Das Atomkraftwerk Saporischschja ist seit über zehn Tagen ohne Stromversorgung von außen. Ukrainische Experten werfen Russland vor, die Abkoppelung vom ukrainischen Netz absichtlich herbeigeführt zu haben.
Russland hält das Gelände des Atomkraftwerks Saporischschja seit dreieinhalb Jahren besetzt. Der Krieg brachte es immer wieder in die Schlagzeilen, begleitet von der Angst vor einem Atomunfall.
So war es, als Gebäude des AKW beschossen wurden. Und immer, wenn die Stromleitungen zum Kraftwerk unterbrochen wurden. Denn die Reaktoren des AKW sind zwar längst heruntergefahren, müssen aber weiterhin gekühlt werden.
Expertin sieht keine akute Gefahr
So lange wie jetzt waren sie noch nie ohne Stromzufuhr von außen. Doch gefährlich sei das nicht, sagt die ukrainische Atomenergie-Expertin Olha Koscharna: "Es gibt auf dem AKW-Gelände 20 Dieselgeneratoren, die Strom erzeugen können. Acht davon sind in Betrieb - und das genügt schon."
Weitere neun stünden bereit und könnten bei Bedarf zugeschaltet werden, so Koscharna. Drei würden gerade gewartet. Diesel gebe es nach ihren Informationen auch genug. "Und die russischen Besatzer werden es weiter anliefern. Sie sind schließlich keine Selbstmörder."
Vorwurf der Sabotage durch Russland
Diese Einschätzungen teilen auch andere ukrainische Atomenergie-Experten. Das AKW Saporischschja war schon oft vom ukrainischen Stromnetz getrennt, seit Russland die Ukraine überfallen hat. Anders ist diesmal: Der Schaden liege auf von Russland besetztem Gebiet, heißt es in der Ukraine. Deshalb könne die Ukraine ihn auch nicht reparieren.
Und es gab zuvor keine Kämpfe in der Nähe, wie eine Analyse im Auftrag von Greenpeace ergab. Sie stützt sich auf Satellitenaufnahmen. Ukrainische Beobachter und auch Greenpeace sagen deshalb: Russland habe die Leitung absichtlich durchtrennt.
Anschluss an Russlands Stromnetz geplant?
Olha Koscharna meint: Russland spiele mit der Angst vor einem Atomunfall. So wolle es der Weltgemeinschaft erklären, dass es das AKW an sein eigenes Stromnetz anschließen müsse.
"Dieser Plan wurde schon im Juli 2022 bekannt. Es ging darum, mit dem AKW die von Russland besetzten Gebiete der Ukraine zu versorgen." Darunter sei die Halbinsel Krim und Krasnodar, eine Region im Südwesten Russlands.
Russland bereitet das Analysen zufolge schon lange vor. Moskau baut an einer Stromleitung zum AKW, auch das ist durch Satellitenaufnahmen belegt. Der russische Konzern Rosatom könnte das besetzte AKW dann vollends in seinen Besitz nehmen und nutzen. Dafür müsste Russland die Reaktoren wieder hochfahren.
Keine ausreichende Kühlung für neue Inbetriebnahme
Dann allerdings würde das AKW tatsächlich zu einer Gefahr, so der Tenor in der Ukraine. Unter anderem, weil es den Stausee nicht mehr gibt, der früher zur Kühlung des AKW diente. Der Kachowka-Staudamm wurde vor über zwei Jahren gesprengt, mutmaßlich von Russland.
Dem ukrainischen Atomenergieexperten Henadij Rjabzew zufolge hat Russland inzwischen einen neuen, kleineren Damm gebaut, der das Wasser eines kleineren Flusses aufstaut. Das sei aber nur eine Übergangslösung, so Rjabzew.
"Wenn auch nur ein Reaktor wieder hochgefahren wird, steigt der Bedarf an Wasser für die Kühlung deutlich." Dann könne das, was jetzt zur Verfügung steht, nicht ausreichen. "Vor allem in dem Fall, wenn der Reaktor plötzlich heruntergefahren werden müsste." Zum Beispiel wegen Kriegshandlungen.
Sorge vor einem Positionswechsel der IAEA
Die Ukraine fordert eine internationale Reaktion auf Russlands Pläne, vor allem von der Internationalen Atomagentur IAEA. Auch Greenpeace vermisst eine klare Aussage der Organisation. Die Ukraine befürchtet sogar, die IAEA, der 180 Länder angehören, könne sich auf die Seite Russlands schlagen. Denn der Leiter der IAEA, Rafael Grossi, will Generalsekretär der Vereinten Nationen werden.
In der vergangenen Woche war Grossi in Moskau. Dort traf er Kremlchef Wladimir Putin persönlich. Worüber die beiden im Einzelnen sprachen, ist unbekannt, das Verhältnis zwischen ihnen schien jedoch durchaus freundlich.
Beobachter in der Ukraine meinen: Grossi könnte in Moskau um Putins Unterstützung geworben haben. Und als Preis dafür versprochen haben, der Anbindung des AKW Saporischschja an das russische Stromnetz zuzustimmen.
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