Unionsfraktionschef Spahn soll dem Kanzler den Rücken freihalten und dafür sorgen, dass es in der eigenen Fraktion und mit dem Koalitionspartner läuft. Zuletzt ging das oft schief. Kann sich Merz auf Spahn verlassen?

Die Wahl von Jens Spahn zum Unionsfraktionschef war eine Überraschung: Beobachter vermuten, Merz habe seinen schärfsten Konkurrenten eingebunden. Verfolgt Spahn doch vor allem seine eigene Agenda, hörte man vereinzelt auch aus CDU-Kreisen.

Der Job gilt bei der CDU als Sprungbrett ins Kanzleramt. Bemerkenswert deshalb die Vorschusslorbeeren von CSU-Chef Markus Söder für Spahn: "Der Jens ist 360 Grad anspielbar für jedes Thema, ein echter Allrounder. Und ja, ich will auch sagen, er kann auch loyal."

Es ruckelt in der Koalition

Als Unionsfraktionschef ist Spahn Merz' wichtigster Mann. Er ist dafür zuständig, dass der Laden läuft - und zwar geschmeidig: sowohl nach innen, in der Union, als auch nach außen mit dem Koalitionspartner SPD. Es ruckelt aber, und zwar laut.

Nach 100 Tagen Koalition mit der SPD sieht Spahn selbst noch Luft nach oben: "Das ist vor allem auch in der Kommunikation und auch in dem Gefühl füreinander in dieser Koalition - was wir uns zumuten können, und was eben nicht."

Empörung über Aussagen zur AfD

Für die SPD war Spahn schon eine Zumutung, bevor er Fraktionschef wurde. Im April eckte er mit dem Vorstoß an, die AfD zu behandeln wie jede andere Oppositionspartei. "Ich bin sehr für die harte Auseinandersetzung in der Sache, für die harte Auseinandersetzung im Umgang", hatte er damals gesagt. "Ich glaube nur nicht, dass Geschäftsordnungstricks, wo die AfD sich dann in die Opferrolle hinein begibt, uns am Ende helfen." Eine Formulierung, die in der SPD für Empörung sorgte.

Dann - frisch im neuen Amt - sieht Spahn nicht kommen, dass Merz im ersten Wahlgang zum Kanzler scheitern könnte. Das Krisenmanagement und den notwendigen Kontakt zur Linkspartei überlässt er CSU-Mann Alexander Dobrindt.

Von der Maskenaffäre eingeholt

Im Juni holt den ehemaligen Gesundheitsminister dann die Maskenaffäre aus der Corona-Pandemie ein. Ein Bericht aus dem Gesundheitsministerium sieht Spahn im Zentrum einer verfehlten Beschaffungsstrategie, die die Steuerzahler noch Milliarden kosten könnte.

Spahn lässt die Vorwürfe abperlen: "Ich habe ein reines Gewissen." In der damaligen Lage habe er nach bestem Wissen und Gewissen entschieden. Es sei eben in der Pandemie eine Ausnahmesituation gewesen.

Spahn erklärt sich - oft wortreich -, aber zur Aufklärung trägt er nach Ansicht von Grünen-Politikerin Paula Piechotta nicht bei: "Das ist die typische Methode Spahn. Er sagt: 'Ich antworte nicht auf die Frage. Ich erzähle euch noch mal, wie dramatisch alles war'."

Missmanagement der Richterwahl

Noch mit seiner Selbstverteidigung beschäftigt, unterschätzt er dann im Juli das Brodeln in seiner Fraktion: Obwohl die Union sich mit der SPD auf drei Vorschläge für die Wahl zu neuen Verfassungsrichtern geeinigt hat, schafft Spahn es nicht, die nötige Mehrheit in seiner Fraktion für die Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf zu sichern.

Nicht nur Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge ist fassungslos: "Wir erwarten von der CDU, dass sie in der Lage ist, die Vorschläge, die sie selbst einbringt und selbst abstimmt, dann auch durch den Bundestag zu bringen. Wirklich, Jens Spahn kann einpacken, wenn er das nicht hinkriegt."

Eingepackt hat Spahn nicht, hingekriegt hat er es aber auch noch nicht. Die geplatzte Richterwahl belastet die Koalition mit der SPD nachhaltig. SPD-Co-Chefin und Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas sagt im ARD-Sommerinterview: "Ich will mal sagen, das Vertrauen ist angeschlagen. Ich kann auch nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Wir werden darüber auch noch sprechen."

Beschwichtigen und Fokus verlagern

Kann Merz sich nun auf Spahn verlassen? Die Kanzler-Entscheidung, die Waffenlieferungen an Israel einzuschränken, nennt Spahn "vertretbar", mehr nicht. Er weiß, dass es in der CDU viel Gegenwind zu Merz' Kehrtwende gibt - und versucht, das alles abzuschütteln: "Wissen Sie, die Deutschen wollen doch nicht wissen, wie es uns beim Regieren geht und uns die ganze Zeit nur darüber austauschen, was war und was nicht war. Die wollen, dass wir Probleme lösen."

Für Spahn heißt das allerdings: erst einmal die eigenen Probleme lösen.

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