Die US-Late-Night-Show "Jimmy Kimmel Live" wurde vorerst abgesetzt. Ein weiteres Indiz dafür, dass es schlecht stehe um die Meinungsfreiheit in den USA, sagt Anja Osterhaus von Reporter ohne Grenzen im tagesschau24-Interview.
tagesschau24: Free Speech ist eigentlich einer der Grundwerte der USA. Nun setzt der US-Sender ABC die Late-Night Show "Jimmy Kimmel Live" ab, nachdem sich der prominente Moderator über das Attentat auf Charlie Kirk geäußert hat. Wie schätzen Sie das ein? War das eine vorauseilende Handlung, um keinen Ärger mit Trump zu bekommen?

ABC setzt Late-Night-Show von Jimmy Kimmel ab
Torben Börgers, ARD Washington, tagesthemen, 18.09.2025 22:15 UhrAnja Osterhaus: Ja, das muss man leider so sehen. Es gibt ja wirklich schon sehr viele Maßnahmen der Trump-Regierung, die gegen Medien umgesetzt wurden. Wir erleben seit der vergangenen Woche, seit dem Mord an Charlie Kirk, da noch mal eine ganz klare Eskalation gegenüber Medienschaffenden und auch gegenüber anderen Akteuren, zum Beispiel Stiftungen, die die Zivilgesellschaft fördern, und auch gegenüber Demokraten. Das Attentat ist ein Anlass gewesen für die Trump-Administration, da noch deutlich weiter zu gehen in ihrem Bemühen, kritische Stimmen auszuschalten.
"Regierung setzt systematisch unter Druck"
tagesschau24: Manche sprechen schon von einer Art Feldzug gegen die liberale Presse. Da wären zum Beispiel Klagen zu nennen: Zehn Milliarden Dollar werden gefordert vom Wall Street Journal, 15 Milliarden von der New York Times. Was sagen Sie zu diesem Vorgehen?
Anja Osterhaus: Vor allem sind es Einschüchterungsversuche. Wir wissen, dass das Wall Street Journal und die New York Times natürlich noch in der vergleichsweise guten Lage sind, sich dagegen wehren zu können, das sind große Medien. Wir können uns vorstellen, was das für Auswirkungen hat auf die kleineren Medienhäuser, die schon sehr stark unter Druck gesetzt wurden in letzter Zeit, und die diese Mittel nicht haben, sich dagegen zu wehren.
Wir hören vor allem von den großen Fällen, aber wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben. Es wird wirklich systematisch versucht, kritische Stimmen, die sich gegen die Trump Administration aussprechen, unter Druck zu setzen und auszuschalten.
Wir beobachten, dass die US-Regierung seit ihrem Amtsantritt am 20. Januar sehr systematisch unterschiedlichste Mittel benutzt. Viele davon bekommen wir nicht unbedingt mit. Aber genau diese großen Fälle zeigen uns die Bemühungen der Regierung, ihre eigene Sicht auf die Dinge durchzusetzen und die Kritik zu reduzieren und irgendwann auch auszuschalten.
"Erste Maßnahmen gegenüber Auslandskorrespondenten"
tagesschau24: Wenn man sich in Journalistinnen und Journalisten in den USA hineinversetzt: Was macht dieser Druck mit ihnen? Welche Auswirkungen hat der auf die Arbeit?
Anja Osterhaus: Sie sind natürlich eingeschüchtert. Und wir sehen ja an vielen Stellen, dass entsprechende Maßnahmen auch getroffen wurden von den Medienhäusern, wie zum Beispiel jetzt das Absetzen der Late Night Show von Jimmy Kimmel.
Wir sehen mittlerweile ja auch, dass bei Auslandskorrespondenten und Auslandskorrespondentinnen zumindest der Plan besteht, die Visa zeitlich deutlich zu verkürzen. Das waren früher Jahre, jetzt sollen es nur noch Monate sein. Da kann man sich auch vorstellen, was das bedeutet. Für viele Menschen ist es schon sehr schwierig, überhaupt für acht Monate in die USA umzusiedeln. Und wenn man sich dann kritisch äußert, dann weiß man ja nicht, ob man beim nächsten Mal noch mal eine Verlängerung des Visums bekommt.
Also wir sehen die ersten Maßnahmen gegenüber Auslandskorrespondenten, und das ist eine ganz neue Entwicklung aus der vergangenen Woche, die uns auch sehr besorgt.
"Einmischung in innere Angelegenheiten"
tagesschau24: Wenn Sie den Blick auf Deutschland richten, sehen Sie Parallelen zu den USA? Hierzulande lautet der Vorwurf ja häufig, dass konservative Meinungen in der Berichterstattung zu kurz kämen oder gecancelt würden.
Anja Osterhaus: Parallelen würde ich das wirklich nicht nennen. Wir sehen aber Auswirkungen dieser gesamten Politik der US-Regierung auf Deutschland. Wir sehen Allianzen mit beispielsweise Elon Musk. Der ist nicht in der US-Regierung, aber er ist ja ein sehr enger Verbündeter. Und wir sehen, wie er bei AfD-Veranstaltungen auftritt.
Wir sehen eine ganz eindeutige Einmischung in die inneren Angelegenheiten in Deutschland und in der EU. Interessanterweise oder absurderweise ja gerade immer mit der Haltung, dass bei uns die Meinungsfreiheit nicht so groß sei und dass man sie zulassen müsse - wohingegen wir jetzt gerade sehen, wie sie drastisch eingeschränkt wird in den USA und zwar in einem wirklich besorgniserregenden Tempo.
tagesschau24: Was raten Sie der freien Presse, die den Ansatz hat, möglichst alle Perspektiven abzubilden und Meinungen widerzuspiegeln?
Anja Osterhaus: Die deutschen Medien müssen unbedingt weiter auch kritisch über die Maßnahmen in den USA berichten und dürfen nicht zurückscheuen. Sie müssen faktengerecht berichten über das, was in den USA und weltweit passiert und dürfen sich nicht einschüchtern lassen. Auch gerade diese Pläne für Auslandskorrespondenten mit der Visavergabe sollten auf keinen Fall dazu führen, dass deutsche Medien sich zurückhalten mit der Einordnung dessen, was passiert.
"Justizsystem nicht mehr solide im Sattel"
tagesschau24: Glauben Sie, Trump wird sich durchsetzen und am Ende die Medienlandschaft auf seine Linie bringen?
Anja Osterhaus: Das ist tatsächlich abzuwarten. Wir stellen fest, dass es mittlerweile auch beim Justizsystem enger wird. Und das hat ja eigentlich immer sehr gut funktioniert in den USA. Dort konnte man, wenigstens in der Vergangenheit, Rechte wie Meinungsfreiheit effektiv einfordern.
Wir haben selbst eine Klage gemeinsam mit US-amerikanischen Gewerkschaften eingereicht und warten immer noch auf Entscheidungen. Es werden so viele Prozesse angestrengt und wir müssen leider feststellen, dass auch das Justizsystem nicht mehr so solide im Sattel sitzt, wie das in der Vergangenheit war. Wie sich das weiterentwickelt, ist wirklich schwer zu sagen.
Was wir sagen können, ist, dass die Entwicklung der letzten neun Monate unglaublich rasant gewesen ist, was das Zurückdrängen von freien und unabhängigen Medien weltweit und auch in den USA angeht.
Das Gespräch führte Michail Paweletz für tagesschau24. Es wurde für eine bessere Lesbarkeit leicht redigiert.
Reinhard Spiegelhauer, ARD Los Angeles, tagesschau, 18.09.2025 05:00 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke