Laut Außenminister Wadephul befindet sich Israel in einer entscheidenden Phase. Die Regierung Netanjahu müsse den Weg für Hilfsgüter nach Gaza freimachen - und sich gegen Vertreibung und Annexion positionieren.

Aus Sicht des Bundesaußenministers Johann Wadephul (CDU) läuft Israel Gefahr, international isoliert zu werden. "Ich sehe es als Deutschlands Aufgabe an, alles dafür zu tun, das zu verhindern", sagte er beim Besuch in Jerusalem unter Verweis auf eine "nie endende historische Verpflichtung" für Israels Sicherheit. Es bestehe die Gefahr, dass sich eine Kluft zwischen der Europäischen Union und Israel auftue. Auch mit dem Ziel, das zu verhindern, sei Wadephul nach Israel gereist. Deutschland müsse sich in dieser entscheidenden Phase positionieren.

Er sei nach Israel gereist, um "über die dramatische Lage zu sprechen, aus der wir gemeinsam einen Ausweg finden wollen und müssen", so Wadephul. Beide Seiten müssten tätig werden, so der CDU-Politiker. "Hier und heute war es mein Auftrag, der israelischen Seite zu sagen, dass sie jetzt handeln muss und nicht erst irgendwann." Er sagte zudem: "Wir brauchen Klarheit - auch von Israel -, dass keine Politik der Vertreibung und keine Politik der aktiven Annexion betrieben wird."

Nötig sei, dass die verbliebenen Geiseln aus der Gewalt der militant-islamistischen Hamas freigelassen werden. Für dieses Ziel brauche es einen Waffenstillstand im Gazastreifen. "Es ist an der Zeit, diesen Krieg zu beenden." Diese Aufforderung gehe "an allererster Stelle an die Terrororganisation von Hamas", sagte Wadephul.

Israel sei zu Gazahilfe verpflichtet

Die "humanitäre Katastrophe in Gaza" übersteigt nach Darstellung von Wadephul "jede Vorstellung". Er wiederholte seine Forderung, den Landweg für Hilfsgüter in den Küstenstreifen freizugeben. Die deutsche Beteiligung an den Hilfslieferungen aus der Luft sei eine Abwägungsentscheidung gewesen, um die größte Not zu lindern, obwohl man sich Unzulänglichkeiten bewusst sei. Entscheidend sei aber Hilfe über den Landweg.

Israel sei in der Pflicht, "schnell, sicher und ausreichend humanitäre und medizinische Hilfe zuzulassen", so Wadephul in Jerusalem. So könne ein "Massensterben" verhindert werden. "Ich habe den Eindruck, dass das heute verstanden wurde." Er forderte Israel auf, den UN humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Deren Mitarbeiter müssten helfen können, ohne ihr Leben zu riskieren.

Demian von Osten, ARD Berlin, zzt. Jerusalem, zum Besuch von Außenminister Wadephul in Israel

Morgenmagazin, 01.08.2025 05:30 Uhr

Weiterreise ins Westjordanland

Wadephul will seinen zweitägigen Besuch am Freitag im Westjordanland fortsetzen. Geplant ist ein Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah. Bei dem Gespräch dürfte es unter anderem um die wachsende Gewalt israelischer Siedler gegen Palästinenser im Westjordanland und um Überlegungen in Israel gehen, das Gebiet zu annektieren. Die Knesset, das israelische Parlament, hatte jüngst in einer Resolution eine Annexion befürwortet, was international auf Kritik stieß. Auch die Bundesregierung lehnt eine solche Maßnahme strikt ab.

Saar: "Wir lassen uns nicht einschüchtern"

"Wir lassen uns nicht mit Sanktionen einschüchtern, oder davon, einen zukünftigen palästinensischen Staat anzuerkennen", hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung Wadephuls Amtskollegen Gideon Saar kurz vor deren Treffen zitiert. Ein palästinensischer Staat, der heute gegründet werde, wäre "ein dschihadistischer Terrorstaat inmitten unseres Kernlandes", so Saar. Der israelische Außenminister begrüßte die Position der deutschen Regierung. "Deutschland ist das einzige führende Land, das noch rational handelt", sagte er.

Saar kritisierte in dem Gespräch zudem "Elemente einer Doppelmoral" in vielen europäischen Staaten gegenüber seinem Land. "Man hört zum Beispiel nicht viel über die grausame Situation in Sudan oder in Syrien. Aber es gibt hysterische und obsessive antiisraelische Haltungen."

US-Gesandter Witkoff will Gazastreifen besuchen

Auch der US-Sondergesandte Steve Witkoff ist in Israel. Er traf zunächst Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, wie dessen Büro mitteilte. Bei dem Gespräch sollte es nach Medienberichten um die Lage im Gazastreifen, die israelischen Geiseln in der Gewalt der palästinensischen Terrororganisation Hamas sowie um den Iran gehen. 

Witkoff hatte vor etwa einer Woche mitgeteilt, dass die USA ihr Verhandlungsteam aus Katars Hauptstadt Doha zurückrufen. Er begründete das mit einem mangelnden Willen der Hamas, eine Waffenruhe erreichen zu wollen. Die USA fungieren gemeinsam mit Katar und Ägypten als Vermittler zwischen Israel und der Hamas, da die beiden Kriegsparteien nicht direkt miteinander reden. Auch Israel hatte seine Delegation vergangene Woche zurückgerufen. Israelische Medien berichteten, Israel habe Änderungsforderungen der Hamas mit Blick auf einen Vermittlungsvorschlag für eine Waffenruhe zurückgewiesen.

Witkoff und der US-amerikanische Botschafter in Israel, Mike Huckabee, werden den Gazastreifen am Freitag besuchen. Das teilte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, in Washington mit. Sie wollen demnach Verteilungsstellen für Hilfslieferungen inspizieren und einen Plan für weitere Hilfslieferungen ausarbeiten. Zudem gehe es darum, von den Menschen dort "aus erster Hand mehr über die dramatische Lage vor Ort zu erfahren". 

Das israelische Nachrichtenportal ynet hatte berichtet, Witkoff wolle sich ein Bild von dem umstrittenen Verteilungsmechanismus der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) von Hilfsgütern für die Palästinenser machen.

Jan-Christoph Kitzler, ARD Tel Aviv, tagesschau, 31.07.2025 16:00 Uhr

Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke