Julia Kastein und Sebastian Hesse sind gerade erst aus den USA zurück beim MDR – nach insgesamt elf Jahren Korrespondentenleben dort, von 2000 bis 2005 und dann seit 2019. Hier berichten sie von ihren Erfahrungen.

  • Wie würdet ihr die aktuelle Lage in den USA erklären?
  • Trump trifft Putin jetzt in Alaska: Hat Trump eine Strategie dafür?
  • Kommt er in den USA weiter gut an oder gibt es auch Enttäuschung?

MDR AKTUELL: Wie würdet ihr die Lage in den USA für jemanden, der sich schon länger nicht mehr damit beschäftigt hat, erklären?

Julia Kastein: Mir fällt eine kleine Anekdote ein von unserem letzten Urlaub in den USA ein. Da waren wir im Südwesten unterwegs, im National Park. Das ist ein sehr schöner National Park. Dort fahren auch viele Deutsche hin, wie wir gemerkt haben.

MDR AKTUELL-Journalistin Julia KasteinBildrechte: MDR/Karsten Möbius

Auf dem Parkplatz hatten wir etwas Mühe beim Parken und haben, wie das so üblich ist, natürlich den Nachbarn gefragt, ein älterer Amerikaner. Der kam dann auch gleich und hat uns geholfen. Und dann hat er gefragt, wo wir denn her sind. Aus Deutschland, haben wir geantwortet. Er sagte dann: "I've got a problem with that guy Merz". Aha, er hat ein Problem mit diesem Merz, also mit dem damals frisch gewählten Kanzler.

Das wollte er dann gar nicht weiter ausführen, er hat uns geholfen und ist sofort verschwunden. Da habe ich gemerkt, ups, hier ist wirklich was anders. Die Hilfsbereitschaft, die ist noch da. Es wird einem geholfen. Aber sobald man sich sozusagen outet, woher man kommt, wird man in eine bestimmte Ecke gestellt, und dann ist Gesprächsende. Das war früher nicht so. Früher wurde trotzdem geredet, auch wenn man unterschiedlicher Meinung war. Ich glaube, das ist für mich die größte Veränderung in den USA.

Sebastian Hesse: Ich möchte noch eine Anekdote ergänzen. Ich hatte das Vergnügen, einen runden Geburtstag zu feiern vor zwei Jahren in den USA. Ich hatte abends Gäste eingeladen, und eine sehr gute Freundin hat gefragt, ob sie jemanden mitbringen kann, den ich nicht kannte. Ich hab gesagt, na klar, kannst du.

MDR-AKTUELL-Journalist Sebastian HesseBildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Diese Person kam und fing nach kurzer Zeit an, Verschwörungstheorien aufzutischen über den Sturm auf das Kapitol und andere Dinge. Meine allerbesten und ältesten Freunde in den USA wollten deshalb aufstehen und gehen. Sie sagten, das hören wir uns nicht länger an, diese demokratiefeindlichen und zersetzenden Bemerkungen. Da musste ich diese Person vor die Tür setzen, um den Frieden wieder herzustellen.

Das erzähle ich deshalb, weil es zeigt, dass, selbst wenn man als Deutscher in den USA nur temporär lebt, dieser viel beschworene Riss durch die Gesellschaft auch im eigenen Privatleben stattfinden kann. Das war, als wir im Jahr 2000 zum ersten Mal angefangen haben, dort zu arbeiten, noch ein völlig anderes gesellschaftliches Klima.

In Alaska soll ein Gespräch zwischen Trump und Putin stattfinden. Die beiden wollen über den russischen Ukraine-Krieg sprechen, in einem US-Bundesstaat, der früher zu Russland gehört hat. Wie deutet ihr diesen Treffpunkt?

