Kaliforniens Wähler stimmen in diesen Tagen über einen neuen Zuschnitt der Wahlkreise ab. Gouverneur Newsom will damit ähnliche Pläne der Republikaner kontern. Doch das sorgt nicht nur für Applaus bei den Demokraten.
Es begann mit Texas: Der Bundesstaat hat auf Drängen des US-Präsidenten die Karte seiner Wahlkreise neu zugeschnitten, um den Republikanern fünf zusätzliche Sitze im Repräsentantenhaus zu verschaffen. Eine Taktik, die auch bekannt ist als Gerrymandering.
Die Reaktion aus Kalifornien kam umgehend: Was ihr könnt, können wir auch, sagt Gouverneur Gavin Newsom - der Demokrat positioniert sich als Rebell gegen Donald Trump und als potenzieller Kandidat für die nächsten Präsidentschaftswahlen.
Newsom will jetzt mit der sogenannten Proposition 50, abgekürzt "Prop 50", die Wahlkreise in Kalifornien so verschieben, dass die Demokraten hier fünf zusätzliche Sitze gewinnen könnten. Nur für ein paar Jahre, betont Newsom: "'Prop 50' - das ist nur vorübergehend, als Antwort auf diesen bisher nicht dagewesenen Versuch von Donald Trump, die nächsten Wahlen zu manipulieren."
Schwarzenegger warnt vor Methode à la Trump
Allerdings ist es in Kalifornien gar nicht so einfach, Wahlkreise mit politisch eindeutigem Ziel neu zuzuschneiden. Seit 2010 gibt es hier eine unabhängige Kommission, die die Wahlkreise bestimmt und genau das vermeiden soll.
Als sie eingesetzt wurde, war Arnold Schwarzenegger republikanischer Gouverneur. Der ist zwar bekanntermaßen kein Fan des amtierenden Präsidenten, aber er verteidigt sein Erbe mit deutlichen Worten. Es ergebe für ihn "keinen Sinn, dass wir wie Trump werden müssen, um Trump zu bekämpfen", kritisierte er und warf den Demokraten um Newsom vor: "Sie versuchen, die Demokratie zu verteidigen, indem sie die demokratischen Prinzipien Kaliforniens abschaffen."
Denn die Kommission habe in vielerlei Hinsicht für gerechtere Wahlen gesorgt, sagt Eric McGhee vom Forschungsinstitut Public Policy Institute of California im Gespräch mit der ARD. Es gebe mehr Wahlkreise, in denen das Ergebnis offen ist, Minderheiten seien besser repräsentiert und die, die Wahlkreise haben auch nicht so seltsam verlaufende Grenzen."
Die Wähler müssen entscheiden
Die unabhängige Kommission ist mittlerweile anerkannt und auch Teil der kalifornischen Verfassung - man kann sie also nicht so einfach abschaffen. Deshalb bringen die regierenden Demokraten jetzt in einer extra angesetzten Wahl folgenden Vorschlag zur Abstimmung: Kalifornien soll für einen Zeitraum von fünf Jahren sehr demokratenfreundliche Wahlkreise bekommen.
Es gehe nicht um Kalifornien, sondern um die USA insgesamt, sagt Newsom, der mit weiteren Versuchen in republikanisch regierten Bundesstaaten rechnet, den Zuschnitt der Wahlkreise zu verändern. "Es wird in Texas nicht aufhören, Sie sehen, was in Indiana, in Florida und anderswo passiert. Deshalb haben wir realisiert: Wir müssen dagegenhalten. Wir versuchen, die Demokratie zu verteidigen."
Kaum noch republikanische Abgeordnete?
Die kalifornischen Republikaner protestieren - bei den vergangenen Wahlen hatten sie in neun Wahlkreisen gewonnen. Mehr als die Hälfte dieser Sitze stünden nun auf dem Spiel, erklärt Wahlforscher McGhee. Seine Rechnung: "Mit dem für Kalifornien vorgeschlagenen Plan könnten 48 Demokraten gewählt werden, das heißt, sie bekämen beinahe alle der insgesamt 52 Sitze."
Ob das mögliche republikanische Zugewinne in Texas und anderswo ausgleichen kann, ist ungewiss - Kalifornien ist einer der wenigen demokratischen Staaten, der kurzfristig und verhältnismäßig effektiv seine Wahlkreise verschieben könnte.
Experten wie McGhee sagen, dass die Republikaner US-weit, wenn sie alle Möglichkeiten ausnutzen, beim Gerrymandern insgesamt mehr Möglichkeiten hätten, auch wenn es in den einzelnen Staaten jeweils nicht viele Sitze betrifft. Die Zahl der Staaten, in denen die Demokraten solche Möglichkeiten haben, sei dagegen begrenzt.
Natürlich sind auch schon Klagen anhängig: sowohl gegen die Wahlkreisreform in Texas, als auch gegen die kalifornischen Bemühungen. Millionen fließen in Kalifornien zurzeit auf beiden Seiten in den Wahlkampf, und weitere Millionen wird es kosten, den Vorschlag umzusetzen, wenn die Wähler denn am 4. November mit "Ja" stimmen.
Kaliforniens unabhängige Wahlkreis-Kommission stellt auf ihrer Webseite klar: Sie habe mit der vorgeschlagenen Wahlkreisreform des Gouverneurs "nichts zu tun"- und habe auch "keine Verbindung mit irgendeiner der Gruppen, die sich dafür oder dagegen einsetzen".
Wahlsystem sorgt für Ungleichgewicht
Ab 2031 soll die Kommission dann wieder normal arbeiten - und dann mit aktuellen Bevölkerungszahlen neue Wahlkreiskarten zeichnen.
Allerdings sorgt das US-Wahlsystem auch bei solchen unabhängig bestimmten Wahlkreisen immer noch für ein Ungleichgewicht: Weil nur die Mehrheit im einzelnen Wahlkreis zählt, gingen in Kalifornien auch schon bei der letzten Wahl rund 80 Prozent der Sitze im Repräsentantenhaus an Demokraten. Sie bekommen im Schnitt aber nur rund 60 Prozent der Stimmen.
In anderen Bundesstaaten sehe das häufig ähnlich aus, erklärt McGhee. Die Mehrheitspartei bekomme einen "Gewinnerbonus", mit relativ gesehen mehr Sitzen als Stimmen: Das sei "eine Eigenheit des Systems, nicht unbedingt ein Fehler".
Wer die Wahlkreise geschickt manipuliert, kann trotzdem noch Extra-Vorteile für die eigene Partei herausholen: weil man dabei zum Beispiel die potenziellen Wähler des politischen Gegners so verteilen kann, dass es für eine Mehrheit möglichst selten reicht.
Das ist nicht generell verboten, einzelne Bundesstaaten haben aber Regelungen, die das Gerrymandering einschränken. "Maximal kann man damit 100 Prozent der Sitze gewinnen", erklärt McGhee - also mehr als einen "Gewinnerbonus", und es gebe sicher einige Bundesstaaten, wo man versucht habe, das auszureizen.
Newsoms Risiko
In Kalifornien wären es, wenn die Rechnung aufgeht, mehr als 90 Prozent der Sitze. Ob das für ein paar Jahre der Fall sein wird, darüber können die Wähler jetzt entscheiden: Sie bekommen in diesen Tagen ihre Wahlzettel zugeschickt. Briefwahl ist an der Westküste verbreitet - die meisten dürften deshalb auch nicht bis zum 4. November warten, um ihr Kreuz bei Ja oder Nein zu setzen.
Umfragen sehen bisher die Befürworter knapp in der Mehrheit; wie zuverlässig sie sind, wird sich zeigen. Für Newsom könnte die Angelegenheit auch ein Risiko sein, sagen Beobachter - falls er seinen Vorschlag nicht durchsetzen kann, nicht mal im demokratischen Kalifornien, könnte das seine Chancen auf eine eventuelle Präsidentschaftskandidatur schmälern.
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