Die nahezu vollständige Abschaltung des Internets in Afghanistan soll offenbar nicht von Dauer sein. Äußerungen des Tugendministeriums der Taliban machen aber deutlich, worauf der Eingriff abzielt.
Die in Afghanistan herrschenden Taliban haben offenbar nicht vor, das Land dauerhaft vom Internet abzuschneiden. "Ein Internetverbot ist für uns logischerweise nicht akzeptabel", sagte der Sprecher des sogenannten Tugendministeriums, Saiful Islam Khayber, am vergangenen Freitag in einem Interview mit dem ARD-Studio Südasien. Es gebe vielmehr Pläne, Internetinhalte künftig stark zu filtern und vor allem den Zugang zu sozialen Medien unmöglich zu machen.
Die Radikalislamisten hatten am Montagnachmittag das Glasfasernetz des Landes offenbar vollständig abstellen lassen, auch das mobile Internet und Festnetztelefonie sind seither nicht mehr verfügbar. Afghanistan ist im Moment praktisch digital vom Rest der Welt abgeschnitten.
Das Tugendministerium steht zusammen mit dem Justizressort dem im südafghanischen Kandahar ansässigen obersten Talibanführer Haibatulla Achundzada besonders nahe. Deshalb geht man allgemein davon aus, dass Aussagen des Ministeriumssprechers mit der Führung abgestimmt sind und deren Position wiedergeben. Es sind bislang die einzigen bekannten Äußerungen der Taliban zu den derzeitigen Vorgängen um das Internet. Die anderen Ministerien in der Hauptstadt Kabul werden von Taliban-Mitgliedern geführt, die als pragmatisch und weniger konservativ gelten und die nicht selten im Konflikt mit den Erzkonservativen in Kandahar stehen.
Nutzung nur noch "in positiver Weise"
Khayber bezeichnete das Internet als ein "Werkzeug" - "so wie wir Stifte, Pistolen und andere Dinge haben". Aber, betonte er, "die Art und Weise, wie wir es nutzen, ist unterschiedlich". Das Internet sei "wichtig für das Land, für die Entwicklung, für die Wirtschaft und für das öffentliche Bewusstsein". Seine Regierung habe nicht vor, das Internet in ganz Afghanistan zu verbieten. Man wolle es jedoch so gestalten, dass es nur "in positiver Weise" genutzt werden könne.
Das Ministerium für Telekommunikation habe Khayber zufolge eine Umfrage zur Nutzung des Internets durchgeführt. Die habe ergeben, dass "etwa 60 bis 70 Prozent der Befragten das Internet in negativer Weise" nutzten. Ein geringerer Prozentsatz, etwa 30 bis 40 Prozent, nutzten es jedoch "sinnvoll und positiv". Problematisch sei dabei weniger die Nutzung durch Unternehmen und Behörden, sondern vor allem die private Nutzung.

Kritik an "negativer" Nutzung des Internets: Ministeriumssprecher Khayber im Gespräch mit ARD-Korrespondent Hornung.
"Unmoralische und kulturwidrige Handlungen"
Der Sprecher des Tugendministeriums führte weiter aus, was genau für die Taliban problematisch am Internet sei. Es gebe zum einen im Netz "unmoralische" Inhalte - mit diesem Attribut bezeichneten die Radikalislamisten bislang meist Pornographie, aber auch Glücksspiel. Und zum anderen "sehen wir Menschen in ganz Afghanistan, die das Internet auf vielfältige Weise negativ nutzen - auf sozialen Plattformen wie Facebook, Instagram, TikTok und so weiter". Das verstoße gegen die afghanische Kultur. Durch "unmoralische und kulturwidrige Handlungen im Internet schadeten sich Menschen selbst".
Khayber sagte, es müssten einige Schritte unternommen werden, zum Beispiel das Filtern einiger Websites, "die aufgrund der Regierungspolitik verboten sind". So etwas werde auch in anderen Ländern gemacht, sagte der Sprecher und nannte als Beispiele Russland, China, Saudi-Arabien, aber auch Japan und die USA. "Wir als Staat, als Regierung, haben unsere eigenen Richtlinien, welche Websites für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollen und welche Websites nicht."
Die Installation solcher Filter werde "einige Zeit dauern, aber wir gehen eben langsam vor". Für diese technischen Arbeiten sei man nicht auf ausländische Hilfe angewiesen. "Früher hatten wir Experten aus China, Pakistan oder anderen Ländern, aber jetzt setzen wir für die Filterung unsere eigenen Techniker ein."
Innerhalb der Taliban gibt es offenbar auch Widerspruch gegen die nun erfolgte Blockade des Internets - weil sie schwere Auswirkungen auf Handel, Wirtschaft und Behörden in Afghanistan hat. Ein hoher Ministerialbeamter der Taliban hatte dem ARD-Studio Südasien bereits vergangene Woche gesagt, er sei gegen diese Maßnahmen, weil sie im Land Schaden anrichteten. Er betonte jedoch, dass man letztlich den Anweisungen des obersten Führers folgen werde.
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