Inhalt des Artikels:

  • Inbegriff des Autofahrens im früheren Jugoslawien
  • Fićo als Berufung
  • Der Fićo weckt Emotionen
  • Ein Fićo-Fan kommt selten allein
  • Fićo-Treffen auch außerhalb Ex-Jugoslawiens
  • Einfache Mechanik – selbst schrauben noch möglich

'Fićoooooooooo!' rief der Verkehrspolizist laut, als wir die dicht befahrene Kreuzung überquerten, und winkte uns freudig zu. Das war in Belgrad vor gut zehn Jahren, als ich von einem Freund eingeladen wurde, seine Heimatstadt in Serbien mit seinem geliebten Fićo zu erkunden – jenem legendären Kleinstwagen, den man in Jugoslawien früher überall sehen konnte.

Als ich mich auf den schmalen Beifahrersitz setzte, war ich überrascht, wie gemütlich er war. Dann winkten uns schon an der ersten roten Ampel Passanten zu, machten Fotos, fragten neugierig nach dem Baujahr. Und ja, sogar Polizisten lächelten und wollten einen Blick hineinwerfen. "Eine Ausfahrt pro Tag ist meine gute Tat für meine Mitbürger", lachte der Freund. Schon nach der ersten Fahrt wurde mir bewusst: Der Fićo – das ist kein Auto, das man fährt. Es ist ein Auto, das man fühlt.

Die Sitze eines Fićo von 1961.Bildrechte: Mirzet Halilović

Inbegriff des Autofahrens im früheren Jugoslawien

Sein Spitzname geht zurück auf eine Comicfigur aus den 50er Jahren – Fića, ein kleiner Partisan, der im Zweiten Weltkrieg Kurierdienste erledigte. Der Comic wurde in der damaligen Parteizeitung der jugoslawischen Kommunisten Borba veröffentlicht. Bald aber stand Fićo, Fića oder Fićek für den lizenzierten Fiat 600, der im serbischen Kragujevac als Zastava 750 vom Band lief. Dieses Auto wurde zum Symbol einer neuen Zeit.

Der Fićo war für viele Menschen im ehemaligen Jugoslawien das erste Auto. Er kostete etwa dreieinhalb durchschnittliche Monatsgehälter – erschwinglich genug, um das ganze Land zu motorisieren. In einer Zeit, in der private Fahrzeuge selten waren, brachte er Mobilität, Stolz und ein Gefühl von Fortschritt.

Der Vater der Autorin im Zastava 750 eines Freundes. Fićo-Fahren war auch im Sarajewo der 1970er Jahre schon sehr angesagt.Bildrechte: privat

"Der Fićo war nicht einfach ein Fahrzeug, er war ein Familienmitglied", erzählt Maschinenbauer Peđa Milosavljević (55), Vorsitzender des Belgrader Vereins der Fićo-Fahrer (Beogradsko Udruženje Fićista). "Man fuhr mit ihm zu Verwandten, in den Urlaub, zu Hochzeiten oder zu Beerdigungen. In vielen Familien wurde er von Generation zu Generation weitergereicht."

Fićo als Berufung

Auch der 57-jährige Mirzet Halilović aus der Stadt Živinice in Bosnien und Herzegowina erzählt seine Fićo-Abenteuer mit einem Lächeln. Der pensionierte Polizist einer Spezialeinheit arbeitet alte Fićos auf, ist Marathonläufer und sagt, er sei der Besitzer des ältesten Exemplars in ganz Bosnien.

Seine erste Begegnung mit dem Auto hatte er als Kind, barfuß auf einem staubigen Dorfweg: "Ein junger Mann kam mit einem weißen Fićo, um meine Nachbarin abzuholen. Wir baten ihn, uns mitzunehmen – zehn Kinder auf einmal! Wir saßen alle darin wie Sardinen, lachten, sangen, fuhren zwei Kilometer weit. Das war mein erster Rausch auf Rädern."

Seinen Fićo von 1961 pflegt er mit großer Hingabe. "Er ist ein Teil von mir", sagt Halilović. Mit der Zeit hat er sich auf die Aufarbeitung von Fićos spezialisiert. Auf seinem Gelände stehen alte Karosserien in allen Farben, die geduldig auf ihre Wiederbelebung warten. "Ich liebe es, aus einem Wrack etwas zu erschaffen, das jemandem wieder Freude bringt. Das Restaurieren ist für mich wie ein Anti-Stress-Programm – es beruhigt und erfüllt mich zugleich."

Mirzet Halilović hat noch jede Menge Fićos auf seinem Grundstück im bosnischen Živinice stehen.Bildrechte: Mirzet Halilović

Der Fićo weckt Emotionen

Halilovićs Lieblingsanekdote trug sich auf dem Weg zu einem Lauf-Event in Serbien zu, erzählt er mit funkelnden Augen: "Wir kamen an die Donau, wo man mit einer 100 Jahre alten, klapprigen Holzfähre übersetzen musste. Maximal fünf Autos passten darauf. Der Fićo stand in der Mitte und war natürlich die Hauptattraktion. Andere Fahrer stiegen aus, um ihn zu bewundern. Drei junge Männer kamen auf mich zu. Sie waren gerade aus dem Gefängnis in Sremska Mitrovica entlassen worden, wie ich später erfuhr. Einer fragte mich, ob der Fićo mir gehöre. Ich bejahte und rechnete mit Ärger, weil sie etwas problematisch wirkten. Doch dann sagten sie: 'Wir haben schon lange keinen Fićo mehr gesehen. Dürfen wir ihn mal umarmen?' Natürlich durften sie. Sie seufzten vor Rührung und dankten mir. Da wusste ich: Dieser Wagen ist pure Magie."

Ein Fićo-Fan kommt selten allein

Von den Begeisterten gibt es in den früheren jugoslawischen Republiken viele, nicht wenige haben sich in Klubs zusammengeschlossen. Die Gründung des Fićo-Vereins in Belgrad ergab sich eher zufällig, erzählt Milosavljević: "Leute aus Belgrad und Umgebung besuchten Fićo-Treffen im ehemaligen Jugoslawien, bis uns die Kollegen aus Kroatien 'herausforderten' und fragten: 'Und wann organisiert ihr endlich ein Treffen in Belgrad?' Damals waren die Treffen recht groß, also mussten wir einen offiziellen Verein gründen."

Bereut hat er es bis heute nicht: "Mit vielen Menschen, die ich damals kennengelernt habe, bin ich bis heute befreundet. Viele haben mir geholfen – oder ich ihnen. Heute haben wir ein internationales Netzwerk und schicken uns gegenseitig Autoteile."

Bei einigen Fićo-Modellen oder Zastava 750 gehen die Türen nach vorne auf.Bildrechte: Mirzet Halilović

Fićo-Treffen auch außerhalb Ex-Jugoslawiens

Der Fićo begeistert unter anderem wegen seiner Ausdauer. Seine Fans schwärmen, dass er sehr zuverlässig auch große Distanzen zurücklege, etwa bis nach Deutschland, wo ebenfalls Fićo-Treffen stattfinden. Vor Jahren saß Peđa Milosavljević aus Belgrad bei einer solchen Veranstaltung mit anderen Fićo-Besitzern aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Serbien, Montenegro und Slowenien zusammen.

Manche Fahrer erzählten, sie seien schon etwas gestresst davon gewesen, mit dem Fićo auf einer deutschen Autobahn zu fahren. Schließlich ist er ein Oldtimer und nicht gerade sehr schnell. Andere rühmten sich, ihr Zastava 750 habe die zwei Tage Fahrt von Montenegro bis in die bayerische Landeshauptstadt geschafft, ohne einmal liegenzubleiben.

Einfache Mechanik – selbst schrauben noch möglich

Zwar fährt der Fićo anscheinend auch schon mal 1.000 Kilometer ohne Panne, aber er bleibt eben manchmal auch einfach auf der Straße stehen. Allerdings lässt er sich meist auch einfach reparieren, weshalb ihn viele Hobby-Schrauber ja auch so sehr lieben. "Bei einem Fićo fühlt sich ein Mann wie ein Mann – einer, der etwas Liegengebliebenes wieder zum Laufen bringen kann", lacht Milosavljević.

Und den Reparaturen sind offenbar keine Grenzen gesetzt. So erinnert sich Mirzet Halilović daran, wie er mit seinem Fićo einmal irgendwo im ländlichen Bosnien liegen geblieben war. "Ein Mechaniker untersuchte das Auto und fand heraus, dass das Problem im Zündverteiler, genauer gesagt, im Kondensator lag. Und er machte etwas Verrücktes: Er rief seiner Frau im Haus zu, ob sie noch eine frische Kartoffel übrig habe. Die Kartoffel nahm er dann, steckte einen Draht hinein und verband das andere Ende mit dem Zündverteiler. Und der Fićo sprang an! Stell dir vor, heute würde ein modernes Auto liegen bleiben – und jemand würde es mit einer Kartoffel reparieren", lacht Halilović.

Die Mechanik des Fićo ist simpel, seine Seele groß. Er überwindet Grenzen, die heute in Köpfen und Pässen existieren. Ob in Belgrad, Sarajewo, Ljubljana oder Skopje – überall in den Ländern des früheren Jugoslawien wird der Zastava 750 erkannt, begrüßt, geliebt. Und er verbindet auch Generationen, erinnert an eine Zeit, in der man glaubte, gemeinsam voranzukommen. Und vielleicht ist genau das sein Geheimnis, glaubt Milosavljević: "Früher verband uns dieses Auto – heute tut es das wieder."

MDR (usc)

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