Zohran Mamdani könnte im November Bürgermeister von New York werden. Er bezeichnet sich als Sozialist und begeistert Jungwähler. Das Establishment der Finanzmetropole steht Kopf, rechts und links.
Harlem an einem herbstlich warmen Sonntag. Im Schatten der grauen Hochhaussiedlung tanzen sich die Fans in Stimmung. Die alten Damen im Sonntagsstaat schlecken kostenloses Softeis.
Auch Kailey Konig kann es kaum abwarten, den Mann zu sehen, der ihr die Hoffnung auf Politik zurückgegeben hat. "Wir sind die Zukunft", sagt die junge Frau mit den roten Wuschelhaaren, "wir wollen unsere Stimmen in den Medien hören, und Zohran sorgt dafür, dass das passiert".
Ein Kandidat zum Anfassen
Dunkler Anzug, Krawatte - fast ein bisschen bieder wirkt das Outfit des ehemaligen Rappers Zohran Mamdani. Ein Selfie hier, eine Umarmung da, Mamdani ist im wahrsten Sinne ein Politiker zum Anfassen.
Bis vor einem Jahr war er noch ein Nobody. Jetzt hat er beste Chancen, seinen Kontrahenten, den früheren Gouverneur Andrew Cuomo, zu schlagen. Zum Entsetzen der Finanzelite und des Establishments selbst bei den Demokraten.
Dabei geht seine Botschaft in den Sozialen Medien viral. "Alle Politiker sagen: New York ist die tollste Stadt der Welt. Aber was bringt das, wenn sich keiner mehr leisten kann, hier zu leben?", ruft er seinen Fans auf seinem Instagram-Kanal zu, "die Lebenshaltungskosten - das ist die wahre Krise".
Mit sozialen Themen punkten
Zohran Mamdani ist erst 33 Jahre jung und bezeichnet sich als demokratischen Sozialisten. Er wurde in Uganda geboren, hat indisch-amerikanische Wurzeln und er ist Muslim. Seine wichtigsten Wahlkampfziele: eine Mietpreisbremse in New York, kostenloser Busverkehr und kostenlose Kinderbetreuung.
Fast überall in den USA wären solche Forderungen politischer Selbstmord. Nicht so in New York. Denn diese Botschaft trifft vor allem bei den jungen Leuten auf offene Ohren. "Die meisten jungen New Yorker müssen ganz schön kämpfen, um über die Runden zu kommen", sagt Kathleen Horan, die sich bei den "Hot Girls for Zohran" engagiert. "Es wird sogar noch härter, mit der drastisch steigenden Arbeitslosigkeit."
Trump mischt sich ein
Die Begeisterung für Mamdani, sie ist auch eine Rebellion gegen US-Präsident Donald Trump. Weshalb sich der gebürtige New Yorker vom Weißen Haus aus einmischt. "Wir werden einen kommunistischen Bürgermeister bekommen", warnt Trump. "Das ist unglaublich. Mein schönes New York!"
Trump droht bereits mit der Streichung aller Bundesmittel für New York, sollte Mamdani zum Bürgermeister gewählt werden. Für, so Trump wörtlich, "falsche kommunistische Versprechen" stelle er kein Geld der US-Regierung zur Verfügung.
"Nein, ich bin kein Kommunist!", wehrt sich Mamdami und verortet sich im Lager der demokratischen Linkspolitiker Bernie Sanders und Alexandria Ocasio-Cortez. "Viele New Yorker fragen mich, was bedeutet demokratischer Sozialist. Und ich zitiere die Worte von Martin Luther King: Egal ob Demokratie oder demokratischer Sozialismus: Unser Wohlstand muss besser verteilt werden - für alle Kinder Gottes."
Gute Laune statt Endzeitstimmung
Union Square, in der Rushhour: Kathleen und Ananya von den "Hot Girls for Zohran" bauen ihren Klapptisch mit den Stickern und Infos auf, gleich neben den "Indians for Zohran". Zu indischen Klängen tanzen die Frauen über den Platz, Passanten reihen sich spontan ein. Die Botschaft: Hoffnung statt Hass, gute Laune statt Weltuntergangsstimmung.
75.000 Freiwillige sind mittlerweile für Mamdani unterwegs. "Das ist eine echte Graswurzelbewegung", schwärmt Kathleen. "Zohran hat’s wie kaum ein anderer Politiker in den USA drauf, die Leute zu motivieren, sich wieder für Politik zu begeistern, in einer Zeit, in der sich gerade alles so hoffnungslos anfühlt."

Wie Kathleen Horan (r.) begeistern sich viele junge New Yorker für Mamdani. Doch in der Partei sorgt der Kandidat auch für Sorgen.
Mitten im Richtungskampf bei den Demokraten
Die Bürgermeisterwahl am 4. November wird aus mehreren Gründen überall in den USA mit Spannung verfolgt. Nicht nur, weil Mamdani Muslim und Sozialist ist. Das Duell zwischen dem 33-jährigen Shootingstar und dem 67-jährigen Andrew Cuomo steht auch für den landesweiten Richtungskampf innerhalb der Demokratischen Partei: zwischen dem Mainstream-Partei-Establishment und dem linken Flügel, der zu mehr Widerstand gegen die autoritäre Trump-Regierung aufruft.
Nach einer aktuellen NBC-Umfrage führt Mamdani mit 46 Prozent der Wählerstimmen immer noch deutlich vor Cuomo, der bislang nur auf 24 Prozent kommt. US-Präsident Trump forderte die beiden anderen Kandidaten auf, sich aus dem Rennen zurückzuziehen, damit Cuomo mit vereinten Kräften doch noch Mamdani verhindern kann.
Der noch amtierende, aber wegen Korruptionsvorwürfen chancenlose Bürgermeister Eric Adams tat dies bereits. Der republikanische Kandidat Curtis Sliwa sträubt sich noch. Mittlerweile kann jedoch auch Trump einem Wahlsieg Mamdanis etwas Positives abgewinnen: "Wenn ein Kommunist New York City übernimmt, dann ist das ein Geschenk für die Republikanische Partei!"
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