Inhalt des Artikels:

  • Bulgarien folgt dem deutschen Beispiel
  • Verkauf an "Kreml-Marionette" gescheitert 
  • Treibstoffversorgung hängt an russischer Lukoil-Raffinerie

Um den Druck auf Moskau zu erhöhen, haben die USA Sanktionen gegen die russischen Öl-Giganten Rosneft und Lukoil verhängt. Sie stehen für die Hälfte von Russlands Ölexporten. Washingtons Ziel ist es, die Einnahmequellen des Kreml für den Angriffskrieg gegen die Ukraine trockenzulegen. Die Sanktionen treten am 21. November in Kraft und treffen Bulgarien hart, denn Lukoil hält 99,85 Prozent der Anteile an der Neftochim-Raffinerie in Burgas. Die ölverarbeitende Anlage an der bulgarischen Schwarzmeerküste ist die größte auf der gesamten Balkanhalbinsel und deckt mehr als zwei Drittel des bulgarischen Treibstoffbedarfs. Im Einklang mit den EU-Vorgaben sind die Kraftstoff-Reserven für sechs Monate gesichert. Dennoch verhängte Bulgarien nach Verkünden der US-Sanktionen ein Ausfuhrverbot. Um zu verhindern, dass der Betrieb in Burgas eingestellt wird, entschied das Parlament in Sofia zudem, dem Beispiel der PCK-Raffinerie Schwedt zu folgen, und stellt die Lukoil-Tochter unter Treuhandschaft. 

Als Ende Oktober das US-Finanzministerium die Strafmaßnahmen gegen die beiden größten Ölkonzerne Russlands verkündete, blieb der Ansturm auf die mehr als 220 Lukoil-Tankstellen in Bulgarien aus. "Ich tanke immer voll, die Panik würde jetzt auch nicht weiterhelfen", sagt der 44-jährige Nikola Bratanow stellvertretend für viele Bulgaren. "Was mit der Raffinerie passiert, wird ohnehin über unsere Köpfe hinweg entschieden", fügt sein Beifahrer hinzu, schließt die Tür des Kleinwagens und beide fahren ab. Genau diese Einstellung wünscht sich die Regierung in Sofia. 

Lukoil betreibt in Bulgarien mehr als 220 Tankstellen.Bildrechte: IMAGO / Pond5 Images

Bulgarien folgt dem deutschen Beispiel

Ohne großes Zögern hat die Regierung zwei Wochen vor Inkrafttreten der US-Sanktionen ein Gesetz im Eilverfahren durch das Parlament gepeitscht, um die Kontrolle über die Lukoil-Raffinerie zu übernehmen. Auf diese Weise soll die nahe der Schwarzmeerstadt Burgas gelegene Anlage vor den amerikanischen Strafmaßnahmen geschützt werden. "Wir folgen dem deutschen Beispiel", lautete die kurze Ankündigung des Vorsitzenden der Mitte-Rechts-Regierungspartei GERB und früheren Langzeitpremiers Bojko Borissow. Nun soll ein Sonderverwalter für die Raffinerie ernannt werden, der die Stimmrechte der Aktionäre ausübt. Der Verwalter ist auch berechtigt, Unternehmensanteile an einen neuen Eigentümer zu verkaufen, wobei der Deal durch die Regierung genehmigt werden muss.

Die Opposition ist skeptisch. Die prowestliche Anti-Korruptionspartei PP warnte vor einer "Verstaatlichung durch die Hintertür", wie es Parteichef Assen Wassilew formulierte. Gemeint ist der Vorschlag der mitregierenden sozialistischen Partei, die Neftochim-Raffinerie in den Besitz der staatlichen Bulgarischen Energieholding zu übertragen. Auch die prorussischen Rechtspopulisten von "Wazraschdane" (zu Deutsch: Wiedergeburt) sind wütend. "Wir suchen den Kontakt nach Moskau", gab Parteichef Kostadinow bekannt, der die Treuhandschaft über die Lukoil-Raffinerie "einen Riesenklau" nannte.

