Die syrische Armee und die religiöse Minderheit der Drusen haben sich auf eine neue Waffenruhe geeinigt. Die Armee verlässt die umkämpfte Stadt Suwaida. Künftig sollen die Drusen teils selbst für Sicherheit sorgen.
Nach tagelanger Gewalt gibt es zwischen syrischen Regierungstruppen und der religiösen Minderheit der Drusen erneut eine Waffenruhe: Nach Angaben von Aktivisten zieht sich die Armee aus dem mehrheitlich von Drusen bewohnten Suwaida zurück. Die syrische Regierung und Vertreter der Drusen bestätigten die Vereinbarung.
Die Regierung teilte laut Medienberichten mit, alle militärischen Einsätze sofort einzustellen. Überwachen soll die Waffenruhe ein Ausschuss aus Vertretern der Regierung und der Drusen. Ob die neue Vereinbarung halten wird, ist allerdings fraglich. Bereits am Dienstag war eine Feuerpause angekündigt worden, die aber schnell scheiterte.
Örtliche Polizisten sollen für Ordnung sorgen
Einige weitere Punkte der Waffenruhe listet der Drusen-Scheich Youssef Jarbou auf: "Privathäuser in Suwaida dürfen nicht angegriffen werden - sie müssen vor Vandalismus geschützt werden. In Abstimmung mit der Regierung wird es Schritte zur Abgabe von schweren Waffen geben." Außerdem sollen Sicherheitskräfte des Staates gemeinsam mit Polizisten aus der Stadt selbst für Ordnung sorgen. So solle Vertrauen zwischen den Einwohnern und dem syrischen Staat wiederhergestellt werden.
Auch Syriens Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa will auf Ortskräfte setzen - und verkündete, die Verantwortung für die Sicherheit in Suwaida an örtliche Vertreter zu übergeben. In einer Fernsehansprache erklärte er außerdem, dass die für die Gewalt gegen die religiöse Minderheit der Drusen verantwortlichen Akteure zur Rechenschaft gezogen würden.
Vorangegangen waren Kämpfe zwischen Angehörigen der religiösen Minderheit der Drusen und sunnitischen Beduinen. Die syrische Regierung schickte daraufhin Truppen und andere Sicherheitskräfte in die Region. Sie erklärte, für Stabilität sorgen und Zivilisten schützen zu wollen. Nach Erkenntnissen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte kämpften die Truppen und Sicherheitskräfte aber an der Seite der Beduinen und gegen drusische Milizen.
Aktivisten berichten von Hunderten Toten
Die Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldeten mehr als 350 Tote seit dem Ausbruch der Gewalt. Unabhängig überprüfen lässt sich die Zahl nicht, die Angaben der Beobachtungsstelle gelten in der Regel aber als verlässlich. In drusischen Kreisen wurde am Vortag von insgesamt 250 Toten gesprochen. Die Regierung veröffentlichte seit Montag keine neue Totenzahlen.
Inmitten der Eskalation in Suwaida überquerten Angehörige der Drusen aus Israel die Grenze zu Syrien, um andere Drusen zu unterstützen. Zudem gab es Berichte, dass Drusen aus Syrien versuchen, nach Israel zu gelangen, um dort Schutz zu suchen.
Israel bombardiert Damaskus
Am Mittwoch hatte Israel in den Konflikt im Nachbarland eingegriffen und die Hauptstadt Damaskus bombardiert - unter anderem das Gelände des Verteidigungsministeriums. Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden 15 Angehörige des syrischen Verteidigungs- und Innenministeriums getötet.
Israel sieht sich als Schutzmacht der Drusen und hatte mehrfach deutlich gemacht, dass sie eine Präsenz der syrischen Armee in diesem Teil des Landes nicht dulden werde. Es will eine Eskalation an der eigenen Grenze und auf den Golanhöhen verhindern, die Israel besetzt und annektiert hat. Außerdem sieht Israel Beobachtern zufolge einen potenziellen Verbündeten in den Drusen, um die Ansiedlung von Milizen mit Iran-Unterstützung in der Region zu verhindern.
USA schalten sich ein
Auch die USA schalteten sich in den Konflikt ein: US-Außenminister Marco Rubio hatte mitgeteilt, die USA hätten mit allen Beteiligten des Konflikts gesprochen. Man habe sich auf "konkrete Schritte geeinigt, die dieser beunruhigenden und entsetzlichen Situation" ein Ende setzen sollten. Alle Parteien müssten die von ihnen eingegangenen Verpflichtungen einhalten, schrieb Rubio auf der Plattform X.
Auch UN-Generalsekretär António Guterres hatte sich geäußert und ein Ende der Kämpfe gefordert.
Die noch relativ junge syrische Regierung versucht nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Baschar al-Assad im gesamten Land die Kontrolle zu übernehmen. Die Drusen werfen der islamistischen Regierung in Damaskus vor, gezielt gegen Angehörige ihrer Religionsgemeinschaft vorzugehen - um dem Ziel eines sunnitisch dominierten Syrien näherzukommen und den Drusen ihre Mitsprache zu verwehren.
Mit Informationen von Moritz Behrendt, ARD-Studio Kairo
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