In Israel kann Soldaten nach ihrem Tod Sperma entnommen werden, selbst wenn sie dies nicht ausdrücklich gewünscht hatten. Immer mehr Hinterbliebene nutzen die Möglichkeit - vor allem die Eltern der Gefallenen.

Eran Altmann öffnet einen Container. Dichter weißer Dampf steigt auf, der sich nur langsam auflöst. Kleine Röhrchen voller Sperma sind zu sehen, tiefgekühlt in flüssigem Stickstoff bei fast minus 200 Grad. In den meisten Röhrchen ist inzwischen das Sperma toter Soldaten aus dem Gazakrieg.

Es begann nur wenige Tage nach der Terrorattacke der Hamas am 7. Oktober 2023, erinnert sich Altmann: "Ich habe damals Dutzende Anrufe von Freunden getöteter Soldaten bekommen, auch von normalen Bürgern. Sie wollten meine Hilfe."

Sie seien nicht darauf vorbereitet gewesen aber hätten sofort mit der Arbeit begonnen. "Ohne richtig zu überlegen, was wir da eigentlich machen. Uns bleibt ja immer nur sehr wenig Zeit, das Sperma nach dem Tod zu entnehmen", sagt Altmann. 24 Stunden, vielleicht 48 Stunden, danach werde es kritisch.

Seit Kriegsbeginn muss Eran Altmann toten Soldaten oft die Spermien entnehmen. Es ist der Wunsch der Familienangehörigen.

Ein Gesetz schafft neue Möglichkeiten

Altmann ist Reproduktionsmediziner am Rabin Medical Center in Petah Tikva bei Tel Aviv. Seit Kriegsbeginn muss er toten Soldaten sehr oft die Spermien entnehmen. Es ist der Wunsch der Familienangehörigen, meist der Eltern der noch jungen toten Soldaten.

Israels Reproduktionsmedizin ist seit vielen Jahren hochangesehen. Nun hat der Gaza Krieg eine völlig neue Entwicklung in dem Sektor möglich gemacht. Getötete Soldaten können nach ihrem Tod Kinder in die Welt setzen, sogar wenn sie dies vor ihrem Tod gar nicht ausdrücklich befürwortet hatten. Neue Gesetze machen es möglich.

Neu rekrutierte Soldaten unterschreiben, wenn sie wollen, dass ihrem Körper nach ihrem Tod Sperma entnommen und eingefroren werden darf. Inzwischen entscheiden aber auch Angehörige. Dies war vor Kriegsbeginn nicht möglich.

Die Eltern von Rom Hecht entschieden sich sofort für eine posthume Samenentnahme. Sie wünschen sich eine Enkelkind.

"Besser können wir nicht an ihn erinnern"

Auch Saar Hecht hatte diesen Wunsch nach dem Tod seines Sohnes Rom: "Ich weiß, es war sein Wunsch. Und es ist der Wunsch der Familie. Und ich weiß auch, es ist der Wunsch unserer Nation, Leben zu geben. Dass der Stammbaum fortgeführt wird. Besser können wir nicht an ihn erinnern."

Rom Hecht war Mitglied einer Einheit, die andere Soldaten in einer kritischen Lage retten sollte. Der 20-Jährige geriet im Gazastreifen in einen Hinterhalt. Rom Hecht und acht weitere Soldaten wurden im Dezember 2023 getötet.

Sein Vater traf sofort die Entscheidung, die Spermien entnehmen zu lassen. "Ich habe nicht gezögert. Für mich war das absolut klar. Ich hätte nie gezögert", erzählt Hecht.

Rom Hechts Vater Saar und seine Frau Raheli beginnen nun mit der Suche nach einer Mutter für ihr Enkelkind.

In Deutschland verboten

In weit mehr als 200 Fällen haben Angehörige der Armee inzwischen die Erlaubnis erteilt, die Spermien posthum zu entnehmen. Die Rechtslage in Israel erlaubt dies.

In Deutschland, aber auch in Frankreich oder Italien ist es dagegen verboten. Andere EU-Staaten wie Spanien oder Belgien erlauben die Entnahme nach dem Tod, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten zustimmte.

Suche nach einer Mutter

Für Saar Hecht und seine Frau Raheli beginnt nun die Zeit, wo sie sich nach einer potentiellen Mutter ihres Enkelkindes umsehen müssen. "Sie muss eine gute Beziehung zu uns haben. Ich denke, es ist ein Win-Win-Situation. Sie wird das Baby austragen, die Mutter sein. Und dieses Baby wird Großeltern haben. Wir werden dieses Projekt von Anfang an unterstützen", sagt Saar Hecht.

Seine Frau Raheli Hecht freut sich trotz aller Trauer auf das Kind ihres toten Sohnes. Aber seltsam erscheint es ihr schon, quasi die eigene Schwiegertochter auswählen zu müssen. "Ja, das wird mental nicht einfach, wenn ich daran denke. Aber ich vertraue da meinem Mann Saar. Er wird für uns schon die richtige Frau auswählen", meint sie und lacht.

Juristisch beginnen dann auch in Israel die Probleme. Denn die künstliche Befruchtung muss in diesem Fall noch immer vor Gericht erstritten werden. Dabei müssen die Angehörigen beweisen, dass die verstorbene Person ein Kind gewollt hat.

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