Der bewaffnete Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha kann Folgen für die gesamte Region haben, sagt der Südostasien-Experte Felix Heiduk. Auch die USA und China könnten hineingezogen werden. Wer kann jetzt mäßigend eingreifen?

tagesschau24: Den Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha gibt es schon sehr lange. Warum hat er sich aus Ihrer Sicht jetzt so schnell so stark verschärft?

Felix Heiduk: Aus meiner Sicht ist das in erster Linie innenpolitischen Veränderungen zuzuschreiben. Auf der einen Seite gibt es in Thailand eine Regierungskrise, die durch den eskalierenden Konflikt mit ausgelöst worden ist und in der sich der Thaksin-Clan und das Militär gegenüberstehen. In Kambodscha wiederum gibt es einen neuen Premierminister, der innenpolitisch Stärke beweisen will. Das vor allem sind die Dynamiken, die diese Eskalation derzeit herbeiführen.

Zur Person Felix Heiduk leitet die Forschungsgruppe Asien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Streit über den Grenzverlauf

tagesschau24: Grob gesagt geht es im Kern um den Verlauf der Grenze zwischen beiden Ländern. Welche Interessen stehen dahinter?

Heiduk: Der Grenzverlauf ist seit mehr als 100 Jahren umstritten, von beiden Seiten. Es geht vor allen Dingen um hinduistische Tempel aus der Khmer-Zeit. Beide Parteien konkurrieren diesbezüglich um territoriale Ansprüche. Kambodscha versucht seit Jahrzehnten, über internationale Gerichte eine Einigung herbeizuführen.

Thailand hat in der Vergangenheit bereits zwei Mal in diesen internationalen Streitschlichtungsverfahren verloren und bevorzugt seitdem bilaterale Verhandlungen. Beide Parteien können sich seit Jahren schon nicht mehr darauf einigen, wie man über diese ungeklärten Grenzverläufe verhandeln will. Und das ist auch Teil des Konfliktes.

tagesschau24: Einige warnen schon vor einem möglichen Krieg. Wie weit kann das Ganze noch eskalieren?

Heiduk: Das ist schwer vorherzusagen. Was man derzeit mit Sicherheit sagen kann, ist, dass es die schwerste Eskalation dieses Konfliktes seit mehr als zehn Jahren ist. Der Einsatz von Kampfjets, von schwerer Artillerie, von Raketenwerfern ist eine neue Eskalationsstufe im Vergleich zum letzten Aufflammen dieses Grenzkonflikts in den Jahren zwischen 2008 und 2011. Aber inwiefern der Konflikt weiter eskalieren kann und wird, kann ich derzeit nicht absehen.

Externe Partner sind gefordert

tagesschau24: Was kann das für die Region bedeuten?

Heiduk: Wenn es zu einer wirklichen kriegerischen Eskalation kommt, kann das auf die gesamte Region Südostasien ausstrahlen und wirtschaftliche Verwerfungen geben. Es kann bedeuten, dass der Tourismussektor nachhaltig beschädigt werden wird, dass auch Großmächte in den Konflikt stärker involviert werden könnten. Thailand ist ja Alliierter des US-Militärs, Kambodscha hat sehr enge Beziehungen zu China.

tagesschau24: Welche Möglichkeiten sehen Sie, das Ganze doch noch zu entschärfen?

Heiduk: In der Vergangenheit ist Entschärfung oder Konfliktmanagement über direkte Eliten-zu-Eliten-Kommunikation verlaufen. Man hat also sprichwörtlich zum Telefonhörer gegriffen und angerufen - und oftmals auch mit Erfolg. So wurde eine Eskalation verhindert.

Das ist im Moment schwierig, weil sich die Eliten, die derzeit in beiden Ländern an der Macht sind, in den vergangenen Wochen und Monaten miteinander überworfen haben. Deswegen sehe ich im Moment vor allen Dingen externe Parteien im Ring, vor allem China und die USA, die mäßigend auf die Konfliktparteien einwirken könnten und potenziell auch werden. Ebenso sehe ich die anderen ASEAN-Staaten, also die südostasiatischen Nachbarn, in der Verantwortung. Soweit ich das vom Berliner Schreibtisch mitbekomme, sind auch schon Gespräche im Gange.

Das Gespräch führte Kathrin Schlaß, tagesschau24. Für die schriftliche Fassung wurde das Interview leicht angepasst.

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