Die Fraktionsspitzen von Union und SPD treffen sich zu einer Klausur in Würzburg. Es geht um Kommunikation, Vertrauen und was man noch zusammen erreichen kann. Kann die Gruppentherapie gelingen?

Nichts soll auf dieser Fraktionsklausur dem Zufall überlassen sein. Jedes Bild muss stimmen, Kommunikationspannen will sich diese schwarz-rote Koalition auf der Klausur in Würzburg nicht erlauben. So setzt die CSU auf jeden Fall zu Beginn auf große Symbolik: Über die alte Main-Brücke in Würzburg sollen die Fraktionsvorsitzenden von Union und SPD sowie der CSU-Landesgruppenchef schreiten.

Es ist ein Wahrzeichen der Stadt, berühmt für die zwölf Heiligen, die diese Brücke als Steinfiguren schmücken. Berühmt aber auch für den "Brückenschoppen": Um Harmonie, Vertrauen und ein Miteinander aufzubauen, könnte auch der ein oder andere Bocksbeutel Frankenwein helfen.

Es knirscht in der Koalition

Denn in den vergangenen Wochen hat es in der schwarz-roten Koalition geknirscht. Das Gefühl von alten Streitereien in der Ampel-Regierungszeit kam hoch. Mit einem Paukenschlag gingen die Abgeordneten von CDU, CSU und SPD in die Sommerpause.

Die Wahl von Richterinnen und Richter für das Bundesverfassungsgericht war überraschend gescheitert. Die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf war für die Union nicht mehrheitsfähig, die Stimmung am Tiefpunkt.

Miersch sucht Kontakt zu Spahn

Bei den Sozialdemokraten hat das tiefe Wunden hinterlassen, die Fraktionschef Matthias Miersch seitdem versucht zu heilen. Mehrmals habe er mit seinem Unions-Pendant Jens Spahn telefoniert, sich in der Sommerpause auch getroffen. Alles, um ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen, damit so etwas nicht noch einmal passiert.

Doch es wurde nicht ruhiger in der Koalition: Debatten über Steuererhöhungen für Besserverdienende setzte die SPD, Kürzungen beim Bürgergeld forderte die Union - eine gemeinsame Linie oder gar ein Kompromiss ist nicht erkennbar.

Diskussion selbst um Wehrdienstgesetz

Selbst als es um einen schon längst in der Koalition vereinbarten Gesetzesentwurf zum Wehrdienst ging, knirschte es. Weil Außenminister Johann Wadephul von der CDU kurzfristig noch einen so genannten Ministervorbehalt anmeldete und eine Verabschiedung im Kabinett ins Wackeln geriet.

Ein Manöver, das beim Koalitionspartner Fragen aufgeworfen hat. Und dass wieder Thema werden dürfte, wenn der Entwurf im Parlament beraten wird. Die SPD hielt daraufhin kurz den Atem an und erinnerte sich an das Spiel mit der FDP und Christian Lindners Ministervorbehalten in der Ampel-Zeit. Am Mittwoch ging dann aber alles - gemeinsam - über die Bühne.

Harmonie statt Hyperventilieren

Es ist das erste Mal, dass es eine gemeinsame Fraktionsspitzenklausur von CDU, CSU und SPD gibt. Zu Zeiten der Ampelkoalition tagte jede Partei für sich. Gemeinsame Klausuren, vertrauensbildende Maßnahmen gab es so nicht. Das Ende ist bekannt.

Innenminister Alexander Dobrindt ist ein Meister der Alliteration: "Harmonie statt Hyperventillieren", das könnte ein Motto für den Herbst sein, schlägt der CSU-Minister vor. Klingt griffig, aber irgendwie noch utopisch. Zumindest, wenn man sich die vergangenen Tage anschaut.

Spitzen gegen die SPD vom Kanzler

Da gab selbst Kanzler Friedrich Merz auf einer Parteiveranstaltung in Niedersachsen unverhohlen zu, dass er es dem Koalitionspartner SPD bewusst nicht leicht mache: "Und ich werde mich durch Worte wie Sozialabbau und Kahlschlag und was da alles kommt, nicht irritieren lassen. Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar."

Seiner Rolle als Kanzler, der den ganzen Laden zusammenhalten muss, entspricht das nicht. Mehr Vertrauen, mahnt Unionsfraktionschef Spahn an. Dabei trägt er aus Sicht vieler Sozialdemokraten die Verantwortung für die schlechte Stimmung.

Der Neu-Unionsfraktionschef ist angeschlagen, weil er immer noch die Maskenaffäre am Hals hat. Einen Untersuchungsausschuss im Bundestag gibt es nur wegen der fehlenden Mehrheiten der Opposition nicht.

Ziel: Geräuschloser regieren

Nach der Sommerpause will der Fraktionschef endlich wieder in die Offensive kommen: Er will ein "Gefühl füreinander in der Koalition, was wir uns zumuten können und was eben nicht."

Helfen würde es aus Sicht des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, sich wieder auf das zu besinnen, was man sich vorgenommen habe: "Anders regieren. Geräuschloser regieren und die Probleme des Landes anpacken."

Vielleicht hilft der Frankenwein?

Doch die Liste der Reizthemen ist lang. Die Koalitionäre brauchen im selbst ernannten "Herbst der Reformen" eine Lösung für die gescheiterte Richterwahl, sie müssen Haushaltslöcher stopfen und den Sozialstaat reformieren.

Das Dilemma der Beteiligten bleibt, dass sie Kompromisse finden müssen, ohne den eigenen parteipolitischen Markenkern aufzugeben. Vielleicht hilft hier das Treffen der Fraktionsspitzen in den kommenden zwei Tagen in Würzburg und der Frankenwein.

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