Vier von fünf Richtern stimmten dafür: Das Oberste Gericht Brasiliens hat Ex-Präsident Bolsonaro wegen eines versuchten Staatsstreichs zu mehr als 27 Jahren Haft verurteilt. Seine Anwälte kündigten Berufung an.
Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro ist eines versuchten Staatsstreichs schuldig gesprochen worden. Vier der fünf Richter des Obersten Bundesgerichts (STF) stimmten für die Verurteilung. Kurz danach wurde auch das Strafmaß für den 70-Jährigen verkündet: Demnach muss er 27 Jahre und drei Monate in Haft.
Bolsonaro ist der erste Präsident Brasiliens, der nach seiner Amtszeit wegen versuchten Staatsstreichs verurteilt wurde. Er steht bereits seit Anfang August wegen Verstößen gegen Auflagen unter Hausarrest und wird wegen Fluchtgefahr überwacht. Nach Angaben seiner Anwälte verfolgte er die Anhörungen aus gesundheitlichen Gründen nicht im Gerichtssaal.
Abgesehen von Bolsonaro saßen auch sieben weitere Beschuldigte auf der Anklagebank, unter ihnen mehrere Ex-Minister und frühere Militärchefs. Sie wurden ebenfalls schuldig gesprochen.
Berufung angekündigt
Die Richter hatten ihre Entscheidungen im Lauf der vergangenen Tage nacheinander verkündet, ein in Brasilien übliches Verfahren. Das abweichende Votum des Richters Luiz Fux, der am Mittwoch für einen Freispruch gestimmt hatte, könnte Bolsonaro laut der Nachrichtenagentur Reuters den Weg für eine Berufung ebnen.
Da der Prozess vor dem Obersten Gericht geführt wurde, gibt es keine höhere Instanz. Innerhalb des STF sind jedoch begrenzte Rechtsmittel möglich, etwa bei formalen Unklarheiten oder nicht einstimmigen Urteilen.
Bolsonaros Anwälte kündigten mittlerweile an, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Diese müsste dann vor dem Plenum des Gerichts mit elf Richtern verhandelt werden, was den Abschluss des Verfahrens bis kurz vor die Präsidentschaftswahl 2026 verzögern könnte. Zwar können die Anwälte formelle Unklarheiten im Urteil anfechten, doch gelten Änderungen an der Entscheidung als unwahrscheinlich. Bolsonaro hat sich wiederholt für unschuldig erklärt.
Fux hatte sein Votum damit begründet, dass das Gericht für den Fall nicht zuständig sei. Seiner Ansicht nach hätte der Prozess vor unteren Instanzen verhandelt werden müssen, da Bolsonaro nicht mehr im Amt sei.
Seine vier Kollegen sahen es hingegen als erwiesen an, dass Bolsonaro eine "kriminelle Organisation" anführte, um sich nach seiner Wahlniederlage an der Macht zu halten. "Brasilien ist fast zur Diktatur zurückgekehrt", hatte Richter Alexandre de Moraes am Dienstag gesagt.
Anhänger stürmten 2023 Regierungssitz
Bolsonaro wird vorgeworfen, nach seiner Wahlniederlage gemeinsam mit Militärs und Verbündeten einen Putschversuch gegen die Regierung seines linken Nachfolgers Luiz Inácio Lula da Silva geplant zu haben. Nach Überzeugung der Anklage habe er geplant, einen Ausnahmezustand zu verhängen und Neuwahlen anzusetzen - allerdings habe er die Unterstützung der Militärführung nicht gewinnen können.
Am 8. Januar 2023 hatten Anhänger Bolsonaros kurz nach Amtsantritt Lulas den Kongress, das Oberste Gericht und den Präsidentenpalast gestürmt. Zudem soll Bolsonaro von Mordplänen gegen Lula, Vizepräsident Geraldo Alckmin und Richter Alexandre de Moraes gewusst haben.
Verstimmung zwischen Lula und Trump
Die Anklage hatte auch zu einer schweren Verstimmung zwischen Lula und US-Präsident Donald Trump geführt. Trump hatte sich wiederholt lobend über Bolsonaro geäußert. Er hatte auch Zölle gegen Brasilien verhängt und erklärt, diese seien eine Vergeltung für "heimtückische Angriffe Brasiliens auf freie Wahlen".
Die Verurteilung Bolsonaros bezeichnete der US-Präsident nun als "sehr überraschend". Bolsonaro sei ein "guter Präsident Brasiliens" gewesen, sagte Trump zu Journalisten. Er zog Parallelen zu den Gerichtsverfahren, die in den vergangenen Jahren gegen ihn geführt worden waren. "Das ist so ähnlich, wie sie es mit mir versucht haben, aber sie sind nicht damit durchgekommen", sagte er.
Anne Herrberg, ARD Rio de Janeiro, tagesschau, 12.09.2025 05:10 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke