Drohende Sanktionen, Kriegsgefahr mit Israel, ein greiser Staatschef und wirtschaftliche Not: Viele Menschen im Iran haben das Gefühl, dass ihr Land vor einem Umbruch steht. Sie schwanken zwischen Zuversicht und Angst.
Wenn man sich in der iranischen Hauptstadt unterhält, stellt man fest: Die Stimmung ist angespannt. Gründe gibt es viele. Der 59-jährige Ali ist eigentlich in Rente. Aber das Geld reicht nicht - also fährt er Taxi. "Die wirtschaftliche und finanzielle Belastung für die Menschen ist groß", erzählt er. "Die Regierung ist nicht in der Lage dazu, das anzugehen und die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen. Die Regierung kümmert sich nur um ihr eigenes Überleben."
Währung im freien Fall
So offen wie Ali sprechen viele. Die meisten aber nur, wenn das Radiomikrofon ausbleibt. Ein Uhrenverkäufer in der Nähe der Universität erzählt: Letztes Jahr habe er neue Proteste vorhergesagt, für den Fall, dass die iranische Währung unter 60.000 Toman für einen US-Dollar fällt.
Heute liegt der Dollar bei etwa 100.000 Toman. Die Proteste sind ausgeblieben, gesteht der groß gewachsene Mann in seinen Vierzigern. Klar, sagt er heute, die Leute müssen schauen, dass sie über die Runden kommen. Protestieren können sie sich nicht leisten. Hoffnung darauf, dass sich im Iran etwas zum Positiven verändert, hat er keine.
Kopftuchzwang wird nicht mehr durchgesetzt
Genau drei Jahre ist es her, dass nach dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini die "Frau Leben Freiheit"-Protestbewegung begann. Die größte, landesweite Protestbewegung in der Islamischen Republik wurde gewaltsam niedergeschlagen. Diese hat das Land aber verändert, sagt der 30-jährige Ahmad.
"Dazu gehört auch die Straße. Das ist einer der Orte, an denen wir die tatsächliche Veränderung in der Gesellschaft sehen können", sagte der junge Mann. Nach den Protesten 2017 und 2019 sei fast nichts Greifbares passiert. Das sei jetzt anders. "'Frau Leben Freiheit' ist eine Protestaktion, bei der wir die konkreten Veränderungen sehen können, die sie in der Gesellschaft bewirkt hat", sagte er.
Dass Frauen das Kopftuch dauerhaft abgelegt haben, ist eine dieser Veränderungen. Das hat auch die 27-jährige Maryam getan. "So gehe ich durch die Stadt. Manchmal habe ich Angst", sagte sie. Aber es sei eine riesige Veränderung. "Ich bin nicht alleine, wir sind sehr viele."
Polizei und Behörden setzen den Kopftuchzwang nicht mehr durch. Für Maryam ist dieser Gewinn an persönlicher Freiheit ein Erfolg. Auch wenn sie nicht sicher ist, wie lange es so bleibt. "Es ist eine kritische Situation gerade, die anders ist als vor drei Monaten, oder anders als vor einem Jahr." Sie glaubt, dass die Regierung in der Situation jetzt keine andere Wahl habe, als nachsichtig zu sein. "Aber natürlich könnten sie in einer Woche auch wieder hart gegen Frauen vorgehen."
Rückkehr der Sanktionen droht
Man hört in Teheran dieser Tage immer wieder, dass die Menschen nicht wissen, wie ihre unmittelbare Zukunft aussieht. Was in den nächsten Wochen und Monate sein wird. Nach dem zwölftägigen Krieg mit Israel im Juni ist das iranische Regime zwar weiterhin an der Macht, doch offensichtlich geschwächt.
"Wir hören kaum noch was vom Obersten Führer", sagt Maryam. "Es ist doch eine kritische Situation! Ich kann mir vorstellen, er hätte viel dazu zu sagen." Es sei eines der größten Zeichen für sie, dass sich hier irgendetwas ändert.
Wie stark die Angriffe Israels und der USA das iranische Atomprogramm beschädigt haben, ist weiterhin nicht bekannt. Erzielt der Iran bis Ende der Woche keine Einigung mit den europäischen Staaten Frankreich, Großbritannien und Deutschland über das Atomprogramm, treten automatisch alte UN-Sanktionen wieder in Kraft. Die Folgen sind unklar.
Ahmad: Dürfen vom Westen nichts erwarten
Nach Fortschritten in den Gesprächen sieht es zurzeit nicht aus. Ein unreguliertes iranisches Atomprogramm wiederum wäre für Israel mittelfristig wahrscheinlich ein Grund für einen erneuten Angriff, befürchten viele hier. Ahmad hat den Krieg im Juni in Teheran miterlebt.
Vor dem Zwölf-Tage-Krieg habe er zu westlichen Politikern aufgeschaut: "Ich hatte Hoffnung." Das sei jetzt nicht mehr so. Es habe ihm die Augen geöffnet, als er gehört habe, dass der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz gesagt hatte, Israel mache mit dem Angriff auf den Iran die Drecksarbeit. "Wir dürfen von der westlichen Politik nichts erwarten", sagt Ahmad.
"Einen kritischen Punkt erreicht"
Zwischen möglichen Atom-Sanktionen, erneuter Kriegsgefahr mit Israel, einem alternden Obersten Führer und wirtschaftlicher Not: Viele der Menschen im Iran haben das Gefühl, dass sich gerade etwas tut. Sie habe zwar keine Hoffnung, aber sie spüre, dass sich hier etwas verändert, erzählt Maryam. "Ich weiß nicht, ob zum Besseren. Oder zum Schlechteren. Ich weiß es wirklich nicht. Aber ich glaube, alle fühlen diesen Wandel."
Ahmad ist optimistisch: "Ich habe weiterhin Hoffnung - trotz der wirtschaftlichen Lage. Ich denke, wenn die Lage im Iran irgendwann einen kritischen Punkt erreicht, wird es danach besser werden."
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