die Wahl. 

Erst nach diesen drei Monaten kann der Bundesrat die Wahl übernehmen. Dies wird für die Nachfolge von Doris König also frühestens Ende des Jahres der Fall sein. Und: Der Bundesrat kann die Wahl übernehmen, muss es aber nicht.

Bei einer Stelle hatte das Bundesverfassungsgericht bereits Vorschläge gemacht

Für die Stelle der Nachfolge von Josef Christ hatte das Bundesverfassungsgericht bereits im Mai eigene Vorschläge gemacht. Hier könnte der Bundesrat also Ende August die Wahl tatsächlich übernehmen.

Allerdings wird er das sicher nicht machen, wenn eine Wahl im Bundestag noch in absehbarer Zeit in Frage kommt. Und auch im Bundesrat braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Auch hier muss man sich also auf einen Personalvorschlag verständigen.

Brosius-Gersdorf warnt vor weiteren Kampagnen

Wahrscheinlich ist eine Übernahme durch den Bundesrat also nicht. Nach dem Rückzug von Frauke Brosius-Gersdorf wird die Koalition wohl versuchen, schneller und ruhiger jemanden zu finden, um im September alle drei neuen Richterinnen und Richter wählen zu können.

In der Stellungnahme zu ihrem Rückzug mahnt Frauke-Brosius Gersdorf: "Lässt sich die Politik auch künftig von Kampagnen treiben, droht eine nachhaltige Beschädigung des Verfahrens der Bundesverfassungsrichterwahl."

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