Seit fast 100 Tagen regieren Union und SPD in einer gemeinsamen Koalition. Aus Sicht von Vizekanzler Klingbeil konnte Schwarz-Rot schon viel erreichen, auch wenn es nicht immer rund läuft zwischen den beiden Partnern.
Aus Sicht von Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) läuft es ganz gut mit der Zusammenarbeit in der schwarz-roten Koalition - eigentlich. An der ein oder anderen Stelle hapert es aber doch im Miteinander von Union und SPD.
Allem voran stellt Klingbeil nach rund 100 Tagen aber die gemeinsamen Erfolge in den Vordergrund. "Unterm Strich haben wir in dieser ersten Zeit vieles gemeinsam geschafft, was unser Land positiv verändern wird", betonte der SPD-Politiker im Gespräch mit der Rheinischen Post - und zählte auf: "Zwei Haushalte, den Wachstumsbooster für die Wirtschaft, das Rentenpaket, bereits in den Sondierungen die Einigung auf das Sondervermögen Infrastruktur und die Einigung bei den Verteidigungsausgaben."
Und das, obwohl sich die politisch recht unterschiedlichen Koalitionspartner aus Sicht von Klingbeil ziemlich schnell aufeinander einstellen mussten. "Wir hatten keine 100-Tage-Schonfrist, es waren wahrscheinlich noch nicht mal drei Tage", sagte der Bundesfinanzminister weiter. Doch "die Menschen wollen, dass wir Lösungen finden, daran müssen wir arbeiten", so der SPD-Chef.
"Von Ampel-Zeiten sehr weit entfernt"
Und doch knirscht es nach 100 Tagen manchmal deutlich zwischen Union und SPD. Jüngstes Beispiel: der Vorstoß von CSU-Chef Markus Söder, dass Geflüchteten aus der Ukraine kein Bürgergeld gezahlt werden soll, auch wenn sie bereits vor dem 1. April dieses Jahres nach Deutschland gekommen sind. Eine Datumsgrenze, die eigentlich im gemeinsamen Koalitionsvertrag fest verankert wurde. Und so stößt der Vorschlag größtenteils auf Unmut und Unverständnis bei den Sozialdemokraten.
Auch Klingbeil ist sich der Reibereien offensichtlich bewusst. Er betont jedoch, dass die jetzige Bundesregierung "von Ampel-Zeiten" aber "sehr weit entfernt" sei - und münzt damit auf die bis zum Bruch der Ampelkoalition im November immer größer gewordenen Streitigkeiten zwischen SPD, Grünen und FDP.
Einen kritischer Seitenhieb in Richtung Union gibt es dann aber doch vom Vizekanzler - und zwar mit Blick auf die vor rund vier Wochen gescheiterte Abstimmung im Bundestag über die Neubesetzung von drei Richterposten am Bundesverfassungsgericht. Die Wahl musste verschoben werden, weil sich die Union gegen die Kandidatin der SPD, Frauke Brosius-Gersdorf, gestellt hatte. Und das, obwohl zuvor im für die Richterwahl zuständigen Ausschuss die Mehrheit für die Juristin eigentlich schon gestanden hatte.
"Wenn wir Absprachen treffen, dann müssen die gelten. Darauf müssen wir uns als SPD verlassen können", stellte Klingbeil daher nochmals klar. Die zuvor betonten Erfolge der schwarz-roten Koalition seien beim Start in die Sommerpause durch die gescheiterte Richterwahl überlagert worden. Trotzdem zeigt sich der Vizekanzler überzeugt, dass das Regierungsbündnis mit der Union halten kann. "Ich will, dass diese Koalition gelingt. Dafür tragen wir alle gemeinsam Verantwortung", betonte Klingbeil.
Unzufriedenheit auch in den Reihen der Unionsfraktion
Doch nicht nur zwischen Union und SPD gibt es kritische Töne. Auch innerhalb der Unionsfraktion gibt es unzufriedene Stimmen. Zu ihnen gehört Sepp Müller, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion im Bundestag. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung prangert er einen aus seiner Sicht zu starken Kurswechsel seiner Partei seit dem Start der schwarz-roten Regierung an. "Wir sind mit dem Versprechen in den Wahlkampf gegangen, die Schuldenbremse zu verteidigen - und mit dem Slogan von Carsten Linnemann: 'Einfach mal machen.' Viel ist davon nicht geblieben. Das spürt man auch in der Stimmung der Fraktion", so Müller.
Der Fraktionsvize verwies auch auf die politische Stimmung im Osten Deutschlands. Bei der Bundestagswahl lag die AfD sowohl in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen klar vorn. Müller warnte: "Die Einsicht, dass wir als bürgerliche Mitte auseinanderfallen, wenn wir weitermachen wie bisher - diese Erkenntnis ist im Osten schon fünf Jahre weiter."
Müller selbst stammt aus Sachsen-Anhalt. Dort wird im September 2026 ein neuer Landtag gewählt. In der Union wird mit Sorge auf die Möglichkeit geblickt, dass die AfD danach eine Alleinregierung bilden könnte.
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