Kastein: Ich glaube, das hat tatsächlich mehr mit Putin zu tun als mit Trump in dem Fall. Man könnte jetzt sagen, das ist ungefähr gleich weit für beide. Es ist eben dieser Bundesstaat an der Beringstraße, da sind beide rund acht bis neun Stunden unterwegs, um sich zu treffen. Aber es ist wohl so, dass der russische Präsident sich Sorgen gemacht hat, wenn er einen anderen Ort wählt, beispielsweise die Türkei, die sich ja auch immer wieder angeboten hat für solche Treffen, dann müsste er über das Schwarze Meer fliegen. Da hätte er Sorge, dass man ihn vielleicht abfangen könnte, weil er in vielen Staaten eigentlich angeklagt werden soll, denn es gibt einen internationalen Haftbefehl gegen ihn.

Was meint ihr, welches Ziel verfolgt Trump mit diesem Treffen? Hat er eine Strategie im Gepäck?

Hesse: Ich glaube, was ihn vor allen Dingen treibt, ist seine eigene Eitelkeit. Das ist ein Mann, dem immer wieder Narzissmus attestiert wird. Wohl auch zu Recht, weil viele seiner Verhaltensmuster darauf hindeuten. Nach meinen persönlichen Empfindungen, meiner Interpretation, hat der Mann, der ja auch keine großen Summen mehr verdienen muss, vor allen Dingen ein Ziel vor Augen: Er will einen Geschichtsbucheintrag. Er will als der größte Präsident aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingehen.

Daher auch dieses geradezu Obsessive, bei dem er immer wieder einklagt, er habe doch den Friedensnobelpreis längst verdient, wegen der Abraham-Accords im Nahen Osten und anderer Friedensstiftungen im Kongo oder Südsudan. Ich glaube, dass er wirklich gerne im Wikipedia-Eintrag stehen hätte, er sei derjenige, der den Ukraine-Konflikt befriedet hat. Das ist gar kein altruistisches Motiv, sondern eher ein persönliches, ein narzisstisches Motiv, und ich glaube, dass er das zumindest auf der Ebene ernst nimmt und willens ist, hier einen Durchbruch zu erzielen.

Kastein: Aber ich glaube, ihm ist gleichzeitig mittlerweile auch klar geworden, dass es nicht so einfach wird, und dass es möglicherweise auch darum gehen könnte, sich erhobenen Hauptes aus dieser Affäre zurückzuziehen. Ich fand interessant, dass er in den letzten Tagen selbst die Erwartungen gedämpft hat. Er hat bei einer langen Pressekonferenz in Washington nochmal gesagt, es ging ja erstmal darum zu sondieren. Am nächsten Tag ließ er über seine Regierungssprecherin nachlegen, dass es jetzt einfach mal darum nur ginge zuzuhören, und dass man nicht allzu viel an tatsächlichen Ergebnissen erwarten sollte.

Es kann auch sein, dass er dann auftrumpfen kann, wenn etwas dabei rumkommt, weil die Erwartungen entsprechend niedrig sind. Oder aber tatsächlich erhobenen Hauptes irgendwann zu sagen: Wisst ihr was? Wenn ihr gar nicht zu einem Frieden kommen wollt, dann sind wir als Amerikaner hier raus.

Ihr habt schon die erste Amtszeit von Donald Trump beobachten können und vor Ort miterlebt. Wenn ihr heute mit damals vergleicht: Was ist anders geworden im Ton, in den Themen und in der Art, wie er regiert?

Kastein: Er ist im Ton und in seiner Art über weite Strecken von Rache getrieben. Das ist mein Eindruck. Er nimmt vieles sehr lange sehr übel. Das merkt man am Feldzug gegen die Universitäten. Der ist nicht nur ideologisch, sondern das ist auch ein Feldzug gegen eine Elite, die ihn abgelehnt hat, und denen würgt er eins rein. Das macht er mit Lust und Wonne und mit guter Vorbereitung. Das ist ein gewaltiger Unterschied, dass er diesmal seine Agenda besser vorbereitet durchsetzen kann.

Hesse: Ich glaube, es ist ein viel verbreiteter Irrtum, zu glauben, dieser Mann sei nur Wahnsinn und keine Methode. Er hat eine Agenda, und er weiß, was er will. Und vieles scheint irrational. Morgens entscheidet er dieses, abends gilt das nicht mehr. Vielleicht hat er es inzwischen vergessen. Man kann sich dazu deutsche Satiresendungen angucken, wie Trump da dargestellt wird. Aber ich glaube, das ist ein Zerrbild von diesem Mann.

