Auf den ersten Blick geht es bei den angedrohten Zöllen um Frieden in der Ukraine. Mit seinen Ölkäufen trage Indien dazu bei, die russische Kriegsmaschine anzufeuern, sagte US-Präsident Trump in einem Interview mit dem US-Wirtschaftssender CNBC. Deshalb müsse Indien aufhören, russisches Öl zu kaufen.

Gerade jetzt Druck auf Indien zu machen, scheint Sinn zu ergeben. In zwei Tagen läuft ein Ultimatum ab, das der US-Präsident Russland gestellt hatte. Sollte Putin sich bis dahin nicht zu einem Waffenstillstand bereit erklären, drohen neue US-Sanktionen.

Mit der Forderung an Indien, kein russisches Öl mehr zu kaufen, setzen die USA vordergründig auch wirtschaftlich Druck auf, den Krieg zu beenden.

Grosser Abnehmer russischen Öls

Indien ist seit Beginn des Ukraine-Krieges vor gut drei Jahren hinter China zum zweitgrössten Abnehmer russischen Öls geworden. Dass Trump Indien gerade jetzt mit dem Zollhammer droht und das Land ultimativ auffordert, kein russisches Öl mehr zu kaufen, könnte aber noch einen ganz anderen Hintergrund haben.

Legende: Im Februar hatte Indiens Premier Narendra Modi Trump im Washington besucht. Reuters/Kevin Lamarque

Es gehe Trump vor allem um Handel, vermutet nicht nur der indische Handelsökonom Biswajit Dhar. Indien und die USA verhandeln seit Monaten über ein Handelsabkommen. Doch dieses kommt seit Monaten nicht voran. Unter anderem weigert sich Indien, seinen sensiblen Agrarmarkt für US-Produkte zu öffnen.

«Indien und China kaufen zusammen rund 80 Prozent des russischen Öls. Sollte Indien darauf verzichten, wird China einfach mehr kaufen.
Autor: Alexander Gabuew Chef der Denkfrabrik Carnegie Russia Eurasia Center

Trump gehe es aber offensichtlich auch darum, neue Märkte für US-Öl zu erschliessen. Es überrasche ihn daher nicht, dass Trump gerade jetzt die Daumenschraube ansetze, sagt Biswajit Dhar.

Letzte Woche hatte Trump noch einen Zoll von 25 Prozent auf indische Exporte in die USA angekündigt. Das wäre für Indien wohl noch zu verkraften gewesen, sagt der Ökonom – zumal pharmazeutische Produkte vorerst ausgenommen wären. 

China würde in die Bresche springen

Doch selbst wenn Indien künftig kein russisches Öl mehr kaufen sollte, würde das kaum helfen, Russlands Kriegskasse auszutrocknen, sagt Alexander Gabuew. Er ist Chef der Denkfabrik Carnegie Russia Eurasia Center.

«Indien und China kaufen zusammen rund 80 Prozent des russischen Öls. Sollte Indien darauf verzichten, wird China einfach mehr kaufen», sagt er. Das habe China bereits klargemacht. Und so werde weiterhin genug Geld in Putins Kriegskasse fliessen.

Auch das spricht für die These, dass Trump bei seiner Forderung an Indien vor allem US-Handelsinteressen im Sinn hat. Und ebenfalls dafür spricht, dass Trump inzwischen auch die Höhe der Strafabgabe an Indien bekanntgab: plus 25 Prozent.

Sie sollen in Kraft treten, falls Indien innerhalb der nächsten drei Wochen nicht nachgibt. Dann als würden auf indische Exporte in die USA künftig 50 Prozent Zölle anfallen. In der Tat könnten die zusätzlichen 25 Prozent den Druck deutlich erhöhen, Trump nachzugeben.

Delhi in der Zwickmühle

Indien steckt in der Zwickmühle. Sollte Indien – mit Rücksicht auf die indischen Bauern – bei den Handelsgesprächen nicht einlenken, und die USA zur Strafe ganze 50 Prozent Zoll erheben, werde Indiens Wachstum schwächer ausfallen, erwarten indische Bank-Analysten.

Falls Indien einlenkt und weniger russisches Öl kauft, dürfte das Wachstum ebenfalls leiden. Es ist eine Wahl zwischen Pest und Cholera.

Schon jetzt steht fest: Der Frieden in der Ukraine steht definitiv nicht im Vordergrund beim jüngsten Vorstoss von US-Präsident Trump.

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