Kaum hatten Putin und Trump ihr Telefonat beendet, startete Russland eine Angriffswelle auf Kiew, wie es sie noch nicht gegeben hat. Die Menschen in der Stadt sind am Tag danach zermürbt - und sie beschleicht eine bestimmte Angst.
Es war eine Nacht, die vielen Menschen in Kiew für immer im Gedächtnis bleiben wird. Sie begann für die ukrainische Hauptstadt mit Sirenen, Explosionen, Angst und endete mit Trümmern, Verletzten, Sorge vor der Zukunft. Sie hinterlässt eine Stadt, die im Rauch steht. Überall kann man ihn riechen.
Russland hat die Ukraine mit der bislang größten kombinierten Angriffswelle aus Raketen und Drohnen seit Beginn des Krieges überzogen. 539 Drohnen, überwiegend vom Typ Shahed, sowie elf Raketen wurden abgefeuert. Hauptziel war die Hauptstadt Kiew.
Zuflucht in der Metro
Der Schock am Morgen danach sitzt tief. Zerborstene Fenster, brennende Autos, zerstörte Wohnungen - in sechs der zehn Stadtbezirke gibt es schwere Schäden, teilt die Stadtverwaltung Kiew mit. Auch Bildungsstätten und medizinische Einrichtungen wurden demnach getroffen.
In der Metro verstecken sich Menschen noch Stunden nach den Einschlägen aus Angst vor einem weiteren Angriff. Alja Schachlaj, eine 23-jährige Hochzeitsfotografin, steht unter Schock. Ihre Wohnung wurde in der Nacht komplett zerstört. "Wir waren alle im Keller. Zehn Minuten später gab es eine laute Explosion. Die Lichter gingen im Keller aus, die Leute gerieten in Panik." Sie hat nun kein Zuhause mehr.
Die 23-Jährige ist müde, beobachtet das auch zunehmend in ihrer Umgebung: "Mir scheint, dass den Menschen alles egal ist. Sie wollen einfach nur ihren Frieden, sie wollen einfach in ihrem Bett liegen und am nächsten Morgen aufwachen, ohne Angst haben zu müssen, was als nächstes durchs Fenster geschossen kommt und dass sie morgen kein Haus mehr haben."
Putin telefoniert - und lässt Raketen fliegen
Bemerkenswert ist der Zeitpunkt: Die Angriffswelle begann ausgerechnet nach einem knapp einstündigen Telefonat zwischen Russlands Machthaber Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump. Jedenfalls machte Putin im Gespräch laut Kreml-Berater Jurij Uschakow deutlich: Russland werde an seinen Kriegszielen in der Ukraine festhalten - kompromisslos.
Dass dieser Angriff nach dem Gespräch stattfand, kann als gezieltes Signal gedeutet werden: Moskau glaubt offenbar, es könne sich leisten, militärisch weiter zu eskalieren, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen.
Verheerender Waffenstopp
Denn gleichzeitig verliert die Ukraine nach und nach ihren wichtigsten Unterstützer. Die USA unter Trump haben jüngst die Lieferung mehrerer zentraler Waffensysteme gestoppt, darunter 30 Patriot-Raketen, AIM-7-Luft-Luft-Raketen, Stinger-Abwehrsysteme und GMLRS-Raketen.
Im Juni erst kam es zu den heftigsten Angriffen seit Kriegsbeginn - und genau jetzt stoppt Washington die Lieferungen. Offiziell aus Sorge um die eigenen Bestände. Doch die Signalwirkung ist verheerend.
Der Ukraine geht die Munition aus
Die Ukraine steht einem hochgerüsteten Gegner gegenüber, und ihr geht buchstäblich die Munition aus. Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht von einem "absichtlich massiven und zynischen" Angriff. Es sei eine "brutale, schlaflose Nacht" gewesen. Mindestens 23 Menschen wurden verletzt, darunter ein zehnjähriges Mädchen. 14 mussten ins Krankenhaus. Die Luftverteidigung konnte 478 Flugobjekte abfangen, doch neun Raketen und 63 Drohnen schlugen ein.
Insgesamt fielen Trümmer von abgeschossenen Drohnen an mindestens 33 Stellen im Stadtgebiet. Der 45-jährige Arzt Ruslan Sakrutnyj hat bei den Angriffen sein Auto verloren, hatte sich während der Angriffe verschanzt: "Zuerst gab es Explosionen, aber sie waren nicht sehr stark, und dann gab es eine sehr starke Explosion, und ich spürte, wie das gesamte Glas zerbrach. Ich ging schnell hinunter und sah, dass alles in Flammen stand. Die Menschen versuchten, das Feuer zu löschen, aber es war vergeblich."
Geht es jetzt immer so weiter?
Die Hauptstadt ist traumatisiert. Und nicht nur sie - Angriffe wurden auch in den Regionen Dnipro, Sumy, Tschernihiw und Charkiw gemeldet.
Präsident Selenskyj warnt wieder einmal: Ohne massiven internationalen Druck werde sich Russland nicht zurückziehen. Doch der Rückzug kommt aktuell aus Washington.
Und das ist es, was viele Ukrainer am nächsten Morgen so lähmt wie die Explosionen in der Nacht: Die Angst, dass es nun immer so weitergeht - und niemand mehr hilft.
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