Seit Wochen gehen in Peru vor allem junge Menschen auf die Straße, um gegen Korruption und Vetternwirtschaft zu protestieren. Ein erster Erfolg: Die Präsidentin wurde des Amtes erhoben - aber reicht das?
Sie halten Wache, mit Trommeln und Panflöten - vor der ecuadorianischen Botschaft in Peru. Warum? Weil sie verhindern wollen, dass die gerade in der Nacht auf Freitag abgesetzte Präsidentin Dina Boluarte hier Zuflucht sucht. "Die Menschen sind vor mehrere Botschaftsgebäude gezogen, um zu verhindern, dass sie sich der Verantwortung für ihre Art, Politik zu machen, entzieht", sagt Valeri Tarazona.
Die junge Frau ist Teil einer größeren Protestbewegung, die schon seit Mitte September auf die Barrikaden geht - und den Druck auf die Regierung erhöht hat. Sie wollten Veränderungen, sagt die Studentin Zarai Carrillo: "Wir wollen, dass die Politiker gehen und neue Leute kommen. Denn so wie die Dinge derzeit liegen - Korruption, Unsicherheit, Krise -, so kann es einfach nicht weitergehen."
Und Julio Cuya, der an diesem Tag ebenfalls auf der Straße ist, ergänzt: "Es ist eine Regierung korrupter Krimineller, die Institutionen und Mechanismen, die der Demokratie dienten, missbraucht haben.“ Denn Peru steckt seit Jahren in einer tiefen Krise. Da ist die Korruption und Vetternwirtschaft im Kongress und wachsende Bandenkriminalität, die das Leben immer unsicherer macht.
"Die Situation verbessert sich nicht"
Mitte September kochte die Wut über. Die Regierung plante eine Rentenreform, die - wieder einmal - vor allem die Schwächsten getroffen hätte, sagt Guillermo Malo von der Protest-Brigade Ninasonqo. Personen ab 18 Jahren sollten dazu verpflichtet werden, in private Rentenfonds einzuzahlen.
"Wir merken einfach, die Situation verbessert sich nicht. Die Regierung hört die Bürger nicht, sie wird immer autoritärer. Diese Proteste kamen ja nicht aus dem Nichts", erklärt Guillermo.
Um den Jahreswechsel 2022/2023 habe es einen sozialen Aufstand gegeben, der mit dem Tod von 50 Menschen und Hunderten Verletzten endete. "Die meisten von ihnen gehörten zu den Ärmsten, Indigene, Kleinbauern aus den südlichen Anden. Seitdem werden unsere bürgerlichen Rechte mehr und mehr eingeschränkt."
Flagge mit Strohhut-Pirat als Symbol
Doch diesmal mobilisierten sich erneut Hunderte - junge Leute unter 30 wie Guillermo, Julio oder Zarai, die sogenannte Generation Z, die derzeit weltweit auf die Straße geht. In Indonesien und Nepal, in Madagaskar und in Marokko - und eben auch in Lima, wo es keine Jobs für sie gibt, wo das Geld nicht zum Leben reicht, wo sich die Politik nur um sich selbst kümmert.
Das Symbol, das sie eint: eine Flagge mit einem grinsenden Strohhut-Piraten, bekannt aus dem Kult-Manga "One Piece". Darin hisst sie ein Junge, der später zum Freiheitskämpfer wird, erklärt Guillermo Malo. "Ja, klar. Das ist eine Inspiration, weil das für den jungen Geist dieser Proteste steht und Ideale repräsentiert, mit denen wir uns alle identifizieren. Auch wenn die Gründe für unsere Wut natürlich erst mal mit Peru zu tun haben." Sie alle eine, dass sie genug hätten. "Uns eint die Idee, uns zusammenzuschließen, um für eine Zukunft, eine bessere Welt zu kämpfen."
Vetternwirtschaft im Kongress
Perus Regierung schickte die Polizei, die kam mit Wasserwerfern und Tränengas, mindestens 19 Verletzte gibt es bereits. Anarchisten, die von "illegalen Goldschürfern, Drogenhandel und der Mafia“ finanziert würden, so kommentierte Präsidentin Boluarte die Protestbewegung. "Wir werden nicht zulassen, dass ein paar eingespielte Grüppchen, angeführt von Vaterlandshassern, die immer auf Kosten des Staates gearbeitet haben, ohne auch nur das Geringste zu tun, dass diese Grüppchen das Vertrauen zerstören, das wir mit Hingabe, Liebe und Zuneigung aufgebaut haben", so die Präsidentin, die mit Zustimmungswerten von unter zwei Prozent als unbeliebteste Politikerin des Kontinents galt und in mehrere Korruptionsaffären verwickelt ist.
Trotzdem habe der Kongress sie monatelang gestützt, sagt der Soziologe Omar Coronel von der Katholischen Universität in Peru. Boluarte sei eher zufällig ins Amt gekommen: "Sie hat keine eigene Machtbasis, sie hält sich nur, weil die Mehrheit im Kongress beschlossen hat, sie zu unterstützen - im Austausch dafür, dass Dina Boluarte alle Gesetzesinitiativen dieser Mehrheit im Parlament unterstützt." Gesetze etwa, die Korruption und Kriminalität im Land begünstigten.
"Den Bürgern hat sie den Rücken zugekehrt, ihre Regierung wird immer autoritärer", erzählt Coronel. Jeder Kritiker werde als Feind Perus diskriminiert, als Krimineller oder Terrorist eingestuft.
Proteste haben sich ausgeweitet
Das ist inzwischen nicht mehr nur die Generation Z. Es sind auch die Kleinbus- und Lkw-Fahrer, die sich den Protesten angeschlossen haben. Sie leiden besonders unter der zunehmenden Unsicherheit im Land. Erpressungen, Entführungen und bewaffnete Überfälle haben stark zugenommen. Und die Politik tue absolut nichts dagegen, sagt Julio Campos Cardenas, Vertreter der Verkehrsgewerkschaft. "Gestern ein Verletzter, vorgestern ein Toter, vorgestern noch einer. Und wer soll das wiedergutmachen? Jeden Tag aufs Neue ein neuer Schock, das versetzt uns so in Rage“, erklärt er.
Mindestens 47 Fahrer sind mittlerweile von organisierten Verbrecherbanden getötet worden – am Mittwoch gab es erneut eine Schießerei beim Konzert einer beliebten Cumbia-Band. Da zog auch der Kongress die Reißleine - und stimmte für die Amtsenthebung Boluartes. Die Begründung: "dauerhafte moralische Unfähigkeit".
Parlamentspräsident José Jeri soll das Land jetzt bis zu den Wahlen im April nächsten Jahres regieren - die Proteste werde das aber auch nicht stoppen, sagt Guillermo Malo von der Brigade Ninasonqo - schließlich sei der Kongress selbst auch Teil des Problems.
Trotzdem hat er Hoffnung: Man habe gesehen, dass die Politik sich bewege, wenn der Druck aus der Zivilbevölkerung massiv würde.
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