Vor dem Treffen Trump-Putin läuft die internationale Diplomatie - dazu gehört auch die von Kanzler Merz ausgerichtete Videokonferenz. Mit welchen Erwartungen gehen die Teilnehmer in den Austausch - und wie positioniert sich Russland?
USA: Eher ein Pflichttermin
Von Carsten Kühntopp, ARD Washington
US-Präsident Donald Trump misst der Videoschalte allem Anschein nach keine allzu große Bedeutung bei. Sie ist auch nichts, was die Medien bereits seit Tagen beschäftigt hätte. So, wie Trump tickt, ist allein entscheidend, was er mit Putin bespricht, wenn die beiden zusammensitzen - langwierige Konsultationen vorab mit verschiedenen Akteuren sind nicht das Ding dieses Präsidenten. Und mit guten Ratschlägen oder gar Belehrungen von anderen kann er ohnehin nicht gut umgehen.
Allerdings hat sich Trumps Sicht auf die Europäer in den vergangenen Monaten geändert. Mittlerweile spricht er mit mehr Respekt als früher über sie. Entscheidend war die Zusage der NATO-Partner, künftig deutlich mehr Geld für die eigene Verteidigung auszugeben, wie Trump es seit Jahren forderte. Und der Präsident ist in Sachen Zölle zufrieden: Aus seiner Sicht hat die EU zugestimmt, gewaltige Summen in den USA zu investieren und dort für ähnlich große Summen Energie zu kaufen.
Dass er die Europäer in Sachen Ukraine braucht, scheint Trump bewusst zu sein: Deshalb ist er bereit, an der Videoschalte teilzunehmen. Und deshalb hat er versprochen, die Europäer nach dem Alaska-Gipfel über das Ergebnis zu informieren.
Frankreich: Vorbereitungen für den Fall der Fälle
Von Wolfgang Landmesser, ARD Paris
Die sogenannte Koalition der Willigen geht maßgeblich auch auf Emmanuel Macron zurück. Gemeinsam mit dem britischen Premier Keir Starmer war es sein Ziel, eine gemeinsame europäische Strategie zu entwickeln, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Vor dem Hintergrund, dass sich die USA aus der Unterstützung der Ukraine völlig zurückziehen könnten.
Um diese Koalition zu bilden, hatte der französische Präsident im Februar zum ersten Mal nach Paris eingeladen. Dazu gehörte auch die Idee einer europäischen Friedenstruppe, die einen möglichen Waffenstillstand in der Ukraine absichern soll. Deutschland stand dem Plan skeptisch gegenüber. Anfangs war nicht klar, wie diese Truppe genau aussehen könnte, und ob Bodentruppen in der Ukraine zum Einsatz kommen sollen.
Im Juli haben sich Macron und Starmer dann auf Details der Friedenstruppe verständigt. Sie könne innerhalb weniger Stunden nach einem Waffenstillstand aktiv werden; der Generalstab werde in Paris aufgebaut. Kampftruppen am Boden sollen allerdings nicht entsendet werden. Um den Krieg zu beenden, setzt der französische Präsident außerdem auf mehr wirtschaftlichen Druck auf Russland, Waffenlieferungen an die Ukraine und eine NATO-Mitgliedschaft des Landes.
Großbritannien: Nur nicht zu viel Druck auf Trump
Von Mareike Aden, ARD London
Für den britischen Premier Keir Starmer spielt die sogenannte Koalition der Willigen eine zentrale Rolle bei der Stärkung der Ukraine und der Mitsprache Europas. Starmer selbst hat sie zusammen mit dem französischen Präsidenten Macron im Frühjahr ins Leben gerufen, ursprünglich mit der Idee, einen Waffenstillstand vor Ort in der Ukraine abzusichern, mit europäischen Truppen und US-Sicherheitsgarantien.
Ein direktes Treffen zwischen Trump und Putin ohne ukrainische und europäische Beteiligung wollte Großbritannien vermeiden und hat sich wiederholt auch für weitere Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Die britische Position deckt sich in weiten Teilen mit der der EU-Staats- und Regierungschefs. Ein Abkommen jeder Art müsse die Ukraine direkt involvieren und sie dürfe nicht zu Gebietsabtritten genötigt werden. Trump dürfe Putin nicht vertrauen, sagte ein Sprecher von 10 Downing Street.
