Inhalt des Artikels:
- Luxuswellness und Erlebnisgastronomie
- Ansprüche steigen mit steigendem Wohlstand
- Sind die Polen fleißiger als die Deutschen?
- Kunst als Luxusgut und Geldanlage
- Polen – ein Land auf der Überholspur?
Auf dem Holzsteg des Wellness-Ressorts Noi in Südpolen herrscht reger Betrieb. Mitarbeiter stellen Tische und Stühle auf, denn hier soll ein Fischfestival für zahlungskräftige Gäste stattfinden. Die Chefin, Agnieszka Bogdańska, schaut nach dem Rechten. Die 29-jährige Blondine mit schulterlangem Haar und einem ansteckenden Lächeln ist Millionenerbin und Unternehmerin.

Noch vor zwei Jahren war ihr Ressort an einer Talsperre des Dunajec-Flusses eine heruntergekommene 08/15-Ferienanlage – heute stehen die Zeichen auf Luxus, Eleganz und besondere Events wie das Fischfestival: "Es gibt Süß- und Salzwasserfische, und dazu Live-Musik. Unser Sänger wird in einem Boot auftreten. Alles steht unter dem Motto Wasser, sogar die Musik", schwärmt Bogdańska.
Luxuswellness und Erlebnisgastronomie
Immer mehr Polen können sich diese Art von gehobener Gastronomie, Wellnessaufenthalten und Luxus jeder Art leisten. Das belegt u.a. der Luxusmarktreport 2024 der Beratungsgesellschaft KPMG. Die Zahl der Gutverdiener, Wohlhabenden, Reichen und Superreichen im Land steigt demnach von Jahr zu Jahr. Auch der UBS Global Wealth Report 2025 führt Polen unter den Ländern mit den stärksten Vermögenszuwächsen auf. Positiv ist bei dieser Entwicklung, dass nicht nur die Reichen und Superreichen immer mehr werden und immer mehr besitzen, sondern auch die mittleren Einkommenssegmente Gutverdiener und Wohlhabende stark zulegen. Kein Wunder, denn die polnische Wirtschaft boomt mit jährlichen Zuwachsraten, von denen Deutschland derzeit nur träumen kann.
Wer gilt in Polen als reich? (bitte aufklappen)
Reichtum kann unterschiedlich definiert werden – nach Einkommen oder nach Vermögen. Die Zahl der sogenannten Dollar-Millionäre, also Personen mit einem Nettovermögen von über 1 Million US-Dollar, stieg in Polen 2023 auf 58.100 Personen – ein Plus von 23 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Beim Bruttojahreseinkommen unterscheidet der Luxusreport von KPMG vier Gruppen: Gutverdiener (120.000-240.000 Złoty), Wohlhabende (240.000-600.000 Złoty), Reiche (600.000-1.000.000 Złoty) und Superreiche (über 1.000.000 Złoty). Die Zahl der Gutverdiener ist 2023 um satte 47 Prozent gestiegen, die der Wohlhabenden um 8 Prozent und die der Reichen und Superreichen um 11 Prozent. Auch die durchschnittlichen Einkommen innerhalb jeder der vier Gruppen haben zweistellige Zuwachsraten verzeichnet.
Dass die Polen immer vermögender sind, merkt auch Hotelbesitzerin Bogdańska: "Die Anzahl der Menschen, die eigene Geschäfte haben oder in Konzernen und Firmen gut verdienen, wächst ständig. Das sehe ich auch an unseren Gästen, die sich immer mehr leisten können und bereit sind, für gutes Essen und Qualität zu bezahlen. Die Tickets unserer Festivals und Events sind innerhalb weniger Tage ausverkauft, so groß ist das Interesse."
Ansprüche steigen mit steigendem Wohlstand
Mit steigendem Wohlstand steigen aber auch die Ansprüche. So reicht ein schönes Zimmer mit Seeblick längst nicht mehr aus, um die Herzen der polnischen Mittel- und Oberschicht höher schlagen zu lassen, wie auch die Autoren des Luxusgüterreports von KPMG bemerken – die Menschen suchten vielmehr nach Erlebnissen und Emotionen.
Agnieszka Bogdańska hat die Zeichen der Zeit erkannt. Das Restaurant ihres Hotels kocht lokale Spezialitäten in einer modernen Interpretation. Dazu gibt es exklusive Weine aus einem nahegelegenen polnischen Weingut. Um das Resort für die gestiegenen Ansprüche der gehobenen Klientel flott zu machen, musste sie in den vergangenen zwei Jahren kräftig investieren. Das Geld dafür streckte ihr Vater vor, der mit einer Fenster- und Türenfabrik in der nahegelegenen Stadt Nowy Sącz Millionär geworden ist. Nun übernimmt seine Tochter, neben dem Wellneshotel, auch die Leitung des Familienunternehmens.
Sind die Polen fleißiger als die Deutschen?
Hotellerie und Wellness sind das zweitgrößte Segment im polnischen Luxusgütermarkt, dessen Wert sich in den letzten 15 Jahren verfünffacht hat. Auf Platz eins rangieren Luxus- und Premiumautos und auf Platz drei Premium- und Luxusimmobilien. Davon profitiert Luxus-Makler Paweł Łączyński, der seit 15 Jahren im Geschäft ist. 2021 gelang ihm der größte Deal seiner Karriere – der Verkauf eines 381 Quadratmeter großen Penthauses im obersten, 38. Stockwerk des Hochhauses Sea Tower, der als erste Adresse in der 250.000-Einwohner-Hafenstadt Gdynia gilt. Angebotspreis: 16 Millionen Złoty, umgerechnet knapp vier Millionen Euro.

