Chaim Shilo lebt in einem Seniorenheim nördlich von Tel Aviv. Der 100-Jährige hat den Holocaust und die Terrorattacke der Hamas auf sein Kibbuz überlebt. Sein größter Wunsch ist es, dorthin zurückzukehren.

Es ist ein langes Leben, auf das Chaim Shilo, den alle nur "Solo" nennen, zurückblickt. 1925 in Leipzig geboren, flüchtete er als elf-jähriger Junge 1936 mit seinen Eltern vor den Nazis nach Palästina, das damals noch von den Briten verwaltet wurde.

Er gründete den Kibbuz Nirim, in dem er sein ganzes langes Leben wohnte. Bis zum 7. Oktober 2023. Die Terrorattacke der Hamas überlebte er wie durch ein Wunder zusammen mit seiner philippinischen Haushaltshilfe im Schutzraum seines Hauses. Zahlreiche seiner Nachbarn wurden getötet oder entführt. Er aber entkam den Terroristen.

Chaim Shilo, in Leipzig geboren, flüchtet 1936 als elf-jähriger Junge mit seinen Eltern vor den Nazis nach Palästina.

Der Schutzraum als Lebensretter

Rund 21 Monate nach dem Hamas-Überfall - besucht Shilo mit seinem Sohn Odet seinen geliebten Kibbuz Nirim. Er will in seinem Haus nach dem Rechten sehen, und seine endgültige Rückkehr vorbereiten. Der erste Weg führt ihn in das Zimmer, das ihm das Leben rettete.

Shilo geht in den Schutzraum, wo er am Tag der Terrorattacke der Hamas 24 Stunden verbrachte. Er öffnet die schwere Eisentür und erinnert sich an den schicksalhaften Tag. "Da war ein Alarm, und wir sind in den Shelter gegangen. Haben die Türe geschlossen, das war unser Glück. Und so sind wir gut durchgekommen."

Fast zwei Jahre ist dieser Tag her. Nun ist er zu einem Besuch zurück in Nirim. Sein Haus in dem kleinen Kibbuz ist voller Erinnerungen. Gediegene handgefertigte Holzmöbel seiner Eltern stehen im Wohnzimmer, Aquarelle seines Bruders hängen an den Wänden, Shilo betrachtet einige Schwarzweißfotos aus seiner Kindheit, die ihn mit seiner Schwester zeigen. Sieben oder acht Jahre alt sei er da gewesen, erzählt er.

Vor mehr als 50 Jahren stellte Shilo der damaligen Staatspräsidentin, Golda Meir, den Kibbuz vor.

Zweifel über die Rückkehr in den Kibbuz

Shilo hat erlebt, wie Israel ein Staat wurde, er war Gründungsmitglied seines Kibbuz. Alte Bilder zeigen ihn wie er vor mehr als 50 Jahren der damaligen Staatspräsidentin Golda Meir bei einem Besuch in Nirim den Kibbuz vorstellt. Nirim war für Shilo ein Leben lang Heimat und Sehnsuchtsort, berichtet er.

Doch die Terrorattacke der Hamas änderte alles. Er musste flüchten. Seither lebt der rüstige 100-Jährige nun in einem Seniorenheim in der Stadt Even Yehuda nördlich von Tel Aviv. Doch sein Kibbuz lässt ihn nicht los. Er will Ende August zurück in sein Haus. Doch Shilo hat auch Zweifel. Denn noch immer ist das Artilleriefeuer zu hören, mit dem der Gazastreifen weiterhin beschossen wird. Shilo hofft auf Israels militärische Stärke.

Es ist Shilos fester Wille, in den Kibbuz zurückzukehren. Doch seine Tochter Rutie hat Bedenken. Nirim ist nur etwas mehr als einen Kilometer vom Grenzzaun zum Gazastreifen entfernt. Sie wünscht sich für die verbleibenden Jahre ihres Vaters ein ruhigeres Zuhause. Sie verstehe den Wunsch ihres Vaters zurückzukehren, erzählt sie im Interview. Aber angesichts der Detonationen sage ihr der Verstand, dass es vielleicht besser wäre, nicht zurückzukehren.

Gemischte Gefühle über die Palästinenser

Trotz seines hohen Alters versteht Shilo die schwierige Situation. Er weiß um die hohe Zahl an Kriegstoten im Gazastreifen, nur wenige Kilometer von seinem Haus entfernt. Ob er Mitleid habe mit den Menschen dort, die noch vor zwei Jahren als Arbeiter auch in Nirim ausgeholfen hätten?

Ja und Nein, sagt er. Sie sind seine Feinde. Aber vor wenigen Jahren seien sie auch Freunde gewesen. Shilo wird nachdenklich. Er erinnert sich daran, wie Palästinenser aus Gaza mit speziellen Arbeitsgenehmigungen auch in seinem Kibbuz gearbeitet hätten. In der Fabrik, im Feld. Sie hätten gepflügt, gepflanzt, gewässert. Sie hätten vieles mit aufgebaut, sagt er nachdenklich.

Eine letzte wichtige Lebensentscheidung

Chaim Shilo, dieser kleine gebückte Mann mit den schlohweißen Haaren, der so viel erlebt hat und der mit 100 Jahren noch so viel Energie besitzt, er muss noch einmal eine - vielleicht letzte - wichtige Entscheidung treffen.

Er scheint sich festgelegt zu haben. "Ich will zurückkommen in meinen Kibbuz. Lebendig oder tot."

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