Frankreichs Präsident Macron besucht Großbritannien - als erster europäischer Staatschef seit dem Brexit. Die schwierige Agenda: Ukraine, Verteidigung und das jahrelange Streitthema der gefährlichen Migration über den Ärmelkanal.
Der Buckingham Palast wird noch renoviert. Deshalb fuhren die Macrons mit der Kutsche durch das Städtchen Windsor, westlich von London, statt durch die Hauptstadt. Das ist aber auch schon der einzige Kompromiss, der zu diesem historischen ersten Staatsbesuch eines EU-Staatschefs seit dem Brexit-Referendum in Kauf genommen wird.
Angekommen am Schloss Windsor wurden Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte am Dienstag von König Charles und Königin Camilla in Empfang genommen. Es gab Kanonenschüsse und militärische Ehrenformationen von Hunderten Soldaten in Bärenfellmützen. Danach bestaunten die Macrons Kunstwerke und Artefakte aus der königlichen Sammlung mit Frankreich-Bezug, darunter ein Schnupftabak-Döschen, das einst im Besitz von Marie Antoinette war.
Ein Besuch als bedeutendes Symbol
Ein Staatsbesuch auf Einladung des Monarchen - das ist aus britischer Sicht, die höchste diplomatische Ehre und in diesem Fall auch ein Symbol für den Wunsch des Königreichs, die Beziehungen zur EU weiter zu vertiefen.
Die Ausgangsbedingungen, dass das gelingt, seien gut, sagt Peters Ricketts, ehemaliger britischer Botschafter in Frankreich. "Zwischen dem König und Macron gibt es eine warme Freundschaft. Schon bevor Charles König wurde, haben sie sich oft gesehen und beiden ist Umwelt- und Klimaschutz wichtig", sagt Ricketts, der mittlerweile im britischen Oberhaus sitzt. "Macron ist fasziniert davon, dass Charles sein Amt auf Lebenszeit hat."
Macron sorgt für Lacher und Applaus im Parlament
Am Dienstagnachmittag ging es für den französischen Präsidenten nach London: Die Royal Gallery des Parlamentsgebäudes war voll besetzt, als er vor beiden Kammern des britischen Parlaments seine Rede auf Englisch hielt. Mit einer Anspielung auf die Französische Revolution und dem Geständnis, dass die Franzosen Monarchien lieben - wenn es sich nicht um die eigene zu Hause handle - sorgte Macron für erste Lacher.
Großen Applaus bekam er für die Ankündigung, dass der berühmte Wandteppich von Bayeux im Herbst nächstes Jahr als Zeichen der Freundschaft an Großbritannien ausgeliehen und im Britischen Museum zu sehen sein werde. Das wohl in Südengland gefertigte Meisterwerk aus dem 11. Jahrhundert ist UNESCO-Weltkulturerbe und zeigt die Einnahme Englands durch Wilhelm den Eroberer.
Noch 2019 - inmitten der Brexit-Streitereien - wurde Macron für das Erwägen der Leihgabe im eigenen Land scharf kritisiert. Dieses Mal wagte er sogar einen Brexit-Witz. Das ganze Projekt rund um die Teppich-Leihgabe habe länger gedauert als den Brexit zu verhandeln, sagte Macron. Er habe über das Thema damals schon mit Theresa May gesprochen.
"Koalition der Willigen" zur Verteidigung der Weltordnung
Die meiste Zeit jedoch war Macrons Rede ernst und hochpolitisch: In Zeiten, in denen Wladimir Putin weiter Krieg gegen die Ukraine führe und die Welt insgesamt instabiler werde, käme es besonders auf die britisch-französische Allianz an. "Großbritannien und Frankreich müssen jene Weltordnung verteidigen, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen haben", so Macron.
Deshalb habe er im Februar gemeinsam mit Premier Starmer die sogenannte "Koalition der Willigen" für die Ukraine ins Leben gerufen. Die Koalition sei ein Symbol dafür, dass Europa die Ukraine nie im Stich lassen werde, so Macron.
Die Lage in der Ukraine und die Verteidigung Europas gehören zu den Themen, die der britische Premier Keir Starmer und Präsident Macron in diesen drei Tagen intensiv besprechen. Am Donnerstag werden die beiden mit anderen Regierungs- und Staatschefs der "Koalition der Willigen" - darunter wohl auch Bundeskanzler Friedrich Merz - per Videocall über weitere Unterstützung für die Ukraine beraten.
Das heikle Thema Ärmelkanal
Ein weiteres und besonders heikles Thema für die beiden Länder sind die gefährlichen und illegalen Bootsüberfahrten von Einwanderern über den Ärmelkanal Richtung Großbritannien. "Wir haben dieses Problem der illegalen Einwanderungsversuche seit 20 Jahren und die Zahlen steigen. Es ist ein Thema, das die britische Öffentlichkeit sehr wütend macht", sagt der ehemalige Botschafter Ricketts. Es sei eine offene Flanke, die die Rechtspopulisten nutzen würden, um die britische Regierung anzugreifen.
Vor seinem Wahlsieg vor etwa einem Jahr versprach Starmer, dass seine Regierung die Schleuserbanden, die die Überfahrten organisieren "zerschlagen" werde. Doch bereits in den ersten sechs Monaten dieses Jahres haben mehr als 20.000 Menschen den Ärmelkanal nach Großbritannien überquert - ein Anstieg um fast 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Mindestens 14 Menschen sind bei versuchten Überquerungen ums Leben gekommen.
Großbritannien will härteres Eingreifen der Franzosen
Vor allem Großbritannien fordert von der französischen Seite ein härteres Durchgreifen und die Möglichkeit, Einwanderer wieder abzuschieben. "Einer rein, einer raus", nennen britische Medien den Plan. Demzufolge soll Frankreich illegal nach Großbritannien eingereiste Flüchtlinge zurücknehmen, wenn die Briten dafür Asylsuchende mit Verwandten im Königreich akzeptieren.
Ob die beiden Länder das angestrebte bilaterale Abkommen in dieser Sache noch während des Staatsbesuches verkünden, ist bisher unklar. Einige EU-Mitgliedsstaaten, darunter Spanien, Griechenland und Italien, haben sich bereits beschwert. Denn Frankreich hätte nach europäischen Regeln das Recht, aus Großbritannien zurückgenommene Geflüchtete in die Länder abzuschieben, in denen sie erstmals in die EU kamen. Und so werden gerade die anderen EU-Staaten ganz genau hinschauen, was im Vereinigten Königreich jenseits des Bestaunens royaler Kutschen und des Austauschens von Gastgeschenken verhandelt wird.
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