Ist Israels Krieg im Gazastreifen ein Völkermord an der palästinensischen Bevölkerung? Die Debatte darüber ist neu entbrannt. Auch innerhalb der EU-Kommission, die sich von einer Äußerung ihrer Vizepräsidentin distanziert.
Die Stellungnahme der EU-Kommission fiel zurückhaltend aus: Im Zusammenhang mit Israels militärischem Vorgehen im Gazastreifen werde die Kommission vorerst nicht von Völkermord sprechen, hieß es heute aus Brüssel. Und: Es gebe zu der Völkermord-Frage keine Position der EU-Kommission. Es sei an Gerichten, darüber zu entscheiden, erklärte eine Sprecherin.
Das lässt Spielraum für Interpretation, widerspricht aber klar der Position, die am Donnerstag noch die Vizepräsidentin der Kommission und Wettbewerbskommissarin Teresa Ribera geäußert hatte.
In einer Rede in der Pariser Eliteuniversität Sciences Po hatte Ribera gesagt, der "Genozid in Gaza" entlarve "Europas Versagen", gemeinsam zu handeln und mit einer Stimme zu sprechen. Ribera ist eine von sechs Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten der EU-Kommission. Sie hatte bereits in der Vergangenheit Maßnahmen der EU gegen Israel wegen dessen Vorgehen im Gazastreifen gefordert.
Empörung in Israel und Deutschland
Die EU ist in der Frage gespalten. Während einige Mitgliedsstaaten Riberas Haltung anhängen, sprechen sich andere für die Unterstützung Israels im Krieg gegen die Terror-Miliz Hamas aus.
In Israel löste Riberas Einlassung Empörung aus. Ein Sprecher des israelischen Außenministeriums wies die Äußerung als haltlos und inakzeptabel zurück und warf Ribera vor, sich "zum Sprachrohr der Hamas-Propaganda" gemacht zu haben.
UN-Konvention zu Völkermord Das "Übereinkommen über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes" der Vereinten Nationen (UN) bezeichnet damit die gezielte Verfolgung von Bevölkerungsgruppen, die sich durch Sprache, Religion und Tradition von anderen unterscheiden - mit dem Ziel, diese Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören.Dazu gehören neben Tötungen auch Maßnahmen, die schweren körperlichen oder seelischen Schaden anrichten, genauso wie die Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die zu körperlicher Zerstörung führen können.
Die UN-Konvention ordnet dem Völkermord auch zu, wenn gezielt Geburten verhindert oder Kinder verschleppt werden. Auch wenn der Begriff Völkermord an millionenfaches Morden erinnert, spielt die Zahl der Opfer laut UN-Konvention keine Rolle. Mit der Ratifizierung haben sich die UN-Mitglieder verpflichtet, Verbrechen dieser Art zu verhüten und zu bestrafen.
Die Konvention trat 1951 als Folge des von Nazi-Deutschland ausgehenden Holocausts in Kraft, dem unter anderem bis zu sechs Millionen Jüdinnen und Juden zum Opfer fielen.
"Einseitig und unangemessen"
Ähnlich äußerte sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann. "Die Äußerungen der EU-Vizepräsidentin sind einseitig und unangemessen und sie spielen den Hamas-Terroristen in die Hände", sagte der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag der Nachrichtenagentur dpa.
Man könne Israels Vorgehen in Gaza kritisieren, aber nicht in dieser Form und nicht ohne die Hamas als Auslöser dieser schrecklichen Gewaltspirale zu benennen, fügte Hoffmann hinzu. Die Hamas habe es in der Hand, durch die Freilassung der Geiseln endlich diesem Krieg ein Ende zu setzen, den sie selbst auf brutalste Art und Weise losgetreten habe.
Ribera sieht Versagen Europas
Mit ihren Äußerungen zur Handlungsunfähigkeit der EU spielte Ribera darauf an, dass sich die EU-Staaten trotz der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen bislang nicht auf eine von der EU-Kommission vorgeschlagene Strafmaßnahme gegen Israel verständigen konnten. Diese sieht eine Einstellung von Zusammenarbeit im Rahmen des Forschungsförderungsprogramms Horizon Europe vor.
Grundlage des Vorschlags ist eine Analyse der EU-Kommission, nach der Israel mit seinem Vorgehen im Gazastreifen und der daraus resultierenden humanitären Katastrophe gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht verstößt. Damit werde ein wesentliches Prinzip der Zusammenarbeit zwischen der EU und Israel im Rahmen des geltenden Assoziierungsabkommens verletzt, heißt in dem Text. Ausdrücklich erwähnt werden auch Tausende zivile Todesopfer und eine rasant steigende Zahl von Fällen extremer Unterernährung, insbesondere bei Kindern.
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