Nach dem Ukraine-Gipfel sind die Fortschritte auf dem Weg zu einem Friedensabkommen überschaubar. Doch die Europäer haben ein Ziel erreicht: Mit einem geschlossenen Auftritt setzen sie Trump und Putin etwas entgegen.
In Washington hat US-Präsident Donald Trump seinen ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj empfangen, um über mögliche Wege zu einem Frieden zu sprechen. Mehrere europäische Staats- und Regierungschefs begleiteten den Präsidenten des von Russland angegriffenen Landes - darunter Bundeskanzler Friedrich Merz. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und NATO-Generalsekretär Mark Rutte kamen mit ins Weiße Haus.
Ihr gemeinsames Ziel war es, den Amerikanern ihre Position zu verdeutlichen - etwa wie wichtig glaubwürdige und damit abschreckende Sicherheitsgarantien für die Ukraine seien. Vor allem aber wollten die Europäer betonen, dass erst einmal eine Waffenruhe erreicht werden müsse, um das Töten und das Zerstören in der Ukraine zu beenden. Manche Beobachter sahen in der Anreise der Europäer aber auch eine Art Geleitschutz für Selenskyj, da dessen Gespräch mit Trump und seinem Vize, JD Vance, im vergangenen Februar eskaliert war.
Freundliche Begrüßung
Schon die Begegnung vor der Haustür des Weißen Hauses verlief betont freundlich. Trump würdigte Selenskyjs schlichten schwarzen Anzug. Beim letzten Mal hatte der US-Präsident sein ukrainisches Pendant für dessen Kleidung kritisiert. Auf Nachfrage eines Reporters, was Trump den Menschen in der Ukraine sage, rief Trump: "Ich liebe sie."
Auch im Oval Office wirkten die beiden Staatschefs im Umgang harmonisch. Das setzte sich auch in der größeren Runde mit den Europäern so fort.
Merz: Keine Gespräche über Gebietsabtretungen
Während das Treffen also atmosphärisch deutlich besser lief, scheinen die Fortschritte inhaltlich aber überschaubar. Die Teilnehmer sprachen über viele verschiedene, kritische Fragen. Trump und Selenskyj sollen sich laut Beobachtern bereits über Karten gebeugt haben, möglicherweise um über den Frontverlauf zu diskutieren.
Über Gebietsabtretungen sei aber, so Kanzler Merz, nicht in größerer Runde gesprochen worden. Und diese dürften auf keinen Fall der Ukraine aufgezwungen werden, betonte er in einer späteren Pressekonferenz. Das von Russland beanspruchte Gebiet entspräche in etwa der Größe Floridas, verglich der deutsche Regierungschef, um die Dimension zu verdeutlichen.
Sicherheitsgarantien sind essenziell
Ein zentrales Thema waren die sogenannten Sicherheitsgarantien. Diese könnten einen ähnlichen Charakter haben wie die Artikel-5-Beistandsklausel der NATO. Sie sind für den ukrainischen Präsidenten Selenskyj essenziell und müssten glaubwürdig sein, um Moskau nach einer möglichen Einigung von weiteren Angriffen abzuhalten, sagen Militärexperten. Historische Beispiele - wie etwa Frankreichs Verhalten gegenüber der Tschechoslowakei 1938 - würden zeigen, dass nicht-untermauerte Sicherheitsgarantien nicht nur die Glaubwürdigkeit der Beteiligten verspielen, sondern auch den Aggressor zu einem neuen Angriff verleiten könnten.
Zwar zeigten sich sowohl die Europäer als auch die Amerikaner zuversichtlich in puncto Sicherheitsgarantien. Aber US-Präsident Trump hielt sich eher bedeckt, wie genau eine konkrete Unterstützung aussehen könnte - also, ob etwa US-Truppen in die Ukraine entsandt werden würden. Er betonte aber: Die Europäer stünden zwar in der ersten Reihe, aber die Amerikaner würden sie unterstützen. Das werten die Europäer als wichtigen Schritt in die richtige Richtung.
Merz zieht positive Bilanz
Vor allem Bundeskanzler Merz begrüßte das sehr. Er habe vor dem Treffen nicht gewusst, ob und wie konstruktiv die Gespräche verlaufen würden, sagte er. "Das hätte auch anders verlaufen können, aber meine Erwartungen sind eigentlich nicht nur getroffen, sondern übertroffen worden", so Merz. Auch Finnlands Präsident Alexander Stubb meinte, der Gipfel habe die größten Fortschritte seit drei Jahren gebracht.
Problematisch bleibt aber weiterhin der konkrete Fahrplan hin zu einem Friedensabkommen. Denn während der Präsident der Ukraine - unterstützt von den europäischen Partnern - weiterhin einen Waffenstillstand fordert, blieb Trump bisher bei seiner Aussage, dass lieber direkt ein Friedensabkommen angestrebt werden solle. Wörtlich sagte er: "Wir können an einem Deal arbeiten, während weitergekämpft wird." Das allerdings entspricht eher der Position des Kremls und ist für die Europäer inakzeptabel.
Merz und Macron fordern weiter Waffenstillstand
Schon vor dem Treffen hatte Trump mit einem Post auf seinem digitalen Netzwerk Truth Social für Aufsehen gesorgt. Dort schrieb er, Selenskyj könne im Prinzip sofort den Krieg beenden, wenn er wolle, so Trump. Das würde aber wahrscheinlich bedeuten, dass er sich vollständig auf die Forderungen aus Moskau einlässt - für Selenskyj undenkbar.
Sowohl Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als auch Kanzler Merz betonten noch einmal gegenüber Trump, dass es schnellstmöglich einen Waffenstillstand geben müsse. Merz sagte: "Ich kann mir kein drittes Treffen ohne eine Waffenruhe vorstellen." Er forderte, mehr Druck auf Russland auszuüben. Dass der US-Präsident ihm hier nicht widersprach, werten manche Beobachter bereits als gutes Zeichen.
Trump telefoniert mit Putin
Schließlich unterbrach Trump das Treffen, um direkt mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu telefonieren. Ob dieses Telefonat bereits vorab verabredet war oder wirklich spontan geführt wurde, blieb unklar. Allerdings hatte Trump angekündigt, sich nach dem Treffen mit Selenskyj und den Europäern mit Putin über mögliche Fortschritte unterhalten zu wollen.
"Zum Abschluss des Treffens habe ich Präsident Putin angerufen und mit den Vorbereitungen für ein Treffen zwischen Präsident Putin und Präsident Selenskyj an einem noch zu bestimmenden Ort begonnen", so Trump. Ob das der nächste Schritt auf diplomatisch dünnstem Eis sein könnte, werden die nächsten Tage zeigen.
"Ich habe bestätigt - und alle europäischen Staats- und Regierungschefs haben mich unterstützt - dass wir bereit zu einem bilateralen Treffen mit Putin sind", sagte Selenskyj nach dem Treffen im Weißen Haus. Die Europäer wollen jedenfalls weiter fest an Selenskyjs Seite stehen und ihn bestmöglich auf das potenzielle Treffen vorbereiten. Ein Ziel aber scheinen Merz, Macron und Co. schon jetzt mit und für die Ukraine erreicht zu haben: Sie setzten zweifelhaften Bildern von Trump und Putin in Alaska etwas entgegen - durch einen gut vorbereiteten und geschlossen wirkenden Auftritt in Washington.
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