Seit rund einem Jahr regiert in Südafrika eine Art Große Koalition. Der ANC von Präsident Ramaphosa muss erstmals die Macht teilen - und das sorgt für viele Konflikte, etwa beim Thema Enteignungen von Farmern. Hält das Bündnis?
Mitte Juni 2024 war sie zustande gekommen, die "Regierung der Nationalen Einheit" in Südafrika, auf Englisch "Government of National Unity" genannt, kurz GNU. Vorangegangen war eine krachende Niederlage der langjährigen Regierungspartei African National Congress (ANC), die Südafrika seit 1994 allein regierte.
Doch plötzlich brauchte der ANC mehrere Koalitionspartner. Einer davon war und ist die Democratic Alliance (DA), eine Partei, die von vielen schwarzen Südafrikanern weiterhin als Partei der Weißen bezeichnet wird, als direktes Erbe der Apartheid, des Unrechtsregimes der Rassentrennung - obwohl die DA längst auch von vielen Schwarzen gewählt wird.
Als vor einigen Tagen das einjährige GNU-Bestehen gefeiert wurde, meinten Kenner der politischen Verhältnisse Südafrikas, als größter Erfolg dieser Koalition könnte bejubelt werden, dass sie noch nicht zerbrochen sei. Geknistert im Gebälk habe es nämlich von Anfang an.
Streit zwischen ANC und DA
Da ist zunächst einmal die Landreform. Ein Großteil des südafrikanischen Farmlandes ist immer noch in der Hand von weißen Südafrikanern. Zwar gab es mal einen Versuch, das zu ändern, mit einem sogenannten "Willing Buyer - Willing Seller"-Konzept. Weiße Farmer, die freiwillig verkaufen wollten, bekamen ihr Geld vom südafrikanischen Staat, der gab das Land an schwarze Südafrikaner weiter.
Als das nicht so recht funktionierte, wurden Stimmen lauter, die Enteignungen auch ohne Entschädigung forderten. Dies führte schließlich zu einem Gesetz, das Enteignungen ohne finanzielle Entschädigung erlaubt. Dieses Gesetz wurde vor einigen Jahren vom Parlament verabschiedet, als der ANC noch allein regierte, wurde aber vom Staatspräsidenten nicht unterschrieben, weil er Vorbehalte hatte.
Im Januar 2025 unterschrieb er es dann doch, um den linken Flügel in seiner Partei zu besänftigen. Der linke Flügel des ANC ist für das Gesetz, weil es Enteignungen auch ohne finanzielle Entschädigung erlaubt, die DA ist aus dem gleichen Grund dagegen. Angewandt wurde das Gesetz bis jetzt noch nicht.
Weiterer Streitpunkt: das nationale Gesundheitssystem. Es soll verstaatlicht werden. Auch hier gibt es schon ein Gesetz, das aber ebenfalls nicht umgesetzt wird. Der ANC ist dafür, die DA sagt, dafür habe man kein Geld.
Ein dritter Streitpunkt: das Erziehungssystem. Der ANC will, dass nur der Staat über Inhalte an den Schulen bestimmen darf, die DA ist dagegen. Die Liste der Streitpunkte ist noch länger.
Streit um Ministerämter
Dann wurde vor ein paar Tagen der stellvertretende Handelsminister entlassen, ein DA-Mann. Er habe eine Reise in die USA ohne Genehmigung angetreten, so Staatspräsident Cyril Ramaphosa (ANC). Die Democratic Alliance forderte daraufhin, Ramaphosa müsse auch einige ANC-Minister feuern, die der Korruption beschuldigt werden.
Die DA gab dem ANC 48 Stunden dafür Zeit - dieses Ultimatum verstrich allerdings, ohne dass etwas geschah.
DA-Chef John Steenhuisen sagt, der entlassene Vizeminister habe lediglich Missstände in seinem Ministerium aufdecken wollen. So habe der ANC vorgehabt, Top-Posten ausschließlich mit seinen Leuten zu besetzen, dies hätte der Korruption weiterhin Tür und Tor geöffnet.
DA verlässt "Nationalen Dialog"
Als der Regierungschef nicht auf das DA-Ultimatum einging, trat die DA aus dem sogenannten Nationalen Dialog aus, einem Forum, das die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme diskutieren und lösen soll. Teilnehmer an diesem Forum: theoretische alle Südafrikanerinnen und Südafrikaner. Der "Nationale Dialog" wird am 15. August beginnen, jetzt also ohne die DA.
In der Regierung wolle sie aber bleiben, sagt die DA. Ramaphosa, der den "Nationalen Dialog" rückhaltlos unterstützt, bezichtigt die Democratic Alliance der Heuchelei und des Betrugs an kollektiven Regierungsprinzipien.
ANC-Generalsekretär Fikile Mbalula geht noch weiter: Er fordert die DA auf, "ihre Sachen zu packen und die Regierung der Nationalen Einheit zu verlassen".
GNU auf wackeligen Beinen
So nah war das Government of National Unity noch nie vor dem Aus. Das GNU steht auf sehr wackligen Beinen.
Die oppositionellen Linkspopulisten wittern ihre Chance. Sie sind für die umstrittene Landreform, für die Verstaatlichung des Gesundheitswesens und gegen die Regierungsbeteiligung von weißen Südafrikanern. Derzeit sind die zwei wichtigsten linkspopulistischen Parteien - die uMkhonto-weSizwe-Partei (MKP) und die Economic Freedom Fighters (EFF) - zwar noch zerstritten, gemeinsam aber kämen sie neuesten Umfragen zufolge auf 26 Prozent.
Der ANC liegt, je nach Institut, zwischen 30 und 40 Prozent, die DA zwischen 26 und 30 Prozent. Beim gegenwärtigen Trend könnte es also dazu kommen, dass der ANC in einer Koalition mit der DA plötzlich Juniorpartner wäre. Das kann nicht im Interesse der einst so stolzen Widerstandsbewegung und heutigen Regierungspartei sein.
Was ein Regierungs-Aus bedeuten würde
Die Folgen eines Zusammenbruchs der Regierung der Nationalen Einheit wären weitreichend, nicht nur für Südafrika, sondern für die gesamte Region. Wenn die größte Volkswirtschaft im südlichen Afrika destabilisiert wird, zieht sie auch zahlreiche Nachbarländer mit sich in den Strudel.
Dabei sind die Probleme selbst für eine stabile Regierung immens: eine stotternde Volkswirtschaft, horrende Arbeitslosigkeit und immens viel Korruption. Aber wenn die Chemie zwischen den Koalitionspartnern nicht stimmt, dann stimmt sie eben nicht.
Haftungsausschluss: Das Urheberrecht dieses Artikels liegt bei seinem ursprünglichen Autor. Der Zweck dieses Artikels besteht in der erneuten Veröffentlichung zu ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Anlageberatung dar. Sollten dennoch Verstöße vorliegen, nehmen Sie bitte umgehend Kontakt mit uns auf. Korrektur Oder wir werden Maßnahmen zur Löschung ergreifen. Danke