Für die EU hätte es im Zollstreit noch schlimmer kommen können, sagt US-Expertin von Daniels im Interview. Aber Trump nutze Zölle auch als politischen Hebel. Deshalb befürchtet sie weiteren Streit im Herbst.
tagesschau24: Frau von Daniels, zunächst wollte US-Präsident Trump Zölle in Höhe von 30 Prozent für die EU verhängen, dann einigte man sich auf 15 Prozent. Jetzt wurde das Inkrafttreten verschoben. Führt Donald Trump die EU an der Nase herum?
Laura von Daniels: Der EU geht es da nicht anders als anderen Handelspartnern der USA. Es ist schwer zu verstehen, woher diese Verzögerung jetzt kommt. Es kann mindestens zwei Ursachen haben: Einerseits ist es für Trump tatsächlich schwierig, all diese ad hoc angekündigten Zölle auch umzusetzen und seine Verwaltung dazu zu bringen, dass sie das umsetzen. Und der zweite Grund könnte sein: Immer wenn es diese Verunsicherung gibt, dann macht es das für die Handelspartner schwerer. Und vielleicht sind die dann bereit, doch noch mehr Zugeständnisse zu machen. Es ist also auch Teil der Verhandlungstaktik von Donald Trump.

"Größerer Schaden kurzfristig abgewendet"
tagesschau24: Welches Risiko ist denn die EU mit dem aktuellen Deal eingegangen? Was bedeutet das für die deutsche Wirtschaft konkret - für den Mittelstand, die Industrie, für unsere Exportmärkte?
von Daniels: Man kann schon sagen, dass kurzfristig zumindest erstmal größerer Schaden abgewendet wurde. Es hätte deutlich schlimmer ausgehen können. Gerade die Automobilindustrie war in den Fokus geraten, aber auch die Pharmaindustrie, die für den Exportsektor in Deutschland sehr wichtig ist. Befürchtet wird aber, dass es im Herbst noch mal eine weitere Runde von Zöllen geben kann.
Das sind natürlich trotzdem Zugeständnisse, die man da gemacht hat, auch Investitionszusagen an die Vereinigten Staaten. Das ist kein hervorragendes Ergebnis - aber unterm Strich für die jetzige Phase dieses Zollkonflikts ein Ergebnis, mit dem man weiterarbeiten kann.
Zölle als Verhandlungshebel
tagesschau24: Die USA sagen, dass sie sich noch weitere Maßnahmen offen lassen. Kanada ist eines der am stärksten belasteten Länder - mit der US-Begründung, sie hätten beim Kampf gegen Fentanylschmuggel nicht kooperiert. Ist das dann vielleicht auch ein indirektes Signal an die EU? Wer sich nicht an die US-Forderungen hält, muss mit wirtschaftlichen Konsequenzen rechnen?
von Daniels: Teilweise ist das ja sogar sehr direkt, wie Trump die Handelspolitik mit anderen politischen Feldern verbindet. Auch in der Außenpolitik und Sicherheitspolitik stellt er immer wieder Forderungen an andere Länder und und setzt als Verhandlungshebel Zölle ein - zum Beispiel jetzt auch gegenüber Russland. Russland hat er einen Zoll von 100 Prozent angedroht, wenn es nicht bald zu einem Waffenstillstandsabkommen mit der Ukraine käme.
Das macht das Verhandeln nicht einfacher. Vielen Ländern geht es tatsächlich aktuell noch viel schlechter als den EU-Staaten. Nimmt man außer Kanada und Mexiko etwa Brasilien: Auch da hat Trump konkrete politische Forderungen mit einem Maximalzoll von 50 Prozent verbunden. Wenn man solche Situationen verhindern kann und abwenden kann, hat man schon viel erreicht - zumindest kurzfristig.
Wie kann die EU reagieren?
tagesschau24: In Ihren Analysen betonen Sie ja die außenpolitische Souveränität Europas. Welche politischen oder auch juristischen Hebel hätte die EU gegenüber Washington, sollte Trump die Zölle nochmals erhöhen? Ohne dabei auch die transatlantischen Beziehungen endgültig zu gefährden?
von Daniels: Es kann durchaus passieren, dass es zu weiteren Zöllen kommt, dass da auch andere Gesetze in den USA greifen. Trump kann nicht nur Notstandszölle wie jetzt gegen die EU nutzen, sondern auch noch weitere Zollinstrumente - und das Verbinden mit politischen Zielen, die er von uns abverlangt. Trump und seine Regierung haben wiederholt gesagt, dass ihnen die Regulierungsstandards im Digitalbereich auch bei der öffentlichen freien Meinungsäußerung in der EU nicht in den Kram passen.
Oder wenn es nochmal zu einer Situation kommt, in der Trump das Völkerrecht infrage stellt - wie beim Beispiel Grönland. Dann sollte die EU tatsächlich schauen, dass sie die Instrumente nutzt, die sie hat. Das schärfste Schwert in der Handelspolitik, in der Wirtschaftspolitik, ist das Anti-Zwangsinstrument der EU. Das gibt ihr sehr weiten Handlungsspielraum, um Maßnahmen gegenüber den USA zu erheben. Aber das ist ein Instrument, das man mit Bedacht benutzen muss, wo man sich auch sicher sein muss, dass die anderen europäischen Länder mitziehen.
"Sehr sicher sein, warum man es einsetzt"
tagesschau24: Was würde dieses Instrument beinhalten?
von Daniels: Das kann sehr vielfältige Maßnahmen auslösen. Es kann von Zöllen reichen bis hin zu Digitalsteuern, also Besteuerung digitaler Dienstleistungen von US-Unternehmen in der EU. Das kann auch zum Beispiel ein Werbeverbot auf Onlineplattformen wie Facebook und Instagram bedeuten. In der EU dürften dann diese Unternehmen keine Werbung mehr schalten. Das kann noch weiter gehen. Man kann Banklizenzen entziehen, man kann den Visa-Status von einzelnen Personen infrage stellen.
Aber noch mal: Das ist ein Instrument der Abschreckung, so war es gedacht. Es soll auch dazu dienen, Stärke zu zeigen. Aber man muss sich schon sehr sicher sein, warum man es einsetzt. Und ob der Zweck den Einsatz dieses Mittels tatsächlich rechtfertigt oder ob es andere Wege gäbe, ein besseres Verhandlungsergebnis mit Trump oder anderen zu erreichen.
Das Interview führte Damla Hekimoğlu für tagesschau24. Für die schriftliche Fassung wurde es leicht angepasst.
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