Zuletzt brachte der US-Präsident noch Gebietsabtretungen der Ukraine ins Spiel. Jetzt schwenkt der US-Präsident offenbar um: Die Ukraine sei in der Lage, ihr Land zurückzuerobern - mit Unterstützung westlicher Verbündeter.

Nach Ansicht von Donald Trump ist die Ukraine in der Lage, mithilfe westlicher Verbündeter ihr Staatsgebiet vom russischen Aggressor zurückzuerobern. Mit Zeit, Geduld und finanzieller Unterstützung insbesondere der NATO seien die ursprünglichen Grenzen zum Zeitpunkt, als der Krieg begonnen hatte, eine Option, schrieb der US-Präsident auf seiner Plattform Truth Social.

Damit schwenkt Trump in seiner Position um. Trump hatte in den vergangenen Wochen in den Gesprächen um ein Ende des Krieges auch mögliche Gebietsabtretungen der Ukraine ins Spiel gebracht. Diese hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj stets abgelehnt. Russland hatte hingegen darauf bestanden, dass die Ukraine Gebietsverluste anerkennt.

Was meint Trump?

Der US-Präsident machte in seinem Post auf Truth Social nicht deutlich, welchen ukrainischen Grenzverlauf er genau meint. Zum Beispiel ist unklar, ob Trump zum ukrainischen Staatsgebiet auch die bereits 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim hinzurechnet.

Zu seiner neuen Position ist Trump nach eigenen Angaben gekommen, nachdem er sich mit der militärischen und wirtschaftlichen Lage der Ukraine und Russlands vertraut gemacht und sie vollständig verstanden habe. Russland führe seit dreieinhalb Jahren einen Krieg, "den eine echte Militärmacht" in weniger als einer Woche hätte gewinnen können. "Das ist keine Auszeichnung für Russland. Tatsächlich lässt es das Land eher wie 'einen zahnlosen Tiger' erscheinen."

Gespräch mit Selenskyj

Am Rande der UN-Vollversammlung in New York trafen sich Trump und Selenskyj zu einem Gespräch - und der US-Präsident stärkte seinem ukrainischen Amtskollegen auch hier demonstrativ den Rücken. Die Ukraine könnte nicht nur ihr besetztes Land zurückerobern, sondern "wer weiß, vielleicht sogar noch weiter gehen", so Trump.

Er habe "großen Respekt vor dem Kampf der Ukraine". Das sei "wirklich beeindruckend." Die positive Äußerung über die Haltung der Ukraine stand in großem Kontrast zum Treffen von Trump und Selenskyj im Februar im Weißen Haus, als der ukrainische Präsident von Trump und seinem Vize JD Vance vor laufender Kamera gedemütigt worden war.

Auch Selenskyj selbst sprach von einer "großen Kehrtwende". Er dankte Trump zudem für dessen "persönliche Bemühungen, den Krieg zu beenden", und pflichtete dem US-Präsidenten in der Forderung bei, dass die europäischen Staaten den Import russischen Öls sofort beenden sollten. In seiner Rede vor der UN-Vollversammlung hatte Trump zuvor gesagt, die Europäer "müssen unverzüglich alle Energiekäufe aus Russland einstellen. Andernfalls verschwenden wir alle viel Zeit."

EU reagiert positiv überrascht

Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas begrüßte Trumps Kursänderung. Auf die Frage, was die Reaktion der EU dazu sei, sagte sie in New York: Das sei alles richtig. "Ja, wir sollten aufhören, russische Energie zu kaufen. Ja, die Ukraine sollte den Krieg gewinnen." Auch die anderen Aussagen, die Trump in Bezug auf die Ukraine und Russland gemacht habe, begrüßte Kallas. "Das waren sehr deutliche Aussagen, die wir in dieser Form bisher noch nicht gehört haben." Deshalb sei es sehr gut, dass man nun auf einer gemeinsamen Linie sei.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen traf in New York ebenfalls mit Trump zusammen. Sie sei sich mit dem US-Präsidenten einig, dass Russland Einkünfte aus dem Verkauft fossiler Brennstoffe "schnell gekappt" werden müssten. Von der Leyen verwies auf die vor kurzem von ihrer Kommission gemachte Vorschläge, die auf ein baldiges Ende aller europäischen Importe von fossilen Energieträgern aus Russland abzielen.

US-Außenminister: Trumps "außerordentliche Geduld" am Ende

Trump äußerte sich außerdem zu den Vorfällen im europäischen Luftraum. Auf eine Frage, ob er der Ansicht sei, dass NATO-Staaten russische Flugzeuge bei Verletzung ihres Luftraumes abschießen sollten, antwortete er mit "Ja, das bin ich". Zuletzt war es mehrfach zu gefährlichen Situationen im Luftraum von EU- und NATO-Staaten gekommen - in Polen, Estland und Rumänien. Die NATO warnte Russland daraufhin unter Androhung von Gewalt vor weiteren Luftraumverletzungen.

Laut US-Außenminister Marco Rubio hat Russlands Verschleppung eines Friedensprozesses in der Ukraine zur Kehrtwende gegenüber Moskau bewogen. Trump habe "außerordentliche Geduld" bewiesen und auf einen diplomatischen Durchbruch gehofft. Doch dies sei nicht nur in Stagnation gemündet, "sondern wir sind in eine Phase potenzieller Eskalation eingetreten. In den letzten Nächten und davor gab es die historisch höchste Zahl an Angriffen", sagte Rubio.

Der Außenminister drohte Moskau mit wirtschaftlichen Sanktionen und betonte, die USA könnten Kiew weiter mit Waffen helfen. Trump habe "echte Optionen" und er werde bei fortgesetzten Aggressionen Russlands die notwendigen Schritte machen. "Der Präsident ist ein sehr geduldiger Mann. Er setzt sich sehr für den Frieden ein, aber seine Geduld ist nicht unendlich", so Rubio. 

Carsten Kühntopp, ARD Washington, tagesschau, 23.09.2025 23:24 Uhr

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