Kaum ein EU-Land kritisiert Israel so scharf für den Gaza-Krieg wie Spanien. Die Bundesregierung hält sich dagegen zurück - beim Besuch von Kanzler Merz in Madrid prallten die unterschiedlichen Positionen aufeinander.
Wegen des Gaza-Kriegs will die EU-Kommission Wirtschaftssanktionen gegen Israel verhängen. Die Bundesregierung sieht diesen Schritt allerdings kritisch. Das machte Kanzler Friedlich Merz auch gestern Abend bei einem Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez in Madrid deutlich.
Bei seinem Antrittsbesuch betonte Merz, dass Deutschland an der Seite Israels stehe und verzichtete darauf, sich zu den Sanktionsvorschlägen der EU-Kommission zu positionieren. Sánchez kündigte dagegen seine Zustimmung an. Spanien gehört zu den Ländern in der EU, das Israel am schärfsten für das militärische Vorgehen im Gazastreifen kritisiert.
Spanien ist das letzte der größeren EU-Länder, das der Kanzler besucht - viereinhalb Monate nach seiner Vereidigung. Bei einem Gespräch unter vier Augen und einem Abendessen im Moncloa-Palast, der Residenz des Ministerpräsidenten, ging es vor allem um die bilateralen Beziehungen, die Europapolitik und die Sicherheitspolitik. Die Differenzen in der Israel-Politik waren aber das dominierende Thema der Pressekonferenz.
Mehrere Sanktionen vorgeschlagen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Mittwoch mehrere Strafmaßnahmen vorgeschlagen, um die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu einem Kurswechsel zu bewegen. Unter anderem will sie Freihandelsvorteile streichen, die 37 Prozent der israelischen Warenexporte in die EU betreffen.
Außerdem schlägt sie Strafmaßnahmen gegen besonders radikale Politiker wie Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir vor. Ihnen werden Menschenrechtsverletzungen und Aufstachelung zum Hass vorgeworfen.
Bundesregierung will sich bis Oktober positionieren
Die Bundesregierung will sich nun bis zum EU-Gipfel Anfang Oktober zu den Vorschlägen positionieren. In der kommenden Woche werde sich das Kabinett damit befassen, sagte Merz. "Ich gehe davon aus, dass wir dann eine Position im informellen Rat am 1. Oktober in Kopenhagen haben werden, die von der ganzen Bundesregierung auch getragen wird."
In der schwarz-roten Koalition haben sich die Parteien unterschiedlich positioniert: In der SPD gibt es Forderungen, Israel deutlich stärker unter Druck zu setzen. Die CSU spricht sich strikt gegen weitere Strafmaßnahmen aus. In der CDU stoßen Handelssanktionen auf Ablehnung, bei den personenbezogenen Sanktionen gibt es aber eine gewisse Offenheit.

Christian Feld, ARD Brüssel, über mögliche EU-Sanktionen gegen Israel
tagesthemen, 17.09.2025 22:15 UhrSpanien: Humanitäres Völkerrecht wurde verletzt
"Wir stehen auf der Seite Israels", betonte Merz bei dem Treffen mit Sánchez. "Das heißt nicht, dass wir jede Entscheidung einer israelischen Regierung teilen und gutheißen." Er verteidigte nochmals seine Entscheidung vom August, die Rüstungsexporte nach Israel einzuschränken.
Sánchez äußerte sich zufrieden über die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Sanktionen. "Tatsächlich fordern wir seit mehr als einem Jahr von der EU-Kommission, das strategische Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Israel auszusetzen", sagte der Sozialist. Spanien sei der Ansicht, dass einer der wichtigsten Artikel dieses Abkommens, nämlich der über die Achtung des humanitären Völkerrechts durch die israelische Regierung verletzt werde.
Sánchez spricht inzwischen vom Völkermord
In den vergangenen Tagen hatte Sánchez Israel des Völkermords im Gazastreifen bezichtigt. Zugleich betonte Sánchez, dass das spanische Volk ein Freund des israelischen Volkes sei. Nach dem "schrecklichen Angriff" der Hamas auf Israel am 7. Oktober habe er Jerusalem besucht und immer wieder die Freilassung aller von der Hamas im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln gefordert.
Spanien hat bereits früh konkrete Maßnahmen ergriffen, um Israel unter Druck zu setzen. So schloss sich das Land schon 2024 als erstes EU-Mitglied der Völkermordklage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) an. Anfang September kündigte Sánchez ein komplettes Waffenembargo sowie ein Einreiseverbot "für all jene Personen, die sich direkt am Völkermord, an der Verletzung von Menschenrechten und an den Kriegsverbrechen in Gaza beteiligen" an.
Uneinigkeit auch bei Anerkennung Palästinas
Mit Blick auf die Differenzen mit der spanischen Regierung in der Nahost-Politik betonte Merz: "Für die Bundesregierung steht die Anerkennung palästinensischer Staatlichkeit gegenwärtig nicht zur Debatte. Eine solche Anerkennung sehen wir weiter als einen der letzten Schritte auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung."
Merz fügte hinzu, dass man aber die Befürchtung teile, dass Israel im besetzten palästinensischen Westjordanland Gebiete annektiere, die die angestrebte Zwei-Staaten-Lösung noch weiter erschweren würden.
Sánchez warnt vor mehr Unsicherheit in Nahost
Anders als die spanische Regierung wollte sich Merz nicht der Einschätzung eines UN-Berichts anschließen, dass es sich im Gazastreifen um einen Völkermord an den Palästinensern handelt. Es sei sehr wichtig, dass Kritik an der israelischen Regierung nie zur Hetze gegen Jüdinnen und Juden missbraucht werden dürfe. "Darüber sollten wir uns in Europa einig sein", mahnte Merz.
Spaniens Ministerpräsident warf Israels Regierung jedoch vor, mit einer völlig falschen Strategie den Terror nicht zu besiegen, sondern mit nun 65.000 Toten im Gazastreifen noch zu fördern. "Das Ergebnis dieser Strategie wird nicht nur ein isoliertes Israel, sondern auch ein unsichereres Israel sein und eine ganze Region, die noch sehr viel unsicherer sein wird als vor dem Attentat der Hamas", betonte Sánchez.
Geteilte Sorge um humanitäre Lage
Beide Regierungen teilten "die tiefe Sorge über die humanitäre Lage in Gaza und die laufende Bodenoffensive der israelischen Streitkräfte gegen Gaza-Stadt", betonte Merz. Auch er halte das Vorgehen der israelischen Armee für unverhältnismäßig und falsch.
Zugleich müsse man aber immer sehen, dass die Terrororganisation Hamas diesen Krieg mit dem Überfall am 7. Oktober 2023 begonnen habe und ihn jederzeit sofort mit der Freilassung der noch inhaftierten Geiseln stoppen könne.
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