Für ChatGPT, Gemini und andere große Systeme künstlicher Intelligenz gelten in Europa ab heute strengere Regeln. Worum geht es - und welche praktischen Auswirkungen hat das?

Viele Autoren, Künstler, Video- oder Musikproduzenten beklagen, dass Systeme künstlicher Intelligenz zuerst mit ihren Werken "gefüttert" wurden und diese künstliche Intelligenz (KI) ihnen dann Konkurrenz macht, etwa mit schnell generierten Artikeln, Illustrationen, Musik oder Videos.

Neue KI-Verordnung der EU tritt in Kraft

tagesschau, 02.08.2025 10:20 Uhr

Neue europäische KI-Vorschriften sollen dieses Problem ab heute angehen: Laut der Erweiterung des EU-Regelwerks müssen Anbieter großer leistungsfähiger KI-Modelle künftig offenlegen, welche Websites sie nutzen, um auf urheberrechtlich geschützte Werke zuzugreifen.

"Das würde dann einen Unterschied machen, wenn Anbieter wirklich zugeben, dass sie beispielsweise in großem Stil Schattendatenbanken genutzt haben - also solche Datenbanken, die Illegal urheberrechtlich geschützte Werke hosten", sagt Philipp Hacker, Rechtswissenschaftler an der Europa-Universität Viadrina. Dass sie dies freiwillig täten, sei aber nicht sehr wahrscheinlich.

EU-Regeln sollen Klagen vorbeugen

Ein aktuelles Gerichtsurteil in den USA zeigt, was möglich ist: Drei Autorinnen und Autoren hatten gegen das KI-Unternehmen Anthropic geklagt. Für das Training seines Sprachmodells Claude seien unerlaubt Versionen ihrer Bücher verwendet worden, so der Vorwurf. Das Gericht gab ihnen Recht.

Die Höhe des zu zahlenden Schadenersatzes ist noch nicht festgelegt, könnte aber, so Jurist Hacker, bis in den dreistelligen Milliardenbereich gehen. "Das heißt, solche Klagen könnten jetzt in Europa tendenziell auch stärker eingereicht werden, sie könnten vereinfacht werden."

Die neuen EU-Regeln sollen solchen Streitfällen gewissermaßen vorbeugen: Die Unternehmen werden verpflichtet, standardmäßig nachzuweisen, dass sie ein funktionierendes System haben, um europäisches Urheberrecht zu schützen. 

Das schaffe für Unternehmen außerdem Rechtssicherheit für Innovationen und Investitionen, erklärt EU-Digitalkommissarin Henna Virkkunen: "Wir wissen, dass es in vielen Ländern keine derartigen Regeln gibt." Doch die EU gehe nun einen anderen Weg: "Wir geben den Entwicklern klare Vorstellungen, was wir erwarten, und so können wir die Prozesse auch vereinfachen."

Strengere Sicherheitsvorkehrungen

Bereits seit Februar ist nach dem KI-Gesetz der Einsatz von Gesichtserkennung im öffentlichen Raum grundsätzlich verboten. Außerdem dürfen KI-Programme nicht für "social scoring" genutzt werden, also um Menschen nach ihrem sozialen Verhalten zu bewerten. 

Jetzt kommen weitere Regeln für große KI-Modelle (GPAI) hinzu, die für viele andere Anwendungen die Grundlage bieten, etwa GPT-4 von der Firma OpenAI, Llama von Meta oder Claude 4 von Antrophic. Sie sollen in Europa zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen treffen, so Hacker.

"Da müssen Experten eine Art Stresstest machen und untersuchen, wie viel Schaden diese Modelle anrichten können", erklärt der Rechtswissenschaftler. Unternehmen sollten entsprechend darstellen, wie sie Missbrauch vorbeugen, indem sie technische Schutzmaßnahmen ergreifen.

 

USA setzen auf Deregulierung

Der Weg zur Umsetzung der neuen Standards ist komplex: Die EU-Kommission hat mit Unterstützung aus der Wissenschaft einen "code of practice" entwickelt, der den Unternehmen Leitlinien gibt, wie man die Regeln praxistauglich macht.

Wer diese Regeln einhält, bekommt weniger Rechenschaftspflichten. Doch viele der großen US-amerikanischen KI-Unternehmen werden werden das wohl nicht freiwillig tun: Meta AI etwa hat dies schon abgelehnt.

Denn die EU und die USA gehen zunehmend gegenläufige Wege: Kurz nach seinem Amtsantritt hatte US-Präsident Donald Trump die Vorgaben seines Vorgängers Joe Biden zur KI-Regulierung aufgehoben.

Und in seinem jüngst vorgestellten KI-Plan setzt Trump vollends auf Deregulierung. US-Bundesstaaten mit strengen KI-Vorgaben etwa sollen keine Bundesmittel mehr erhalten. Auf die Weise soll sichergestellt werden, dass die USA das größte und schnellste KI-Ökosystem der Welt entwickelten, erklärte Trump.

Was, wenn die Regeln ignoriert werden?

Am Ende gilt: Wer auf dem europäischen Markt mit seinen 450 Millionen Bürgern dabei sein will, für den gelten die neuen Bestimmungen des KI-Gesetzes von heute an. Wer die Leitlinien ablehnt, muss bald auf andere Weise sicherstellen, dass er die Regeln einhält. 

In einem Jahr kann die EU-Kommission andernfalls auch Sanktionen wie Bußgelder verhängen, so Philipp Hacker: "Die Durchsetzungsbefugnisse der Kommission treten erst im August 2026 in Kraft."

Innerhalb dieses einen Jahres könnten aber durch Regelverletzungen geschädigte Bürgerinnen und Bürger durchaus schon klagen. Auch Konkurrenten können klagen, wenn sie sich unfairem Wettbewerb ausgesetzt sehen, weil sie sich an EU-Regeln halten und andere nicht.

Insgesamt sind die neuen Vorschriften ein weiterer Schritt der Europäischen Union auf dem angekündigten Pfad zur Regulierung von künstlicher Intelligenz.

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