Anders als viele EU-Staats- und Regierungschefs hält sich die britische Seite darüber hinaus mit Appellen und öffentlicher Kritik an Trump zurück und setzt auf Einflussnahme hinter den Kulissen. Die rechtskonservative Zeitung The Telegraph zitiert Quellen aus der Downing Street, die verärgert seien über zu viel öffentlichen Druck auf Trump von Seiten der EU-Chefs.
Sollte Trump mit Putin über den Kopf der Ukraine hinweg ein Abkommen schließen, dann wäre das auch für Starmer eine Niederlage. Denn er versucht, sein Land als politische Brücke und einflussreichen Vermittler zwischen EU und dem US-Präsidenten zu positionieren.
Die EU: Möglichst vorbeugen
Von Thomas Spickhofen, ARD Brüssel
Seit Bekanntwerden des Alaska-Gipfels bespielen die Europäer verschiedene Kanäle, um ihre Position bis an den Verhandlungstisch zu bringen, an dem sie nicht mitsitzen werden: mit Statements, Telefonaten, Sondersitzungen.
Die Schalte heute in verschiedenen Konstellationen gehört dazu. In mehreren Erklärungen hieß es bereits: Grenzverschiebungen mit Gewalt dürfe es nicht geben, die Ukraine bekomme weiter Unterstützung, militärisch und finanziell. Das Land brauche "robuste" Sicherheitsgarantien, sinnvolle Verhandlungen könne es erst bei einer Waffenruhe oder zumindest einer Verringerung der Feindseligkeiten geben, und: Es dürfe nichts über die Köpfe der Betroffenen hinweg entschieden werden.
Die Sorge ist groß, dass genau das geschieht, und zwar zu Lasten der Ukraine und der Europäer. Um das zu vermeiden, sind heute die Regierungschefs der EU-Länder Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und Finnland dabei, außerdem der britische Premierminister und der NATO-Generalsekretär sowie die EU-Kommissionschefin und der Ratsvorsitzende der EU.
Russland: Jede Menge Häme
Von Stefanie Markert, ARD Moskau, zurzeit Leipzig
In den Abendnachrichten Vesti machte der Moderator schon vor dem Bericht über den Alaska-Gipfel klar: "Das Ergebnis der kollektiven Panik von Selenskyjs Sponsoren war die Entscheidung, Trump vor Alaska anzurufen. Das Trio Macron, Starmer und Merz will ein Tête-à-Tête Putins und Trumps in ein Trio verwandeln."
Wladimir Dschabarow, stellvertretender Vorsitzender des Auswärtigen Ausschuss des russischen Föderationsrats, sagte im Fernsehkanal Rossija 24 selbstgefällig: "Sehen Sie sich an, wie Merz versucht zu beweisen, dass sie alle mit Selenskyj eine Front bilden. 'Ich rette die Ukraine!' Sie verhalten sich, offen gesagt, einfach unanständig. Ich denke, zu gegebener Zeit werden sie Selenskyj sehr schnell im Stich lassen, und versuchen, Trump noch einen Schritt voraus zu sein, um irgendeine Art von Beziehung zu uns aufzubauen."
Der Politologe Nikolai Plotnikow sagt auf demselben regierungstreuen Kanal: "Sie haben Angst davor, dass ihr Ziel, Russland eine strategische Niederlage zuzufügen und uns in die Knie zu zwingen, nicht funktioniert. Deshalb gibt es diese Panik und Äußerungen von Herrn Merz, Starmer, von der Leyen und all den anderen. Was auch immer sie am Mittwoch sagen - es wird ein klarer Versuch sein, Druck auf Trump auszuüben. Aber das ist sinnlos. Genau wie Druck auf unseren Präsidenten!"
In Russland spielt man die Merz-Initiative herunter. Man fühlt sich am längeren Hebel und scheint dies offensichtlich zu genießen.
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