Nach dem Ukraine-Gipfel im Weißen Haus bestehe zwar die Möglichkeit eines Abkommens - als reinen Erfolg sehen internationale Pressestimmen das Treffen aber nicht. Zu viele Fragen seien offen, zu viele Faktoren unberechenbar.

Ob sich Wladimir Putin auf das von US-Präsident Donald Trump angekündigte Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj einlassen wird, ist noch unklar. Zu der Frage zitiert die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass lediglich Putins außenpolitischen Berater. Von Juri Uschakow hieß es demnach, Putin und Trump hätten sich für eine Fortsetzung der direkten Gespräche zwischen der russischen und der ukrainischen Delegation ausgesprochen. Sie hätten auch über die Idee diskutiert, die russisch-ukrainischen Verhandlungen auf höherer Ebene zu führen. 

Die russische Tageszeitung "Nesawissimaja Gaseta" bilanziert zur Begegnung von Trump und dem ukrainischen Staatschef im Weißen Haus, die "westlichen Führer" hätten sich vor dem Treffen des US-Präsidenten mit Selenskyj beraten. Sie hätten ihm beigebracht, "wie man richtig mit dem US-Präsidenten spricht", damit sich ein "Zusammenstoß wie am 28. Februar" nicht wiederhole.

"An den Tatort zurückgekehrt"

Bezug auf das vorige Treffen nimmt auch die australische Zeitung Sydney Morning Herald: Selenskyj sei "an den Tatort zurückgekehrt - nach jenem desaströsen Treffen im Februar". Das Verhältnis zu seinem US-Amtskollegen habe sich deutlich verbessert, Selenskyj sei vorbereitet gewesen und nicht auf Provokationen eingegangen. "Zweifellos besteht weiterhin eine gewisse Spannung zwischen den beiden. Doch ihre zweite Begegnung im Weißen Haus war von Leichtigkeit durchzogen - und das spielte Selenskyj in die Karten."

Laut der italienischen Tageszeitung La Repubblica hat die "schwierige Vermittlung" Trumps zur Beendigung des Krieges in der Ukraine "eine zweite Etappe hinter sich gebracht." Es sei gelungen, "weitere Spielfiguren auf den Tisch zu bringen, ohne jedoch das Hindernis zu beseitigen, das alles zum Scheitern bringen könnte: die Uneinigkeit über die besetzten Gebiete, die in russischer Hand bleiben sollen."

Glaubwürdigkeit sei der schwierigste Teil, heißt es von der US-Zeitung Washington Post. "Es ist schwer vorstellbar, dass Trump zustimmen würde, amerikanische Soldaten zu entsenden." Trotzdem sei ein Abkommen möglich. "Wenn sich Europäer und Amerikaner dazu verpflichten, Russland in der Ukraine so lange wie möglich - wahrscheinlich so lange Putin an der Macht ist - in Schach zu halten, wäre dies tatsächlich eine willkommene Veränderung." Die Frage sei, ob Trump verstehe, dass der Abschluss eines Abkommens erst der Anfang sei.

"Hastig über den Atlantik gejettet"

Zu den Beratungen in Washington waren auch europäische Spitzenpolitiker gereist. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Bundeskanzler Friedrich Merz, der britische Premier Keir Starmer, Finnlands Präsident Alexander Stubb, NATO-Generalsekretär Mark Rutte und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen "waren hastig über den Atlantik gejettet, nachdem sie vergangenen Freitag von Ferne hatten mit ansehen müssen, wie Putin Trump nach allen Regeln der KGB-Kunst umgarnt hatte", ist beim Spiegel zu lesen.

Die Europäer hätten ihr Bestes getan. "Und vermutlich muss es unter diesen Umständen bereits als Erfolg gelten, dass es, zumindest vor laufenden Kameras, keine Misstöne gab. Wie Putin in Alaska bekamen die Staatslenker ihre Bilder Schulter an Schulter mit Trump." Am Ende habe das Treffen länger gedauert als erwartet, schreibt der Spiegel weiter. "Aber einen Durchbruch brachte es wohl nicht."

"Europa beruhigt einen verrückten König", betitelt Zeit Online seinen Kommentar zu den Ereignissen in Washington. Oberflächlich betrachtet sei der Ukraine-Gipfel im Weißen Haus ein Erfolg gewesen. Doch "eine operettenhafte Tragik" habe das Treffen umweht - und den "Realitätsverlust von Trump" gezeigt.

Forderung nach Soldaten und Waffen

Laut der spanischen Zeitung El Mundo scheint der ukrainische Präsident "vor einer sehr schweren Entscheidung zu stehen: entweder an der territorialen Integrität festzuhalten oder das Überleben des ukrainischen Staates zu sichern, indem er Gebietsabtretungen im Austausch für einen gewissen Schutz durch die EU und die USA akzeptiert." Die Erleichterung, die Washingtons Bereitschaft, mit der Ukraine über "Garantien" zu sprechen, ausgelöst habe, könne nicht über den Preis hinwegtäuschen, den Europa für einen Frieden nach Maß des Kremls zahlen würde.

Die Ukrainer bräuchten nun konkrete und greifbare Sicherheitsgarantien, schreibt "Hospodarske noviny" aus Tschechien. Aber: "Die Ukraine hat in der Vergangenheit mit schriftlichen Sicherheitsgarantien schlechte Erfahrungen gemacht." Man müsse über Soldaten und Waffen verfügen und bereit sein, sie auch einzusetzen. "Das ist die Realität der heutigen Welt. Viele europäische Politiker sind immer noch nicht bereit, sich das einzugestehen. Die Ukrainer machen diese Erfahrung hingegen tagtäglich bei der Verteidigung ihres Landes."

Mit Informationen von Björn Blaschke, ARD-Studio Moskau, zzt. Tiflis

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