- Chinas Überproduktion landet verstärkt in Europa und drückt die Preise in zahlreichen Branchen.
- Die Dumpingpreise setzen deutsche Hersteller unter Druck.
- Industrievertreter warnen vor massiven Wettbewerbsverzerrungen und fordern Gegenmaßnahmen.
Das Material steckt in Strumpfhosen, Regenjacken, Fallschirmen oder Autoteilen: Polyamid. Ein Kunststoff, der seit Jahrzehnten in Leuna produziert wird, bei der Firma DOMO. Das Werk exportierte bis nach China. Doch nun läuft es andersherum. China liefert Polyamid immer häufiger nach Deutschland.
China steuert europäischen Markt an
DOMO-Vertriebsvorstand Vedran Kujundzic beobachtet es mit Sorge: "China hat jetzt in Europa bei Polyamid-6 einen Anteil von zwanzig Prozent. Das ist schon eine stolze Zahl. Das hat zur Folge, dass die Preise gedrückt werden und, wenn das so weitergeht, wird das dazu führen, dass der eine oder andere europäische Hersteller schließen muss."
Ein Grund für die wachsenden chinesischen Einfuhren: Das Land produziert viel mehr, als es selbst benötigt. Das gilt nicht nur für Polyamid, sondern für viele Industrieprodukte. Weil die USA chinesische Waren mit Zöllen abwehren, steuern die Handelsschiffe stattdessen Europa an.
Dumpingpreise setzen deutsche Hersteller unter Druck
Hier verkauft China dann oft unter Wert, kritisiert Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. "Wir sehen, dass chinesische Firmen hier mit extrem niedrigen Preisen in den Markt gehen. Wir hören von Preis-Unterbietungen von zwanzig oder dreißig, oftmals aber auch vierzig bis fünfzig Prozent. Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen."
Matthes hat nachgerechnet: Im ersten Halbjahr kauften die USA sechzehn Prozent weniger chinesische Waren als im Vorjahreszeitraum. Dafür stiegen die chinesischen Einfuhren nach Deutschland um elf Prozent. Besonders drastisch sind die Zuwächse bei einzelnen Chemikalien und Autoteilen. Bei Schaltgetrieben zum Beispiel wuchsen sie um mehr als 180 Prozent.
Das rasante Wachstum der chinesischen Importe beunruhigt auch Dirk Vogel vom Netzwerk der Autozulieferer Sachsen: "Aktuell entstehen enorme Überkapazitäten und die müssen irgendwohin, egal zu welchen Preisen. Und im Gleichzug schaffen wir es in Deutschland ja unsere eigene Produktion laufend weiter zu verteuern, Stichwort CO2-Abgabe. Das ist das Dilemma."
Streit um Gegenmaßnahmen: Zölle oder CO₂-Abgabe auf Importe?
Doch wie lässt sich das Dilemma lösen? Wirtschaftsforscher Matthes plädiert für eigene Zölle. Ein gutes Beispiel seien die bereits beschlossenen Ausgleichszölle auf chinesische Elektroautos: "Seitdem sind die E-Auto-Importe aus China massiv zurückgegangen. Um über die Hälfe sind sie gesunken in diesen zwei Jahren. Das heißt, die Zölle wirken. Deswegen brauchen wir die Zölle überall da, wo wir chinesische Wettbewerbsverzerrungen nachweisen können, und zugleich europäische Produktion bedroht ist."
Doch die deutsche Autobranche sieht Zölle kritisch. Die Sorge: China könnte mit Gegenzöllen reagieren. Eine andere Idee: Man könnte auf alle Importe eine CO2-Abgabe aufschlagen, wie sie europäische Industrieunternehmen für ihre Produktion hierzulande bezahlen müssen. Das soll ab nächstem Jahr so ähnlich auch kommen, aber nur für bestimmte Warengruppen.
DOMO-Vertriebsvorstand Kujundzic drängt jedenfalls zur Eile. Es dürften auch Zölle sein. "Auf alle Fälle muss etwas in die Richtung passieren. Weil ich kann den Markt nicht so offen lassen, wie er jetzt ist. Ich bin überhaupt kein Freund davon. Aber wenn die ganze Welt sich ändert und Wirtschaftspolitik sich weltweit ändert, dann müssen wir in Europa auch reagieren."
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