Wenn man beispielsweise die Zollpolitik nimmt: Das hat absolut Methode. Das ist mit Arbeitskämpfen in der deutschen Industrie zu vergleichen. Wo auch mit einer Maximalforderung in den Arbeitskampf gezogen wird. Sieben Prozent mehr Lohn und Gehalt, und nachher sind 3,5 Prozent ein gutes Ergebnis. So trägt er das in die Politik und irritiert dadurch stark. Das ist teilweise seiner Persönlichkeit geschuldet: tatsächlich irrational, zum Teil hart an der Grenze des Irren.

Aber auf anderen Ebenen dann auch wieder nicht. Er ist ein Demokratieverächter. Nicht, weil er dieses System abschaffen will, sondern weil er es für ineffizient hält und glaubt, die Methodik, mit der er im Geschäftsleben Erfolg hatte, auch in der Politik anwendbar ist. Deshalb befremdet seine Politik sehr, weil er Methoden und Strategien benutzt, die man so nicht kannte.

Kommt Trump bei seinen Anhängern weiter gut an oder gibt es mittlerweile Enttäuschte unter ihnen?

Kastein: Unter seinen Anhängern, würde ich sagen, hat er sehr viel Spielraum und hat noch nicht sehr viel davon in diesen ersten sechs Monaten verspielt. Aber bei den Wechselwählern und bei den unabhängigen Wählern, gibt es mittlerweile einige, die sich überlegen, ist das wirklich das, was ich wollte? Wollte ich wirklich diese Zölle, die in Wirklichkeit bedeuten, dass ich meine Waren für amerikanische Verbraucher teurer machen muss oder selbst mehr hinlegen muss für diese Produkte? Wollte ich wirklich, dass meine Nachbarn, die schon seit Jahrzehnten im Land sind, auf einmal deportiert werden, abgeschoben werden in ihre Heimatländer oder in Hochsicherheitsgefängnisse in El Salvador?

Da merkt man in den Umfragen, dass da langsam ein bisschen Rückhalt verloren geht. Aber das heißt noch lange nicht, dass er jetzt auf einmal ohne seine, in Teilen fast schon fanatische, Basis dastehen würde. So ist das wirklich nicht.

Hesse: Wir kriegen als Korrespondenten immer die Frage gestellt: Wann stehen die Amerikaner endlich auf? Warum gibt es nicht mehr Proteste? Aber da muss man die Rückfrage stellen: Warum sollte es? Dieser Mann ist vor allem wegen zwei Dingen gewählt worden. Erstens, weil man mit der Wirtschaftspolitik von Joe Biden unzufrieden war und der Teuerungsrate in einem Alltagsleben, das kaum mehr bezahlbar war. Das hat sich im Moment noch nicht gedreht. Das Geunke darüber, dass diese Zollpolitik am Ende nur dazu führt, dass die Waren im Walmart doppelt so teuer sind, da sind wir ja noch nicht. Dieser Punkt, wenn der erreicht ist, glaube ich, kippt das auch. Aber da ist noch Vertrauensvorschuss da.

Und das Zweite ist die Migrationspolitik, mit der er punkten konnte. Bei allem sozialen Elend, was an der Grenze entsteht zum Trotz – das ist, was in den Grundzügen dem Mehrheitswunsch der Wähler entsprochen hat. Insofern finde ich es absolut verfrüht, jetzt schon zu sagen, dass das Volk eigentlich aufstehen müsste gegen diesen Irren, der das Land ins Chaos führt. Das entspricht, glaube ich, nicht der Empfindungslage der Mehrheit. Das muss ich wieder betonen, derer im Lande, die diesen Mann wiedergewählt hat – und zwar wohl wissend, wer da kommt.

MDR AKTUELL | Das Gespräch führte Felix Gebhardt.

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