Rund ein Jahr nach der umstrittenen Parlamentswahl in Georgien sind erneut Zehntausende aus Protest gegen die Regierung auf die Straße gegangen. Dabei kam es auch zu Ausschreitungen. Ministerpräsident Kobachidse spricht von einem Umsturzversuch.
Während einer Großdemonstration in der georgischen Hauptstadt Tiflis hat eine Gruppe versucht, die Präsidentenresidenz zu stürmen. Die Demonstranten rissen einen massiven Zaun nieder und drangen kurz auf das Gelände vor dem Gebäude. Die Polizei drängte sie zurück und setzte örtlichen Medien zufolge Wasserwerfer und Tränengas ein. Die Demonstranten wiederum errichteten Barrikaden.
Währenddessen ging der Protest auf der Hauptstraße in der Innenstadt ruhig weiter. Nach Angaben des georgischen Gesundheitsministeriums wurden 21 Polizisten und sechs Demonstranten ins Krankenhaus gebracht.
Der georgische Ministerpräsident Irakli Kobachidse bezeichnete die Ausschreitungen als Umsturzversuch, der gescheitert sei. Er kündigte schwere Strafen an.
Neue Proteste ein Jahr nach umstrittener Parlamentswahl
Das Kaukasusland hielt am Samstag inmitten der angespannten politischen Lage Kommunalwahlen ab. Für die russlandfreundliche Regierungspartei Georgischer Traum von Regierungschef Kobachidse war die Wahl der erste wichtige Stimmungstest nach der umstrittenen Parlamentswahl im Oktober 2024.
Nachdem sich der Georgische Traum dabei zum Sieger erklärt hatte und Beitrittsgespräche mit der EU ausgesetzt wurden, protestierten monatelang Zehntausende Regierungsgegner. Opposition und Demonstranten werfen der Regierung vor, sich Russland anzunähern und sich von der EU und ihren demokratischen Standards abzuwenden. Die Regierung weist dies zurück.
Opposition boykottiert Wahlen
Im Vorfeld der Kommunalwahlen riefen Teile der Opposition zum Boykott und zum Protest auf. Der inhaftierte Ex-Präsident Michail Saakaschwili rief seine Anhänger auf, so "die letzte Chance" zur Rettung der georgischen Demokratie zu nutzen. In Tiflis gingen Zehntausende gegen die Regierungspartei auf die Straße. Regierungschef Kobachidse hatte ein hartes Vorgehen der Polizei im Falle von Ausschreitungen bei der Wahl angedroht. Er warf den Oppositionsanhängern "Radikalität" vor. "Ihre Revolutionsversuche werden definitiv scheitern", sagte Kobachidse.
Die Protestbewegung verlor zuletzt an Sichtbarkeit. Menschenrechtsgruppen zufolge wurden im vergangenen Jahr etwa 60 Menschen inhaftiert, darunter wichtige Oppositionelle, Journalisten und Aktivisten. Amnesty International erklärte, die Kommunalwahlen fänden in einem Klima der "politischen Unterdrückung" statt. Das Vorgehen gegen Oppositionsführer und die Zivilgesellschaft zeige, wie sehr die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Georgien unterdrückt würden.
Frank Aischmann, ARD Moskau, zzt. Tiflis, tagesschau, 05.10.2025 00:01 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke