Am Obersten Gericht Brasiliens hat eine Mehrheit der Richter für einen Schuldspruch gegen Ex-Präsident Bolsonaro gestimmt. Unter anderem wird ihm ein Putschversuch vorgeworfen. Finales Urteil und Strafmaß stehen aber noch aus.
Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro steht offenbar kurz vor einer historischen Verurteilung wegen eines versuchten Staatsstreichs. Drei der fünf Richter des Obersten Bundesgerichts (STF) stimmten bei Beratungen bereits für einen Schuldspruch, wie die Live-TV-Übertragung zeigte. Sie hätten damit eine Mehrheit im Gericht.
Richterin Carmen Lucia gab zuletzt die entscheidende Stimme ab und befand Bolsonaro in allen Punkten schuldig. Er ist damit der erste Ex-Präsident in der Geschichte des Landes, der wegen eines Angriffs auf die Demokratie verurteilt wird. Das Votum des fünften Richters des in Brasilien üblichen Verfahrens der nacheinander entscheidenden Richter steht noch aus.
Mehr als 40 Jahre Haft möglich
Sollte es bei einer Mehrheit bleiben, wäre Bolsonaro der erste Präsident Brasiliens, der nach seiner Amtszeit wegen versuchten Staatsstreichs verurteilt wird. Dem 70-Jährigen drohen bis zu 43 Jahre Haft.
Aufgrund seines Alters und gesundheitlicher Probleme nach einem Attentat käme auch ein Hausarrest in Betracht. Bolsonaro steht bereits seit Anfang August wegen Verstößen gegen Auflagen unter Hausarrest und wird wegen Fluchtgefahr überwacht.
Das abweichende Votum des Richters Luiz Fux, der am Mittwoch für einen Freispruch gestimmt hatte, könnte Bolsonaro jedoch den Weg für eine Berufung ebnen. Diese müsste dann vor dem Plenum des Gerichts mit elf Richtern verhandelt werden, was den Abschluss des Verfahrens bis kurz vor die Präsidentschaftswahl 2026 verzögern könnte.
Fux hatte sein Urteil damit begründet, dass das Gericht für den Fall nicht zuständig sei. Seiner Ansicht nach hätte der Prozess vor unteren Instanzen verhandelt werden müssen, da Bolsonaro nicht mehr im Amt sei.
Anhänger stürmten 2023 Regierungssitz
Bolsonaro wird vorgeworfen, nach seiner Wahlniederlage gemeinsam mit Militärs und Verbündeten einen Putschversuch gegen die Regierung seines linken Nachfolgers Luiz Inácio Lula da Silva geplant zu haben. Nach Überzeugung der Anklage habe er geplant, einen Ausnahmezustand zu verhängen und Neuwahlen anzusetzen - allerdings habe er die Unterstützung der Militärführung nicht gewinnen können.
Am 8. Januar 2023 hatten Anhänger Bolsonaros kurz nach Amtsantritt Lulas den Kongress, das Oberste Gericht und den Präsidentenpalast gestürmt. Zudem soll Bolsonaro von Mordplänen gegen Lula, Vizepräsident Geraldo Alckmin und Richter Alexandre de Moraes gewusst haben.
Verstimmung zwischen Lula und Trump
Der Prozess wird vor dem Obersten Gericht geführt - es gibt keine höhere Instanz. Innerhalb des STF sind jedoch begrenzte Rechtsmittel möglich, etwa bei formalen Unklarheiten oder nicht einstimmigen Urteilen. Bei mindestens zwei abweichenden Stimmen könnte eine Überprüfung einzelner Streitpunkte noch einmal im Plenum beantragt werden.
Bolsonaro hat sich wiederholt für unschuldig erklärt. Die Anklage hat auch zu einer schweren Verstimmung zwischen Lula und US-Präsident Trump geführt. Trump hatte sich wiederholt lobend über Bolsonaro geäußert. Er hat auch Zölle gegen Brasilien verhängt und erklärt, diese seien eine Vergeltung für "heimtückische Angriffe Brasiliens auf freie Wahlen".
Anne Herrberg, ARD Rio de Janeiro, tagesschau, 11.09.2025 21:24 UhrHaftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke