In Frankreich beginnt das Ende der Sommerpause mit einem Paukenschlag: Premier Bayrou will im Parlament die Vertrauensfrage stellen. Er erhofft sich dadurch Rückendeckung für seinen Sparkurs. Doch seine Chancen stehen schlecht.
François Bayrou geht all in - und stellt seine eigene, politische Zukunft zur Disposition. Bei einer Pressekonferenz kündigte der Premierminister an, am 8. September im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen.
Es gehe darum, Klarheit zu schaffen, sagte Bayrou. Er habe deshalb den Präsidenten gebeten, eine Sondersitzung des Parlaments einzuberufen. "Dann werde ich nach einer Regierungserklärung die Vertrauensfrage stellen", so Bayrou. "Dabei wird es um die zentrale Frage gehen, ob eine Gefahr für die Nation besteht - ob wir dringend handeln müssen - und um einen Weg, dem Unheil zu entgehen, indem wir unsere Finanzen in den Griff bekommen."
Zinslast wird größter Haushaltsposten
Den ganzen Sommer über hatte Bayrou angemahnt, dass Frankreich massiv sparen muss. Ungewöhnlich früh hatte der Premier deshalb im Juli die Eckpunkte für den Haushalt des kommenden Jahres vorgestellt. Darin sollen rund 44 Milliarden Euro eingespart werden. Andernfalls drohe die akute Überschuldung, das Land wirtschaftlich und auch politisch handlungsunfähig zu machen. In diesem Jahr werde die Zinslast zum größten Haushaltsposten, betonte Bayrou während der Pressekonferenz. Bayrou hatte außerdem vorgeschlagen, den 8. Mai und den Ostermontag als Feiertage abzuschaffen.
Doch gegen die Haushaltspläne gibt es Widerstand - nicht nur politisch, sondern auch in der Zivilgesellschaft. Seit Wochen formiert sich unter dem Namen Bloquons Tout (auf Deutsch: alles blockieren) eine Bewegung, die das Land am 10. September lahmlegen will.
"Bayrou hat selbst sein Abschiedsdatum gewählt"
Die Linksaußenpartei LFI hat sich dem angeschlossen und zum Generalstreik aufgerufen. Und natürlich werde die Partei der Regierung das Vertrauen entziehen, sagt LFI-Fraktionschefin Mathilde Panot. Bayrou spreche sich gewissermaßen selbst das Misstrauen aus, so die Politikerin. "Er hat sehr wohl verstanden, dass er nach der parlamentarischen Sommerpause ohnehin gestürzt würde."
Angesichts des Widerstands, den auch die Zivilgesellschaft angekündigt habe, hätte Bayrou also selbst sein Abschiedsdatum gewählt. "Wir freuen uns über diesen ersten Sieg des Protestes und werden für den Sturz des Premierministers und der Regierung stimmen", so Panot.
Macron ist das eigentliche Ziel der Opposition
Auch die Fraktionen der Grünen und der Kommunisten, die mit der LFI zur sogenannten Neuen Volksfront, dem Linksbündnis im Parlament, gehören, haben angekündigt, Bayrou das Vertrauen zu entziehen. Ebenso der rechtsradikale Rassemblement National (RN).
Thomas Ménagé ist Sprecher der RN-Fraktion in der Nationalversammlung und sagte im Sender France Info: "Er weiß, dass eine Vertrauensfrage dazu da ist, um sich einer Mehrheit zu versichern. Die hat François Bayrou weder in der Nationalversammlung, noch im Land. Es wäre ein Verrat an unseren Wählern, dieser Regierung das Vertrauen auszusprechen." Deshalb werde Bayrou wahrscheinlich gehen müssen.
Dabei ist das Ziel - sowohl des RN als auch das von LFI - nicht François Bayrou, sondern Emmanuel Macron. Indem sie Regierung um Regierung stürzen, wollen beide Parteien den Präsidenten zum Rücktritt drängen und vorgezogene Präsidentschaftswahlen erzwingen.
Kampf gegen "ungerechtesten aller Haushaltsentwürfe"
Einmal mehr kommt es also auf die Sozialisten an. Für sie ist die Situation eine Zwickmühle: Denn entweder sichern sie das politische Überleben einer unbeliebten Regierung und vertiefen die Risse im linken Lager. Oder sie bringen Bayrou gemeinsam mit der extremen Rechten zu Fall - und stürzen damit das Land möglicherweise ins Chaos.
Der Parteichef der Sozialisten, Olivier Faure, ließ im Fernsehsender TF1 allerdings wenig Zweifel am Abstimmungsverhalten: "Nein, die Sozialisten werden François Bayrou nicht das Vertrauen aussprechen. Das weiß er sehr gut - und er hat eine Entscheidung getroffen: nämlich zu gehen." Bayrou habe einen Haushalt vorgelegt, den niemand unterstützen könne: weder das Parlament noch die Gesellschaft oder die Gewerkschaften, so Faure. "Wie können Sie auch nur denken, dass wir - wenn es um den ungerechtesten aller Haushaltsentwürfe geht - eine Mehrheit stützen, gegen die wir politisch kämpfen?"
Wer soll Frankreich noch regieren?
Und so dürfte es für den Premierminister und seine Regierung eng werden, sehr eng sogar. Die Verantwortung liege nun bei den Abgeordneten, so Bayrou. Am 8. September habe das Parlament die Entscheidung in der Hand - und jeder sei vor den Franzosen verantwortlich, sagte Bayrou bei der Pressekonferenz. Das größte Risiko sei es, nichts zu tun.
Sollten er und seine Regierung stürzen, stellt sich allerdings die Frage, wer Frankreich - mit der aktuellen Zusammensetzung des Parlaments - überhaupt noch regieren kann. Und ob Präsident Macron die Nationalversammlung ein weiteres Mal auflösen wird.
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