Seit 2017 dürfen Ermittler Handys und Computer von Verdächtigen mit Spähsoftware infiltrieren. Dagegen gab es mehrere Verfassungsbeschwerden - jetzt schränkt das Bundesverfassungsgericht die Befugnisse zur Überwachung ein.

Die Befugnisse von Strafermittlern unter heimlichem Einsatz sogenannter Staatstrojaner sind teilweise verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Der Erste Senat des Gerichts erklärte die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (kurz: Quellen-TKÜ) für Tatbestände mit einer Höchstfreiheitsstrafe von bis zu drei Jahren für nichtig. In diesen Fällen ist die Überwachung auch rückwirkend ungültig.

Darüber hinaus sei die Befugnis der Ermittler zur heimlichen Online-Durchsuchung von Computern und Smartphones von Verdächtigen in Teilen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, entschied das Gericht. Diese Vorschrift gilt aber bis zu einer Neuregelung weiter.

Schwerwiegender Eingriff in Grundrechte

Als Staatstrojaner wird Spähsoftware bezeichnet, die ohne Kenntnis eines Verdächtigen auf dessen Computer oder Smartphone installiert wird. Seit einer Änderung der Strafprozessordnung im Jahr 2017 kann die Polizei damit zur Aufklärung bestimmter Straftaten zum Beispiel verschlüsselte Nachrichten über Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Telegram mitlesen (Quellen-TKÜ) oder sogar sämtliche Daten auf einem Gerät durchforsten (Online-Durchsuchung).

Die Quellen-TKÜ sei ein sehr schwerwiegender Eingriff unter anderem in die Grundrechte, entschied das Bundesverfassungsgericht. Sie ermögliche den Zugang zu einem Datenbestand, der herkömmliche Informationsquellen an Umfang und Vielfältigkeit bei weitem übertreffen könne. Insbesondere unter den heutigen Bedingungen der Informationstechnik und ihrer Bedeutung für die Kommunikationsbeziehungen habe die Maßnahme damit "eine außerordentliche Reichweite", so das Gericht.

Philip Raillon, SWR, mit Details zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu "Staatstrojanern"

tagesschau24, 07.08.2025 11:00 Uhr

Angesichts der allgegenwärtigen Nutzung von IT-Systemen finde zunehmend jede Art individuellen Handelns und zwischenmenschlicher Kommunikation in elektronischen Signalen Niederschlag. "Ausgehend von dem sehr hohen Eingriffsgewicht" müsse die Quellen-TKÜ demnach "auf die Verfolgung besonders schwerer Straftaten beschränkt sein".

Straftaten, für die eine Höchstfreiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen sind, gehörten dagegen zum einfachen Kriminalitätsbereich. Dies schließe die Einordnung als besonders schwere Straftat von vornherein aus. Deshalb ist Quellen-TKÜ für solche Straftaten dem Urteil nach nicht mehr erlaubt. Für schwere Straftaten bleibt sie aber rechtmäßig.

Kläger sehen staatliche Schutzpflicht verletzt

Gegen die Befugnisse für Ermittler waren in Karlsruhe mehrere Verfassungsbeschwerden eingereicht worden - darunter die vom Verein Digitalcourage initiierte, über die nun entschieden wurde. "Die Staatstrojaner werden über Sicherheitslücken installiert, die dafür in jedem Smartphone, Computer, Tablet und in jeder Spielekonsole vorhanden sein müssen", erklärt der Verein auf seiner Webseite.

Diese Hintertüren könnten neben der Polizei aber auch Kriminelle nutzen, um auf Geräte zuzugreifen. Der Staat verletze damit seine Schutzpflicht.

Präventive Überwachung kann zulässig sein

Wie aus einer am Dienstag veröffentlichten Statistik des Bundesamts für Justiz hervorgeht, gab es im Jahr 2023 insgesamt 104 richterliche Anordnungen zur Quellen-TKÜ. Tatsächlich durchgeführt wurden 62. Online-Durchsuchungen wurden den Angaben zufolge 26 Mal angeordnet und sechsmal durchgeführt. Meist ging es dabei um den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

In einem weiteren Beschluss hat das Verfassungsgericht wiederum Vorschriften zur Quellen-TKÜ im Polizeigesetz von Nordrhein-Westfalen abgesegnet. Danach darf die Polizei auch dann Smartphones anzapfen, wenn es darum geht, schwerste Straftaten präventiv zu verhindern - etwa solche, die einen terroristischen Hintergrund haben.

Mit Informationen von Klaus Hempel, ARD-Rechtsredaktion Karlsruhe.

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke