Der Rücktritt seiner Stellvertreterin wegen einer Steueraffäre stürzt die Labour-Regierung von Premier Starmer in eine tiefe Krise. Eine großangelegte Kabinettsumbildung soll helfen - während die Rechtspopulisten bereits triumphieren.

Großbritannien steckt wegen einer Steueraffäre der stellvertretenden Premierministerin in einer Regierungskrise mit ungewissem Ausgang. Vizeregierungschefin Angela Rayner erklärte am Mittag ihren Rücktritt. Zum Verhängnis wurde ihr, dass sie zu wenig Grunderwerbssteuer bezahlt hatte. Und noch während Premierminister Keir Starmer an einer Kabinettsumbildung arbeitete, erklärten sich die Rechtspopulisten zum großen Gewinner der turbulenten Stunden.

Wegen der "Nachricht aus Westminister" zog Brexit-Vorkämpfer Nigel Farage seine Rede bei der Jahreskonferenz seiner in Umfragen führenden Reform-Partei zeitlich vor. Es sei klar, dass ein Kabinett voller "unqualifizierter Personen" das Land führe. Starmers Regierung sei "genauso schlecht, wenn nicht sogar schlechter" als die vorausgegangene der Konservativen.

Der Rücktritt der Politikerin ausgerechnet am ersten Tag der Reform-Konferenz passt ins Bild. Farage ließ sich auf dem Messegelände in Birmingham mehrfach feiern. Sein erster Auftritt auf dem Podium wurde von Pyrotechnik begleitet. Der 61-Jährige scheint sich zu gefallen als Mischung aus Rockstar und Politiker, der angeblich alles besser kann.

Farage profitiert von der Krise

Der Brexit-Vorkämpfer treibt die Regierung schon seit Monaten vor sich her. In laut Farage "100 Umfragen" sei Reform zuletzt die stärkste Partei gewesen. Im britischen Mehrheitswahlrecht wird die landesweit stärkste Partei jedoch nicht zwangsläufig zur stärksten Fraktion im Parlament.

"Es passiert", rief Farage während seiner Rede mit Blick auf den Rayner-Rücktritt seinen Anhängern zu. Der Reform-Chef spielt mit der Angst der britischen Bevölkerung, insbesondere beim Thema Migration. Starmers Regierungskurs hatte er immer wieder scharf kritisiert oder ins Lächerliche gezogen. Jetzt geht Farage von Neuwahlen bereits 2027 statt 2029 aus.

Starmer reagiert mit Personalrochade

Starmer hatte die Labour-Partei vom linken Rand unter seinem Vorgänger Jeremy Corbyn weit in die politische Mitte geführt. Rayner galt als Brücke zu einem zutiefst misstrauisch gewordenen linken Parteiflügel. Ihr Rücktritt ist nun ein massiver Rückschlag. Sie galt als Hoffnungsträgerin einer Partei, die in den Umfragen derzeit schwächelt.

Die Affäre löste ein Beben aus, auf das Starmer mit einer großen Personalrochade reagierte. So soll der bisherige Außenminister David Lammy zu Rayners Nachfolger als Vize-Premierminister werden, während Innenministerin Yvette Cooper an die Spitze des Außenministeriums wechselte. Justizministerin Shabana Mahmood wird demnach fortan das Innenministerium leiten, während Lammy zudem das Justizministerium führen soll.

Politikerin mit hoher Glaubwürdigkeit bei Arbeiterklasse

Rayner war in den vergangenen Tagen erheblich unter Druck geraten. Sie hatte zugegeben, sich bei der Frage nach der Höhe der Grunderwerbssteuer für eine Immobilie auf Rat verlassen zu haben, der sich als falsch herausstellte. Rayner selbst hatte um eine Untersuchung gebeten, ob sie damit gegen die Verhaltensstandards für Kabinettsmitglieder verstoßen habe. Diese kam zum Schluss, dass ein Verstoß vorlag.

Rayner gilt als schlagfertige und begabte Politikerin, die keine Auseinandersetzung scheute. Gelegentlich schoss sie übers Ziel hinaus, etwa als sie die politischen Gegner von der Tory-Partei als "Abschaum" bezeichnete - und sich entschuldigen musste.

Als Ministerin war sie unter anderem für die Themen Wohnen und kommunale Angelegenheiten zuständig. Glaubwürdigkeit in der britischen Arbeiterpartei verlieh ihr vor allem ihr bescheidener Hintergrund als Teenager-Mutter, die in einer Sozialwohnung aufgewachsen war und sich mit viel Fleiß in einer Gewerkschaft nach oben gearbeitet hatte.

Auch ihr nordenglischer Dialekt trug zu diesem Ruf bei. Sie ist mit 45 Jahren bereits Großmutter. Von politischen Gegnern wurde Rayner auch immer wieder zum Ziel sexistischer Vorwürfe. So berichtete die Boulevardzeitung Mail on Sunday einmal, Abgeordnete der Konservativen Partei hätten sich darüber beschwert, sie habe versucht, den damals noch konservativen Premierminister im Parlament mit ihren Beinen zu irritieren. Die Episode löste eine Debatte über Sexismus in der britischen Politik aus. Rayner erhielt viel Rückendeckung - auch von Politikerinnen des gegnerischen Lagers.

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