Israels Premier Netanjahu hat sich vor der UN-Vollversammlung als einsamer Kämpfer gegen den Terror inszeniert. Viele seien insgeheim dankbar für die "Drecksarbeit", die das Land mit seinen Kriegen leiste.
Als Benjamin Netanjahu ans Rednerpult tritt, muss der Vorsitzende der UN-Vollversammlung zur Ordnung rufen. Während die Vertreter Israels und Unterstützer auf den Rängen applaudieren, verlassen Dutzende andere Delegationen den Saal. Aus Protest.
Dem israelischen Premierminister macht das nichts aus - er hält eine kämpferische Rede, in der er gleich zu Beginn eine Karte des Nahen Ostens zeigt. Darauf sind all die Länder rot eingefärbt, die aus Netanjahus Sicht den Fluch der "Terrorachse" des Irans bilden.

Delegierte verlassen während Netanjahus Rede den Sitzungssaal
Diese Achse bedrohe den Frieden der ganzen Welt, sagt Netanjahu und hakt die Länder nach und nach mit einem dicken schwarzen Edding ab. Die Huthi im Jemen, die Hamas in Gaza, die Hisbollah im Libanon. Tausende Terroristen seien von Israel eliminiert worden, und es gehe weiter. Israel kämpfe den Kampf aller, so Netanjahu.
Netanjahu: Dank hinter verschlossenen Türen
Die Staatsoberhäupter, die ihn öffentlich dafür verurteilten, dankten ihm hinter verschlossenen Türen dafür, so der Premier: "Im vergangenen Juni, als Israel Irans Nuklearanlagen angriff, gab der deutsche Bundeskanzler Merz die Wahrheit zu. Er sagte: Israel macht die Drecksarbeit für uns alle."
Immer wieder wirft Netanjahu der Weltgemeinschaft vor, den Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023 vergessen zu haben und die Geiseln im Stich zu lassen. Deshalb wolle er sich mit dieser Rede auch an die noch immer von der Hamas gefangen gehaltenen Geiseln richten: Er habe Gaza mit Lautsprechern umringt, damit sie seine Nachricht hören könnten: "Unsere mutigen Helden, hier spricht euer Premierminister Netanjahu live von den Vereinten Nationen zu euch. Wir haben euch nicht eine Sekunde lang vergessen."
Nach Angaben von ARD-Korrespondenten in Tel Aviv ist das allerdings eine reine Propagandaaktion. Dort, wo die Lautsprecher aufgestellt worden seien, würde niemand mehr leben, der das hören könnte.
Anerkennung Palästina ist "schändliche Entscheidung"
Den Vorwurf des Genozids an den Palästinensern weist Netanjahu in seiner Rede von sich. Immer wieder warne die israelische Armee die Zivilbevölkerung, bevor sie eine Militäroperation ausführe: "Würden wir ihnen sagen, geht da weg, wenn wir Völkermord begehen wollten?", fragt Netanjahu. Israel versuche die Menschen aus Gebieten, die angegriffen werden sollen, rauszubringen, aber die Hamas halte sie auf.
Besonders viel Kritik richtet Netanjahu an die Länder, die Palästina zum Auftakt der UN-Vollversammlung als Staat anerkannt haben. Ihre schändliche Entscheidung werde den Terrorismus gegen Juden und gegen unschuldige Menschen überall fördern.
Den verantwortlichen Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien und Kanada wirft er vor, sie seien unter dem Druck von Aktivisten eingeknickt. Die Gründung eines Palästinenserstaates lehnt Netanjahu als "puren Wahnsinn" ab. Die Palästinenser glaubten selbst nicht an diese Lösung und hätten dies auch nie getan. Sie wollten keinen Staat neben Israel, sondern einen anstelle von Israel. Der Palästinensischen Autonomiebehörde wirft er vor, durch und durch korrupt zu sein.
Friedliche Zukunft ohne Palästinenser-Staat
Am Ende seiner Rede beschwört Netanjahu seine Vision eines friedlichen Nahen Ostens: Israel in friedlicher Koexistenz - mit seinen arabischen Nachbarländern, mit einem vom Mullah-Regime befreiten Iran, mit Syrien und Libanon ohne pro-iranische Milizen.
Und ohne einen eigenständigen Palästinenser-Staat.
Giselle Ucar, ARD New York, tagesschau, 26.09.2025 18:12 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke