Das Bundesverfassungsgericht hat die Befugnisse zur Überwachung per Staatstrojaner eingeschränkt. Datenschützer sind zufrieden mit der Entscheidung. Bei den Ermittlern gibt es gemischte Reaktionen.
Geklagt hatten Rechtsanwälte und Journalisten, unterstützt vom Verein Digitalcourage. Ihnen gehen die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden beim Einsatz von sogenannten Staatstrojanern zu weit.
Bei dem Verdacht von bestimmten Straftaten darf die Polizei die Smartphones von mutmaßlichen Tätern anzapfen. Man spricht dabei vor einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ).
Dabei wird heimlich eine spezielle Software auf die Geräte installiert, die man Staatstrojaner nennt. Damit kann die Polizei die laufende Kommunikation anzapfen, das heißt Telefonate abhören und verschlüsselte Nachrichten abschöpfen, die über Messengerdienste wie WhatsApp oder Telegram ausgetauscht werden.
Anzapfen von Smartphones nur bei schweren Straftaten
Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass die gesetzlichen Vorschriften zu den Staatstrojanern weitestgehend mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Mit einer Ausnahme: Bisher dürfen Smartphones auch bei gewissen Straftaten angezapft werden, die der einfachen Kriminalität zuzuordnen sind.
Das Verfassungsgericht sagt: Die heimliche Telekommunikationsüberwachung ist ein schwerwiegender Eingriff in Grundrechte und müsse daher verhältnismäßig sein. Sie dürfe deshalb nur bei schweren Straftaten erfolgen.
Im Moment darf die Telekommunikationsüberwachung auch bei Straftaten durchgeführt werden, für die eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verhängt werden darf - beispielsweise bei Volksverhetzung oder bei der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Dies sei unverhältnismäßig und daher verfassungswidrig, so die Richterinnen und Richter des Ersten Senats.
Das bedeutet: Eine Quellen-TKÜ ist ab sofort nur noch bei schweren Straftaten erlaubt, konkret nur für solche, bei der die Höchstfreiheitsstrafe bei über fünf Jahren liegt.
Online-Durchsuchung aus formalen Gründen verfassungswidrig
Außerdem beanstanden sie die Vorschriften zur sogenannten Online-Durchsuchung. Dabei werden heimlich Staatstrojaner auf den Computern von Verdächtigen installiert, um so auf die gespeicherten Daten zugreifen zu können.
Hier sieht das Bundesverfassungsgericht rein formale Fehler im Gesetzestext, die der Gesetzgeber relativ schnell beheben kann, ohne dass die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden bei der Online-Durchsuchung von Computern eingeschränkt werden müssen.
Präventiver Einsatz von Staatstrojanern verfassungskonform
In einem weiteren Beschluss hat das Verfassungsgericht Vorschriften im Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen abgesegnet. Danach darf die Polizei in NRW auch dann Smartphones anzapfen, wenn es darum geht, schwerste Straftaten präventiv zu verhindern. Hier sieht das Gericht keine verfassungsrechtlichen Probleme, weil das Anzapfen nur bei schwersten Straftaten mit terroristischem Hintergrund erlaubt ist.
Gemischte Reaktionen der Strafverfolger
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) begrüßte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung. "In Zeiten terroristischer Bedrohungen brauchen Ermittlungsbehörden wirksame Instrumente, sowohl zur Gefahrenabwehr als auch zur Strafverfolgung", erklärte der Bundesvorsitzende der DPolG, Rainer Wendt.
Sehr kritisch äußerte sich dagegen die Generalstaatsanwaltschaft Köln mit Blick auf die Beschränkungen, die das Gericht gemacht hat. Oberstaatsanwalt Markus Hartmann, Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen, sagte der ARD-Rechtsredaktion, er sehe die Entscheidung mit großer Sorge.
"Der Zugriff auf Daten mit technischen Mitteln im Einzelfall ist die Antwort der Strafverfolgung auf die weitgehende Nutzung von Verschlüsselung in der Kommunikationspraxis", sagte Hartmann. "Wer die Hürden für einen solchen Zugriff im Einzelfall stetig höher setzt, befeuert zwangsläufig die gefährlichen Debatten um ein generelles Verbot von Verschlüsselung oder die Einrichtung staatlicher Hintertüren. Damit ist leider weder für den effektiven Grundrechtsschutz noch für die IT-Sicherheit etwas gewonnen."
Datenschützer zufrieden
Datenschützer bewerten die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als Erfolg. Ein Vertreter des Vereins Digitalcourage erklärte: "Ich freue mich, dass der Einsatz von Staatstrojanern eingeschränkt wurde. Die Grundrechte wurden damit geschärft und gestärkt."
Auch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) betonte, dass das Gericht den Grundrechtsschutz gestärkt habe. "Der Gesetzgeber muss jetzt nachbessern und wir werden weiter gegen den unverhältnismäßigen Einsatz von Staatstrojanern klagen", so David Werdermann, Rechtsanwalt und IT-Experte der GFF.
In einer ersten Stellungnahme erklärte das Bundesjustizministerium, man werde die Entscheidungsgründe des Gerichts nun sorgfältig auswerten und dem aufgezeigten Handlungsbedarf nachkommen.
Aktenzeichen: 1 BvR 180/23 und 1 BvR 2466/19
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