Seit dem vergangenen Jahr erschüttern häufige Erdbeben die Region um die Phlegräischen Felder, Europas Supervulkan bei Neapel. Ende Juni erreichte eines sogar die Stärke von 4,6 auf der Richterskala. Deuten die häufigen Beben auf einen bevorstehenden Ausbruch hin? Und wer wäre bei einer Eruption in Gefahr? Die Aufmerksamkeit auf die geologischen Phänomene rund um den Vulkan ist groß – verständlicherweise, denn zwei riesige Ausbrüche vor 39.000 und vor 15.000 Jahren haben gewaltige Aschemengen in die Luft befördert und teilweise bis in das Gebiet des heutigen Russlands getragen. Forscher nehmen an, dass der Staub wie eine gigantische Sonnenbrille wirkte und das globale Klima um einige Grad abgekühlt hat. Das Wachstum wichtiger Nährpflanzen dürfte erheblich eingeschränkt worden sein.
Allerdings: Momentan gibt es kaum Anzeichen für einen solchen Mega-Ausbruch. Doch aufgrund der dichten Besiedlung – im Ballungsraum Neapel leben über 5 Millionen Menschen – kann schon eine vergleichsweise kleinräumige Eruption katastrophale Folgen haben.

Heißes CO2 füllt große Spalten über der Magmablase
Eine internationale Forschergruppe unter Beteiligung von Potsdamer Geophysikern hat in den vergangenen Jahren zusätzliche Seismometer in der Gegend über dem Vulkan installiert. Bei der Auswertung der neuen Daten stieß das Team um Giacomo Rapagnani von der Universität Pisa zum ersten Mal in diesem Gebiet auf sehr langperiodische Signale (VLP), die während der jüngsten Erdbeben auftraten. Die Wellen hatten eine dominante Frequenz im Bereich von 0,11 Hertz und dauerten zwischen 60 und 90 Sekunden.
"Solche monochromatischen, langperiodischen Signale sind untypisch für tektonische Beben", sagt Torsten Dahm, Leiter des Bereichs Vulkan- und Erdbebenphysik am Helmholtz-Zentrum für Geowissenschaften in Potsdam. "Sie deuten jedoch darauf hin, dass es Fluide im System unter dem Vulkan gibt, die sich bewegen und in Schwingung geraten." Konkret handelt es sich dabei wahrscheinlich um heißes CO2, denn das tritt seit Jahren in großen Mengen aus den sogenannten Fumarolen an der Oberfläche in Solfatara aus.
Forscher können nun den Weg der magmatischen Gase nachvollziehen
In ihrer Analyse kombinierten die Forscher die langperiodischen Signale mit den Daten der tektonischen Beben, um daraus ein Bild von der Situation im Untergrund abzuleiten. Sie gehen davon aus, dass es in etwa 3,6 Kilometern Tiefe größere Spalten unter der Erde gibt, die mit heißen Gasen und hydrothermalen Fluiden gefüllt sind. Diese Spalten liegen über der wachsenden Magmablase, welche sich wahrscheinlich in etwa 4 Kilometern Tiefe befindet. "Wir sehen im Grunde zum ersten Mal die Verbindung zwischen der Zone, wo die Gase entstehen, und dem Gebiet, wo sie entweichen", erklärt Dahm.
Obwohl die langperiodischen Schwingungen mit Erdbeben einhergehen, sehen die Forscher darin ein unabhängiges Phänomen, das von einer resonierenden also mitschwingenden Erdspalte ausgeht. Ursachen dafür seien einerseits die wachsende Magmablase, andererseits das ausströmende CO2, schreiben sie. Das passe auch zu der wachsenden Anzahl von vulkanischen Erdbeben und der derzeitigen Hebung des Bodens nahe der Solfatara. Ob und wann es aber zu einem nächsten Ausbruch der Phlegräischen Felder kommt – und vor allem wo genau, das lässt sich auch mit den jetzt vorhandenen Daten nicht genau sagen.
Monte Nuovo: Beim Ausbruch 1538 bildete sich der neue Berg
Wahrscheinlich ist die aktuelle Phase Teil einer längeren Kette von bradyseismischen Krisen. Mit dem Fachbegriff meinen Wissenschaftler eine Art Erdbeben in Zeitlupe, bei dem sich der Boden im Lauf mehrerer Jahre hebt und senkt. Das ist bereits in den Jahren 1969 bis 1972 und 1982 bis 1984 passiert, die auch von abrupten Beben mit einer Stärke von bis zu 3,8 auf der Richterskala begleitet waren. Im Jahr 2025 betrug die maximale Stärke eines solchen Bebens bisher 4,6.
Die Serie von Beben könne, müsse aber nicht in einem Ausbruch enden, sagt Torsten Dahm. Seine italienischen Kollegen vermuten, dass das wahrscheinlichste Szenario dem Ausbruch im Jahr 1538 ähneln könnte. Damals hatte die Erde regelmäßig gebebt, bevor sich Struktur und Zentrum der Beben plötzlich verändert hatten. Eine Magmablase war aufgestiegen und kurz vor dem Ausbruch seitwärts gewandert. Schließlich kam es zu der Eruption, bei der sich der Monte Nuovo bildete, der neue Berg.

Hunderttausende Menschen müssten die Region verlassen
1538 konnten die meisten Bewohner rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden, nur 24 Menschen starben. Doch selbst wenn sich ein Ausbruch einige Tage vorher ankündigt, dürfte eine Evakuierung des Gebiets heute schwieriger sein. Inzwischen leben rund 350.000 Menschen im Gebiet des Supervulkans und fast fünf Millionen im ganzen Großraum Neapel. Eine engmaschige Überwachung des Vulkans bleibt also essenziell wichtig.
Links/Studien
- Rapagnani et.al.(2025): Coupled earthquakes and resonance processes during the uplift of Campi Flegrei caldera, communications earth & environment
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