Gute Information kann im Krieg überlebenswichtig sein – vor allem für Menschen, die in der Nähe der Frontlinie leben. In der Ukraine haben sich sogenannte Frontzeitungen etabliert. Mehr dazu weiss die Journalistin Daniela Prugger. Sie ist derzeit in Kiew.

SRF News: Was ist unter einer Frontzeitung zu verstehen?

Daniela Prugger: Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 sind praktisch alle Journalistinnen und Journalisten im Land zu Kriegsreportern geworden. Sogenannte Frontzeitungen wurden denn auch nicht speziell geschaffen. Es handelt sich vielmehr um regionale Zeitungen aus Frontnähe oder aus Gebieten, die regelmässig von den Russen beschossen werden.

Zweck der Frontzeitungen ist es, den Zusammenhalt zu stärken.

Gedruckt werden die rund fünfzig Zeitungen meist im Westen der Ukraine. Sie werden dann unter grosser Gefahr zu den Leuten gebracht, die weiterhin in diesen Regionen leben – und zu den Soldaten. Oft wird in den Zeitungen über gefallene Soldaten aus der Region berichtet. Zweck der Frontzeitungen ist es, den Zusammenhalt zu stärken.

Warum erlebt die gedruckte Zeitung gerade an der Front eine Art Revival?

Grundsätzlich ist auch in der Ukraine ein massiver Rückgang an Presseerzeugnissen festzustellen: Während es im Jahr 2008 noch rund 4000 Zeitungen im Land gab, sind es derzeit insgesamt bloss noch knapp 1000. Die Frontzeitungen versucht man deshalb auch mit der Unterstützung westlicher Partner am Leben zu erhalten. 

Ein wichtiges Medium ist auch die öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft. Wie gut ist deren Berichterstattung?

Der öffentliche Rundfunk berichtet online, im TV und im Radio. Er stützt sich auf ein umfangreiches Netz von lokalen Reportern in der Ukraine.

In die Kritik ist vor allem das Fernsehen geraten, weil alle grösseren TV-Sender der Ukraine nach Ausbruch des Krieges zusammengelegt wurden. Die Bevölkerung bekam deshalb am TV bloss noch eine einzige Berichterstattung vorgesetzt – den sogenannten Telemarathon. So sollte der russischen Desinformation entgegengewirkt und die Kräfte gebündelt werden. Doch der Telemarathon wurde zunehmend zu einem Propagandakanal der Regierung. Der öffentliche Rundfunk hat deshalb angekündigt, aus dem Telemarathon austreten zu wollen.

Einige unabhängige Medien mussten den Betrieb einstellen, andere versuchen, neue Finanzierungsquellen zu finden.

Gibt es noch unabhängige Medien in der Ukraine?

Ja – aber der wirtschaftliche Druck auf sie ist immens. So ist etwa der Werbemarkt völlig eingebrochen. Hinzu kommt das Ende der Unterstützung durch USAID, die US-Präsident Donald Trump zu verdanken ist. Einige unabhängige Medien mussten deshalb den Betrieb einstellen, andere versuchen, neue Finanzierungsquellen zu finden. Beispielsweise versucht die NGO Reporter ohne Grenzen, neue Unterstützungsfonds zu schaffen.

Können die unabhängigen Medien die Regierung überhaupt kritisieren?

Das können sie. Das hat sich etwa in den vergangenen Tagen gezeigt, als Präsident Wolodimir Selenski ein höchst umstrittenes Antikorruptionsgesetz zunächst unterschrieb, wenig später aber durch ein aufgebessertes Gesetz ersetzen musste. Da kam sehr viel Kritik von unabhängigen Medien – wie auch von der Zivilgesellschaft. Es kam bekanntlich zu grossen Demonstrationen im ganzen Land. Trotzdem ist der Druck gross, der auf den Journalisten lastet. Auch haben sie beispielsweise keinen Zugang zu Parlamentsdebatten. Doch immer wieder haben Journalisten in den vergangenen Jahren Korruptionsfälle aufgedeckt, in die Behördenmitglieder involviert waren.

Das Gespräch führte Dominik Rolli.

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