Noch ist es lange nicht soweit, doch klar ist: Wenn es Frieden geben soll, muss die Ukraine sicher sein, dass Russland nicht wieder einmarschiert. Wie könnten solche Vereinbarungen aussehen - und wie realistisch sind sie?
Seit den Gesprächen in Washington kommt offenbar Bewegung in die Bemühungen um einen Frieden in der von Russland angegriffenen Ukraine. Ein zentraler Teil einer möglichen Friedensvereinbarung ist die Frage nach Sicherheitsgarantien. Sie gelten als eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Ukraine Zugeständnisse macht.
Warum pochen die Ukraine und die Europäer darauf?
Die Ukraine möchte sichergehen, dass Russland im Falle einer erfolgreichen Friedensvereinbarung nicht kurze Zeit später wieder ukrainisches Gebiet besetzt. Und auch für die Europäer ist die Frage entscheidend, wie Russland davon abgehalten werden kann, europäisches Gebiet anzugreifen. Daher soll ein dauerhafter Frieden durch eine Reihe von Maßnahmen abgesichert werden, die dies verhindern sollen.
Sicherheitsgarantien können verschiedene Formen umfassen - etwa politische Bekenntnisse zur territorialen Integrität, finanzielle und militärische Zusagen oder Beistandsverpflichtungen.
Welche Sicherheitsgarantien strebt die Ukraine an?
Geht es nach der Ukraine, würde sie der NATO-Militärallianz beitreten und somit Schutz durch den Artikel 5 des NATO-Vertrags bekommen. Das wäre wohl die stärkste Garantie, denn laut dem Vertrag wird ein Angriff auf ein NATO-Land als Angriff auf alle NATO-Partner verstanden - die Ukraine bekäme somit Hilfe von anderen Bündnismitgliedern.
Doch ein NATO-Beitritt der Ukraine steht nicht zur Debatte. US-Präsident Donald Trump hatte dies kategorisch ausgeschlossen. Und auch NATO-Generalsekretär Mark Rutte betonte in Washington, dass es bei den Verhandlungen nicht um eine Vollmitgliedschaft der Ukraine in der Militärallianz gehe.
Diskutiert würden aber an Artikel 5 angelehnte Sicherheitsgarantien. Was genau das bedeuten würde, ist allerdings noch unklar.
Auch eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine wird als eine mögliche zusätzliche Sicherheitsgarantie gegen einen weiteren russischen Überfall angesehen. Einen Antrag auf Mitgliedschaft hatte die Ukraine zwar bereits gestellt, ein Beitritt ist aber noch absolute Zukunftsmusik: Einige EU-Mitglieder - etwa Ungarn - sperren sich dagegen, dazu kommen zahlreiche Verstöße gegen demokratische Prinzipien im Land.
Sind ausländische Soldaten in der Ukraine denkbar?
Auch der Einsatz ausländischer Truppen auf dem Gebiet der Ukraine zur Absicherung des Friedens wäre grundsätzlich denkbar - und wurde von europäischen Akteuren bereits ins Gespräch gebracht. So sprach der französische Präsident Emmanuel Macron von "Rückversicherungstruppen auf dem Meer, in der Luft und am Boden", die von den Verbündeten der Ukraine zur Verfügung gestellt werden könnten.
US-Präsident Trump geht davon aus, dass es europäische Truppen sein sollen, die möglicherweise in die Ukraine geschickt werden würden. Insbesondere Deutschland, Frankreich und Großbritannien wollten Bodentruppen in die Ukraine entsenden, sagte er dem US-Sender Fox New.
Nach dem Gipfel-Treffen in Washington sagte Trump, dass auch die USA Sicherheitsgarantien mittragen würden. Den Einsatz von US-Soldaten in der Ukraine schloss der Präsident aber aus. Bei Fox News stellte er später allerdings in Aussicht, europäische Truppen aus der Luft zu unterstützen. Details dazu nannte er nicht.
Was spricht dagegen?
Gegen den Einsatz europäischer Truppen in der Ukraine sprechen vor allem logistische und politische Gründe. Nach Einschätzung des früheren Befehlshabers der US-Streitkräfte in Europa, Ben Hodges, bräuchte es für einen wirksamen Schutz der Ukraine vor möglichen künftigen Übergriffen Russlands mehrere Tausend europäische Soldaten. "Ohne die Entsendung vieler Tausend europäischer Soldaten, vor Ort mit einem klaren Auftrag, strengen Einsatzregeln und echten Fähigkeiten, die Russland respektiert, bleiben solche Garantien eine leere Hülse", sagte Hodges dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Konkreter wurde bei der Zahl der benötigten Soldaten eine Studie der Stiftung Wissenschaft und Politik aus dem Januar diesen Jahres: Darin heißt es, dass laut Berechnungen für eine "glaubwürdige militärische Absicherung" rund 150.000 Soldatinnen und Soldaten nötig wären.
Solch ein Truppen-Aufgebot ist für die Europäer eigentlich nicht zu stemmen. Allein die deutsche Bundeswehr hat bereits jetzt große Schwierigkeiten, NATO-Vorgaben bei der Personalstärke für den Krisenfall zu erfüllen. Die sehen vor, dass Deutschland für einen Konflikt 460.000 Soldaten bereithält. Derzeit dienen bei der Bundeswehr aber nur gut 181.500 Menschen in Uniform.
Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Henning Otte, warnte vor einer Überforderung der Bundeswehr. Sollte sich Deutschland mit einer Brigade von etwa 5.000 Soldaten an Sicherheitsgarantien für die Ukraine beteiligen, wäre das eine "Riesenherausforderung für die Bundeswehr", sagte Otte im Deutschlandfunk. Von dem aktuell anvisierten Ziel, die Bundeswehr auf 260.000 aktive Soldaten zu vergrößern, sei die Truppe noch "weit entfernt", sagte der CDU-Politiker - und jetzt "sprechen wir schon wieder über neue Aufträge".
Welche politischen Hürden gäbe es?
Doch nicht nur logistische Aspekte lassen eine europäische Friedensmission in der Ukraine unwahrscheinlich erscheinen. Russland hat bereits mehrfach angekündigt, keine NATO-Truppen auf dem Gebiet der Ukraine zu akzeptieren.
Nach dem jüngsten Ukraine-Treffen in Washington unterstrich die russische Regierung ihre Position. Die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau, Maria Sacharowa, sagte: "Wir bekräftigen unsere mehrfach zum Ausdruck gebrachte Position, alle Szenarien, die die Entstehung eines Militärkontingents in der Ukraine unter Beteiligung von NATO-Staaten vorsehen, kategorisch abzulehnen." Sie begründete diese Einstellung mit der Möglichkeit "einer unkontrollierten Eskalation des Konflikts", die mit unvorhersehbaren Folgen verbunden wäre.
Der Kreml pocht grundsätzlich darauf, in die Diskussion über Sicherheitsgarantien für die Ukraine eingebunden zu werden. Außenminister Sergej Lawrow nannte Gespräche darüber ohne die Beteiligung Russlands einen "Weg ins Nirgendwo". Zugleich sagte er: "Wir sind dafür, dass diese Garantien wirklich verlässlich sind."
Auch innenpolitisch dürfte es für die Europäer schwer werden, eine Friedensmission in der Ukraine durchzubekommen. In Deutschland ist bereits eine Debatte darüber entbrannt, wobei vor allem die Opposition einen Einsatz deutscher Truppen ablehnt.
Was könnte eine Alternative sein?
Linken-Chef Jan van Aken, der sich kategorisch gegen einen NATO-Einsatz in der Ukraine ausgesprochen hat, brachte stattdessen eine UN-Blauhelmmission ins Gespräch. Er sprach von einer möglichen Beobachtermission im Umfang von 30.000 bis 40.000 Soldaten. Wichtig dabei wäre seiner Ansicht nach, dass sich China beteilige, denn russische Soldaten würden nicht auf chinesische schießen.
Für den Einsatz von UN-Truppen in der Ukraine wäre ein UN-Mandat notwendig, das von allen - oder zumindest von einer großen Mehrheit - der Mitglieder getragen wird. Bislang steht dieser Vorschlag jedoch nicht zur breiten Debatte.
Mit Informationen von dpa, AFP, Reuters
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke