Auch nach den Gesprächen in Washington bleiben wichtige Fragen ungeklärt, sagt die Politologin Clüver Ashbrook. Die Signale aus Moskau nach dem Treffen bei Trump im Weißen Haus seien nicht wirklich ermutigend.
tagesschau24: US-Präsident Donald Trump vermittelt zwischen der Ukraine und Russland, bleibt aber bei den gestern zunächst in Aussicht gestellten Sicherheitsgarantien für die Ukraine und beim Thema Waffenstillstand vage. Warum?
Cathryn Clüver Ashbrook: Im besten Fall ist das der Beginn eines Prozesses. Aber Tatsache ist auch, dass die amerikanische diplomatische Ebene genau diese Fragen noch nicht gelöst hat. In der Pressekonferenz wurde immer darauf verwiesen, es sei Joe Bidens Krieg, was natürlich nicht stimmt.
Trump hat immer wieder unterstrichen, dass sein eigentlicher Deal mit der Ukraine, also Sicherheitsgarantien, nur käuflich sei - etwa in dem die Ukraine mehr Waffen in den USA kauft. Das war der erste Pfeiler, den er quasi eingezogen hat.
In allen anderen Dingen hält er sich bedeckt. Wenn wir zusätzlich in Betracht ziehen, dass wir eben nicht genau wissen, was beim Treffen mit Putin in Alaska schlussendlich besprochen wurde, ein Beispiel sind etwaige Wirtschaftshilfen für die Russische Föderation, dann bleibt das deutliche Gefühl: Hier wird nicht, jedenfalls nicht öffentlich, mit offenen Karten gespielt.

Moskauer Lesart wohl eine andere
tagesschau24: Trump hat nun ein Treffen zwischen dem russischen Staatschef Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Aussicht gestellt. Zu einem späteren Zeitpunkt solle er selbst dann an einem Dreiergipfel teilnehmen. Ein ambitioniertes Format. Wie stehen aus Ihrer Sicht die Chancen, dass alle drei am Ende tatsächlich gemeinsam an einem Tisch sitzen und dann auch diplomatisch und logistisch alles funktioniert?
Clüver Ashbrook: Bislang sind die ersten Anzeichen für ein solches Vorgehen, besonders mit der vorgegeben Taktung, nicht besonders gut. Nach dem Gespräch mit Putin war die Lesart in Moskau, dass es in der Tat ein "ehrliches Gespräch" gewesen sein soll. Das heißt im diplomatischen Sinne, dass es dort große Meinungsverschiedenheiten gegeben hat. Auch hört man zumindest aus Moskauer Kreisen, dass es erstmal um ein Delegationsgespräch gehen soll. Es würden also nicht gleich beide Staatschefs an einem Tisch sitzen. Und das ist doch eine deutlich andere Lesart als das, was gestern der Weltpresse verkündet worden ist.
Ich glaube, der Teufel steckt hier wieder in den Details. Wir haben nach wie vor keine Antwort auf die Frage, zu welchen Konzessionen und Zugeständnissen der russische Staatschef bereit ist. Ebensowenig kennen wir die Bedingungen der Europäer, etwa wenn es um Sanktionen geht oder die Frage, inwiefern weiterhin Finanzen von den Russen zurückgehalten werden. All diese Dinge sind völlig ungeklärt. Russland müsste weiterhin erst einmal an einen Verhandlungstisch gebracht werden und dazu auch einiges mitbringen. So weit sind wir in keiner Weise.
Es wird ein neuer diplomatischer Tisch gedeckt
tagesschau24: Wie bewerten Sie dann die Entwicklungen der letzten 24 Stunden? Wie stehen die Chancen auf eine Waffenruhe?
Clüver Ashbrook: Die Waffenruhe steht noch mal auf einem ganz anderen Blatt. Es war auch eine diplomatische Orchestrierung, den deutschen Bundeskanzler über Waffenruhe reden zu lassen, oder die EU-Kommissionspräsidentin über die aus der Ukraine verschleppten Kinder. Das war in der Tat geplant, sodass Selenskyj es nicht tun musste.
In der anschließenden Pressekonferenz mit der eigenen Presse hat Trump die Waffenruhe als allererste Basis für Verhandlungen nicht mehr in den Mund genommen.
Hier wird in der Tat ein neuer diplomatischer Tisch gedeckt, wo man mit unterschiedlichen Optionen spielen können müsste. Aber es wird signalisiert, dass es in all diesen Bereichen eine Gesprächsbereitschaft der Ukrainer gibt, und das ist besonders wichtig. Es lässt Selenskyj in der Tat als Staatsmann dastehen.
Und das in dieser Situation, in der eben auch die moralische Rolle der Ukraine eine wichtige ist - auch, damit die Ukraine weiter von den Europäern unterstützt wird. Dennoch müsste es jetzt in der Tat sehr, sehr schnell gehen und es müssten von beiden Seiten Angebote kommen, und das hören wir aus Moskau jedenfalls weiterhin mitnichten. Eher umgekehrt, die Ukraine wird und wurde in den vergangenen 48 Stunden weiterhin aggressiv angegriffen. Moskau ist nun das Zünglein an der Waage. Und da sind die Signale weiterhin nicht besonders rosig.

"Teufel steckt in den Details", Cathryn Clüver Ashbrook, Bertelsmann Stiftung, Expertin für US-Politik, zum Ukraine-Treffen
tagesschau24, 19.08.2025 09:00 Uhrtagesschau24: Und wie bewerten Sie den Einfluss europäischer Stimmen wie der von Bundeskanzler Merz oder Frankreichs Präsident Macron auf die Haltung von US-Präsident Trump?
Clüver Ashbrook: Ich glaube, es war wichtig, diese Phalanx der Geschlossenheit zu demonstrieren. In diesem Sinn war es in der Tat ein historischer Gipfel. Eine Zusammenkunft von Staats- und Regierungschefs in dieser Ballung haben wir faktisch seit dem Irakkrieg so nicht mehr gesehen.
Das zeigt noch mal, wie dringlich diese Situation und eine Antwort auf die Frage ist, wie geeint der Westen noch ist und ob Amerika weiterhin die Ankermacht der westlichen Welt spielt. Wenn die USA mit diesen Tatsachen und den Realitäten spielen, die nach dem Zweiten Weltkrieg mehr als inzwischen 80 Jahre die internationalen Institutionen und das Völkerrecht bestimmt haben, dann stellen sich hier viel größere Fragen.
Das geeinte Bild der europäischen Staats- und Regierungschefs mit US-Präsident Trump in der Mitte, die Dankesbekundungen der Europäer - all das ist zwar ein wichtiges Signal. Aber sie müssen weiterhin den Druck hochhalten. Sie müssen den Einfluss auf Trump weiterhin hochhalten. Und sie müssen vor allen Dingen auch zeigen, dass es unterschiedliche Arten gäbe, die sie auch der Russischen Föderation anbieten, um Vertrauen zu schaffen. Auch dafür diente das Gespräch. Die Russen aber umgekehrt, müssen auf diese Angebote eingehen, denn sonst sind wir weiter in der Pattsituation, in der wir uns jetzt taktisch auf dem Kriegsfeld befinden.
Das Interview führte Damla Hekimoğlu für tagesschau24. Für die schriftliche Fassung wurde es leicht angepasst.
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