Verkauf an "Kreml-Marionette" gescheitert 

Die Treuhandschaft war nur eine der Optionen für Bulgarien. Die Verstaatlichung, wie nationalistische Oppositionsparteien gefordert hatten, scheiterte im Parlament. Gescheitert ist aber auch der Verkauf des gesamten Auslandsgeschäfts des sanktionierten russischen Ölkonzerns, einschließlich von Neftochim Burgas. Wenige Stunden vor dem Treuhand-Eilverfahren im bulgarischen Parlament galt ein Schweizer Energiehändler noch als wahrscheinlichster Käufer der Lukoil-Anteile im Ausland – eines Tankstellennetzes in den USA und Europa, die Ölraffinerien in Rumänien und Bulgarien, sowie Öl- und Gasfelder im Nahen Osten, in Zentralasien und in Afrika. Geschätzter Wert: 22 Milliarden Dollar. Ein Tweet des US-Finanzministeriums machte allerdings dem Deal einen Strich durch die Rechnung: "Solange Putin mit den sinnlosen Morden weitermacht, wird die Kreml-Marionette Gunvor niemals eine Lizenz erhalten, um zu operieren und Gewinne zu erzielen", hieß es auf X. Der Schweizer Energiehändler Gunvor zog daraufhin sein Kaufangebot vorerst zurück und warnte, dass Arbeitsplätze und die Treibstoffversorgung gefährdet sein könnten, falls der Deal blockiert würde. Die Vermutung, dass der Kreml hinter dem Schweizer Interessenten steht, ist nicht ganz abwegig, denn Firmengründer ist Genadij Timtschenko, ein russischer Putin-naher Oligarch. Außerdem behaupteten die USA noch 2014, dass Putin selbst in Gunvor investiert habe. Nachdem die Verkaufsoption von Washington vom Tisch genommen wurde, ging die Regierung in Sofia zur nächstbesten Möglichkeit über – mit einer Treuhandschaft Zeit gewinnen.

Genadij Timtschenko, ein russischer Putin-naher Oligarch, ist Gründer des schweizer Energiehändlers Gunvor.Bildrechte: IMAGO / ITAR-TASS

Treibstoffversorgung hängt an russischer Lukoil-Raffinerie

Wie wichtig die Neftochim-Raffinerie für Bulgarien ist, belegen die Zahlen. 2024 belief sich der Umsatz auf ca. 4,7 Milliarden Euro. Die Lukoil-Tochter in Burgas ist der größte Arbeitgeber und Steuerzahler im Land. Die dazugehörige Vertriebseinheit hat mit einem Netzwerk aus Öldepots, Tankstellen sowie Unternehmen, die Schiffe und Flugzeuge beliefern, eine Quasi-Monopolstellung auf dem bulgarischen Markt. Bulgariens Versorgung mit Treibstoffen hängt größtenteils an der russischen Lukoil-Raffinerie. Darüber hinaus werden kleine Mengen exportiert, vor allem in das benachbarte Nordmazedonien, aber nicht nur. In den ersten Monaten der russischen Vollinvasion in die Ukraine 2022 kaufte die ukrainische Regierung für seine Armee große Mengen an Kraftstoffen aus Bulgarien, die damals noch aus russischem Öl hergestellt wurden. Seit Anfang 2024 wird in Burgas allerdings kein russisches Rohöl mehr verarbeitet, sondern nur aus Kasachstan und aus einigen arabischen Ländern. Ob das Öl aus Kasachstan aber dennoch nicht ursprünglich aus Russland kommt, ist schwer nachzuvollziehen.  

Bulgariens Versorgung mit Treibstoffen hängt größtenteils an der russischen Lukoil-Raffinerie. Im Bild ein Tanklager von Lukoil in der Nähe des Sofioter Flughafens.Bildrechte: IMAGO / NurPhoto

Die Raffinerie hat schon immer die Gemüter in Bulgarien erhitzt und ist ein Dauerthema im Schlagabtausch zwischen prowestlichen und prorussischen Kräften. Die prowestlichen Parteien warnten noch lange vor Beginn des russischen Angriffskriegs vor einer viel zu großen Abhängigkeit von russischen Energielieferungen. Die Ironie ist, dass 1998 eine prowestliche Regierung den Deal zugunsten von Lukoil entschieden hat, als man auch in Bulgarien noch an den "Wandel durch Handel" mit Russland glaubte.

MDR (voq)

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