In seiner Heimatstadt Gdynia ist der 45-Jährige ein Platzhirsch. Nun will er in der Hauptstadt Warschau Fuß fassen, wo er momentan noch einer unter vielen ist. Wie hunderttausende seiner Landsleute hat auch Łączyński früher Erfahrungen beim Arbeiten in Deutschland gesammelt – in einem Lagerhaus. "Als ich das erste Mal in Deutschland war, konnte ich mir nicht einmal ein gutes Dessert leisten. Und jetzt kaufen wir dort Autos, einfach weil sie günstiger sind. Wir wollten wohlhabender leben und dafür haben wir hart gearbeitet", erzählt der Self-Made-Man.
Im Fleiß und der Motivation seiner Landsleute sieht er einen der Gründe für Polens wirtschaftlichen Aufstieg. Von der deutschen Arbeitsmoral, die er aus seiner Zeit als Lagerarbeiter kennt, hält er dagegen nicht viel: "Wenn es Richtung Mittag ging, hörten meine deutschen Kollegen auf zu arbeiten – selbst wenn sie nur noch eine oder zwei Paletten vor sich hatten. Die ganze Firma stand für eine Stunde still. Ich dagegen habe die Ladung fertiggemacht, und der Fahrer konnte gleich weiterfahren, ohne zu warten. Bis heute erinnere ich mich an diese Unterschiede in der Einstellung zur Arbeit und Verantwortung." Die Statistik scheint ihm Recht zu geben: Bei den jährlichen Arbeitsstunden liegen die Polen 268 Stunden über den Deutschen.
Kunst als Luxusgut und Geldanlage
Mit zunehmendem Reichtum spielt auch Kunst als Luxusgut und Geldanlage eine immer größere Rolle in Polen. Gosia Leitner, 42, ist eine der bekanntesten Frauen im polnischen Mode-Business. Sie leitet eine renommierte Modelagentur und hat rund zwei Dutzend Mädchen zu Topmodels von Weltrang gemacht. Sie denkt über Wege nach, ihr Geld anzulegen. Bisher hatte sie mit Kunst nicht viel am Hut. Das möchte sie jetzt ändern: "Wenn wir in etwas investieren, warum sollte es dann nicht tolle Kunst sein, die sogar im Wert steigt. Damit ich oder meine Kinder die Kunst in 10, 15, 20 oder vielleicht 30 Jahren weiterverkaufen können, wenn sie noch mehr wert ist."

Im KPMG-Report wurde Kunst 2024 erstmalig als eigenständiges Segment im polnischen Luxusgütermarkt erfasst. Sein Wert lag bei 567,7 Millionen Złoty (rund 133 Millionen Euro), wobei 80 Prozent der verkauften Kunstwerke Gemälde waren. Auch hier greift der Trend, dass moderner Luxus nicht mehr ausschließlich materielle Güter wie teure Autos oder Schmuck beinhaltet, sondern auch einzigartige Emotionen und Erlebnisse, vermittelt durch einzigartige Kunstwerke.
So sieht es auch Modelscout Gosia Leitner: "Ich habe in Miami eine Menge polnischer Kunst gesehen. Ich wusste sofort, dass ich polnische Kunst zu Hause haben muss. Sie ist in der ganzen Welt bekannt. Sie ist tiefgründig und gibt mir das Gefühl, dass mich jemand versteht."
Polen – ein Land auf der Überholspur?
Ob teure Kunstwerke, Luxusimmobilien oder Wellnessaufenthalte in Fünf-Sterne-Ressorts – all dass zeigt, dass Polens Mittel- und Oberschicht immer reicher wird. Polen, der unterschätzte Nachbar, schließt zu Deutschland auf. "Innerhalb von 15 Jahren hat sich in Polen die Gruppe der reichsten Menschen verfünffacht", sagt Luxusmakler Łączyński.

"Der wirtschaftliche Unterschied zwischen Polen und Deutschland verschwindet, die Polen können sich nun einen ähnlichen Standard leisten – egal ob bei Autos oder Luxusgütern. Wir sind wirtschaftlich auf dem Weg nach oben und müssen uns vor unseren deutschen Freunden nicht mehr schämen", freut sich Millionenerbin und Hotelbesitzerin Bogdańska.
Und Modelscout Leitner ist stolz, Polin zu sein. Inzwischen wüssten sogar ihre amerikanischen Kunden, wo Polen liege und dass es ein Land mit nahezu 40 Millionen Einwohnern und einer eigenen Kultur sei. "Polnischsein ist heute vor allem ein Synonym für harte Arbeit, Intelligenz und hohe Qualität", ist sie überzeugt.
MDR (baz)
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