Heute schauen viele in Schweden auf die Stadt Kiruna: Die Seele des Ortes, die historische Kirche, muss ziemlich spektakulär umziehen. Mit ihr weicht ein ganzes Stadtzentrum dem Bergbau.
Langsam schiebt sich die rote Holzkirche voran. Man muss genau hinschauen, um die Bewegung zu erkennen. Sie erreicht noch nicht einmal Schrittgeschwindigkeit. Seit 113 Jahren stand die Kirche im schwedischen Kiruna an ihrem Platz. Jetzt muss sie dem Bergbau weichen.
Die Kirche ist 40 Meter breit und 672 Tonnen schwer. Unter ihr: eine logistische Meisterkonstruktion aus Stahl. Verantwortlich dafür ist der Bauingenieur Kjell Olovsson. Er erklärt im schwedischen Radio, wie dieser Transport funktioniert: "Zwei sogenannte Trailerlinien - Plattformen mit Rädern - fahren die Kirche. Es gibt sehr viele Achsen, 56 insgesamt. Sie tragen das Ganze und sind miteinander verbunden, sodass ein Fahrer das gesamte Gespann manövriert." Ein Livestream überträgt das komplizierte Unterfangen.
Umzug nach drei Jahren Planung
Drei Jahre lang wurde der Umzug der Kirche geplant, eine neue 24 Meter breite Straße musste gebaut werden. Jetzt ist der Tag gekommen, an dem Kirunas Seele, wie viele hier sagen, nach mehr als 100 Jahren ihren Platz wechselt.
Ihr Schicksal liegt in den Händen einer niederländischen Firma, die auf komplizierte Schwerlast-Transporte spezialisiert ist. Einer der Mitarbeiter braucht viel Fingerspitzengefühl, sagt Olovsson: "Er hat einen etwas erweiterten Joystick - so kann man es wohl beschreiben. Jede einzelne Achse kann individuell angesteuert werden. So können wir durch enge Stellen manövrieren."

Auf einer komplizierten Stahlkonstruktion wechselt die Kirche ihren Standort.
Das gesamte Zentrum muss dem Bergbau weichen
Die Kirche wandert vorbei an Kirunas Skyline. Die besteht nicht aus Gebäuden, sondern einer riesigen Halde. Schwedens nördlichste Stadt ist eine Bergbau-Stadt. Ohne das Eisenerz-Bergwerk würde es sie gar nicht geben.
Das ist auch der Grund, weshalb das gesamte Zentrum weichen muss: Der Boden wird instabil und das Bergwerk soll ausgeweitet werden. Für die Anwohner bedeutet das: 3.000 Gebäude werden abgerissen und ein neues Stadtzentrum errichtet. Tausende mussten bereits und müssen noch umziehen - so auch Marie Jonasson, die etwas traurig am Straßenrand steht. "So viele Häuser ziehen um oder werden abgerissen, das tut im Herzen weh. Aber wir leben nun mal vom Bergwerk", sagt sie.
"Sensationsfund" an Seltenen Erden
Vor gut zwei Jahren haben sie hier auch noch einen "Sensationsfund" gemacht, wie die schwedische Regierung sagt: Es soll das größte Vorkommen an seltenen Erden in ganz Europa sein. Die Rohstoffe sind wichtig für die Herstellung von beispielsweise Windturbinen oder Elektromotoren.
Viele in Kiruna sind wirtschaftlich abhängig vom Bergbau, der Protest gegen den Stadtumzug hält sich in Grenzen. Ganz anders sehen es die Sami, die indigene Bevölkerung. Die Ausweitung der Mine bedeutet für sie, dass große Weideflächen für die Rentierzucht nicht mehr nutzbar sind.
"Die Belange der Sami werden unsichtbar"
Lars-Marcus Kuhmunen von der Sami-Gemeinde schaut wenig begeistert auf den heutigen Umzugsrummel: "Es spricht eine deutliche Sprache, welchen Fokus man auf den Umzug einer Kirche legt." Das Kulturerbe zu bewahren sei zwar wichtig. "Aber die Belange der Sami werden unsichtbar, die negativen Konsequenzen für uns. Für uns bringt das alles sehr, sehr große Probleme mit sich", klagt er.
Aufzuhalten ist Kirunas Stadtumzug nicht mehr. Viele historische Gebäude haben in den vergangenen Jahren bereits ihren Standort gewechselt. Noch etwa zehn bis 15 Jahre wird es dauern, dann soll dieses Mammutprojekt abgeschlossen sein.
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