Eine Enquete-Kommission wird künftig die Corona-Pandemie aufarbeiten. Welche Erwartungen sollte sie erfüllen? Nachgefragt bei einem Schulleiter, einer Long-Covid-Patientin und einem Gastronomen.
Oliver Hintzen ist ein Macher. Im Sekretariat gibt er letzte Anweisungen. Auf den Fluren grüßt er jeden einzelnen seiner 86 Schüler der kleinen Grundschule im Weisenbach nahe Baden-Baden. Im Büro des Schulleiters macht es sich derweil Hund Socke bequem, der die Kinder bald als ausgebildeter Schulhund psychisch stabilisieren soll.
Denn dass deren seelische Gesundheit fragil sei, wisse man spätestens seit der Corona-Pandemie, seit Schulschließungen und Homeschooling. "Das war das Worst-Case-Szenario. Sowas darf nicht noch einmal passieren", sagt Hintzen. In diesem Punkt ist er sich mit der Politik einig. Doch dann kommt das Aber: "Was mir fehlt, ist immer noch ein Plan A. Was machen wir denn stattdessen, wenn noch mal irgendeine Katastrophe passiert?" Das müsse gar keine neuerliche Pandemie sein. Die Flut im Ahrtal etwa habe gezeigt, dass Schulschließungen auch durch Naturkatastrophen ausgelöst werden können.
"Mir fehlt die Praktikerebene"
In Weisenbach hat deshalb die Gemeinde einen detaillierten Katastrophenplan ausgearbeitet - gemeinsam mit ihm, dem Schulleiter: Was, wenn der Strom ausfällt? Wohin ausweichen bei einer Flut?
Die Antwort auf solch konkrete Fragen im Zusammenhang mit Pandemien wird die nun eingesetzte Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie nicht leisten können, befürchtet Hintzen: "Mir fehlt in dieser Kommission die Praktikerebene, muss ich ganz klar sagen. Ich sehe da nur eine politische Ebene - niemand, der eigentlich an der Basis war und wusste, was man täglich machen musste und was man umsetzen musste. Da fehlt mir immer noch in vielen Städten und Gemeinden die Einbindung von Schule in solche Krisenpläne." Dass die Bundesregierung nicht für jedes Dorf einen eigenen Krisenplan erstellen könne, sei klar, meint der Schulleiter. Aber einen Versuch sei es wert.
Long-Covid-Patientin fordert Anerkennung
Auch Suzana Niklaj aus Geislingen hat klare Erwartungen an die Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie. Erwartungen, die eng an ihr persönliches Schicksal geknüpft sind. Die 42-Jährige hat früher als Pflegehelferin und Hauswirtschaftsmeisterin gearbeitet. Dann kam Corona. Für sie bedeutete das: vier Infektionen, mehrere Impfungen.
Heute verbringt Niklaj die meisten ihrer Tage in einer abgedunkelten Wohnung. An guten Tagen kann sie mit Hund Chupi vor die Tür gehen, schlechte Tage fesseln sie ans Bett. Sehstörungen, Ohnmachtsanfälle, Muskelschmerzen: Sie leidet an Long Covid. Auch einen Impfschaden hat ein Arzt ihr attestiert. Sie wolle ihr altes Leben zurück, sagt die eigentlich so fröhliche Frau.
Dafür solle die Regierung etwas tun: Forschen, wie genau es zu Long Covid und dem Post-Vac-Syndrom, also zu Impfschäden, kommen konnte. Und vor allem die Geschädigten der Pandemie, wie sie selbst, anerkennen, ihren Status in der Gesellschaft verbessern. "Mittlerweile habe ich so eine Wut in mir, weil man so verurteilt wird", sagt Niklaj. "Man hat schon ein schlechtes Gewissen, wenn man an einem besseren Tag mal Einkaufen fährt, weil man dann Angst hat: Oh Gott, hoffentlich sieht mich keiner, nicht dass man mir wieder die Pflegestufe entzieht. Und das kann es doch nicht sein. Man sollte miteinander, nicht gegeneinander arbeiten."
Gastronomie seit Corona in der Krise
Diese Spaltung der Gesellschaft ist es auch, die Ralf Schulz beschäftigt. In Tübingen blickt der Gastronom über die leeren Tische seiner Außengastronomie. Eigentlich ist das "Weinhaus Beck" direkt am Tübinger Marktplatz gut besucht, vor allem in den Abendstunden. Aber man könne sich auf nichts mehr verlassen, meint Schulz. Das Geschäft sei seit Corona unberechenbar geworden und die Gastronomie habe lernen müssen, mit dieser Ungewissheit zu leben.
"Eigentlich befinden wir uns seit Corona im Krisenmodus. Für uns hat die Krise nie aufgehört", so Schulz. Auf Pläne gibt er deshalb nicht viel, auch von der Kommission erwartet er keine grundlegenden Antworten. "In den letzten fünf Jahren wurde viel geredet, aber nichts Funktionierendes beschlossen. Da haben wir einfach keine Hoffnung mehr, dass sich für uns etwas verbessert", so der Gastronom.
Überhaupt sei die Stimmung in seiner Branche hoffnungslos bis depressiv. Das merke er auch bei seinen Kunden: "Ich glaube, um auch die Zufriedenheit der Gastronomie wiederherstellen zu können, bräuchten wir eine innere Zufriedenheit der Gesellschaft. Und die ist im Moment nicht zu sehen. Aber solange wir hier nicht eine Harmonie erzeugen können in unserer Gesellschaft, wird auch die Gastronomie nicht mehr mit Harmonie funktionieren."
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