Seit zwei Jahren lässt die Bundesregierung an der Grenze zu Polen Kontrollen durchführen. Nun zieht Polen gleich und beginnt mit eigenen Kontrollen. Was bedeutet das für Reisende, Pendler und den grenznahen Verkehr?

Wer von Deutschland nach Polen fährt, muss ab sofort mit Kontrollen an der Grenze rechnen: Die polnische Regierung hatte zwar angekündigt, dass Einreisende erst ab dem 7. Juli kontrolliert werden. Start sollte um Mitternacht an 52 Grenzübergängen zu Deutschland und 13 Übergängen zu Litauen sein. Nach NDR-Informationen wird am Grenzübergang Linken jedoch schon heute kontrolliert - und das nicht nur sporadisch.

Polen tut es damit Deutschland gleich - denn die Bundesregierung hatte schon im Oktober 2023 stichprobenartige Kontrollen an der polnischen Grenze veranlasst und diese mit der Eindämmung irregulärer Migration begründet. Von nun an sollen also in beiden Richtungen Kontrollen erfolgen. Das ist eine weitreichende Entscheidung mit Auswirkungen für Pendler, Reisende und den Warenverkehr.

Wie laufen die Kontrollen ab?

Die polnischen Kontrollen sollen stichprobenartig erfolgen und den Fokus vor allem auf Busse, Kleinbusse und Autos mit vielen Insassen legen, wie Konrad Szwed vom polnischen Grenzschutz der Nachrichtenagentur PAP sagte. "Auch Fahrzeuge mit getönten Scheiben werden im Fokus stehen."

Polen plant keine Schlagbäume oder Absperrungen, aber an den Kontrollpunkten würden Fahrbahnen verengt oder Schilder zur Verlangsamung des Verkehrs aufgestellt. Bei einer Kontrolle sollen die Ausweisdokumente von Fahrer und Insassen sowie der Kofferraum überprüft werden.

Was bedeuten die Kontrollen für Reisende aus Deutschland?

Menschen, die nach Polen reisen wollen, müssen sich auf Wartezeiten an der Grenze einstellen. Schon jetzt kommt es zu mehr Staus in Grenzstädten wie Görlitz oder Słubice, vor allem an Wochenenden.

Die Einreiseregeln und damit die unbegrenzte Reisefreiheit bleiben allerdings bestehen: Polen ist Mitglied der EU und im Schengenraum, für das Reisen ist also kein Pass notwendig, lediglich ein Personalausweis.

Müssen Pendler mit Auswirkungen rechnen?

Pendlerinnen und Pendler müssen schon seit 2023 mit der zusätzlichen Belastung der deutschen Kontrollen umgehen, nun kommt auch noch die Gegenrichtung dazu. Polens Grenzschutz will eigenen Angaben zufolge aber Berufspendler ohne große Verzögerungen durchlassen.

Das deutsche Innenministerium kündigte an, wegen der polnischen Kontrollen jetzt Pläne für eine möglichst geringe Verkehrsbehinderung zu prüfen - um beispielsweise längere Staus auf der A12 zu vermeiden.

Allein nach Sachsen pendeln täglich 13.000 Menschen aus Polen, nach Brandenburg sind es nach Angaben der Industrie- und Handelskammern täglich mehr als 14.000. Viele Deutsche fahren zudem nach Polen, um dort zu günstigeren Preisen einzukaufen oder zu tanken. "Lange Wartezeiten, Planungsunsicherheit und gestörter Warenverkehr schaden am Ende allen Beteiligten", klagt Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD). Brandenburgs Innenminister René Wilke befürchtet "mögliche Verkehrskollapse".

Wie lange werden die Kontrollen andauern?

Die polnischen Kontrollen sind zunächst befristet bis 5. August. Aber wann sich die Lage insgesamt normalisiert, ist nicht abzusehen. Es hängt unter anderem davon ab, wie sich die Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) in der Praxis bewähren: Ab Mitte 2026 sollen Schutzsuchende an den EU-Außengrenzen registriert werden.

Am Samstag hatte Polen angekündigt, auf die Grenzkontrollen zu verzichten, wenn Deutschland sie ebenfalls einstellt.

Welche Folgen fürchtet die Wirtschaft?

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) in Brandenburg schlägt Alarm: Polen sei der wichtigste Außenhandelspartner für Brandenburg. 2024 seien Exporte für 4,1 Milliarden Euro aus dem Bundesland zu den östlichen Nachbarn gegangen und Waren für 4,5 Milliarden Euro in die Gegenrichtung. Brandenburg, Sachsen oder Mecklenburg-Vorpommern sind außerdem Durchgangsstation für den Warenverkehr mit Osteuropa.

Mit Staus drohten Einbußen, warnt die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg. Hemmnisse in Europa und Verzögerungen beim Grenzübertritt wirkten sich auf den gesamten EU-Wirtschaftsraum aus, ergänzen die Industrie- und Handelskammern. 

Auch polnische Transportunternehmer sind in Sorge - denn sie beliefern in großem Maße Fabriken in Westeuropa mit in Polen hergestellten Komponenten. Bei Verzögerungen drohen Strafen für Hersteller und Lieferanten.

Warum führt jetzt auch Polen Kontrollen ein?

Deutschland kontrolliert an den Ostgrenzen bereits seit Oktober 2023 stichprobenartig. Die damalige als auch heutige Bundesregierung sieht die Kontrollen als Maßnahme, um irreguläre Migration einzudämmen. CSU-Innenminister Alexander Dobrindt verschärfte die Kontrollen im Mai noch einmal: Abgewiesen werden können nun - anders als zuvor - auch Menschen, die ein Asylbegehren äußern. 

In Polen griff die rechtskonservative Oppositionspartei PiS das auf: Vertreter der PiS werfen der proeuropäischen Regierung von Donald Tusk vor, sie akzeptiere von Deutschland bereitwillig eine große Zahl von Migranten und habe keine Kontrolle über die Situation an der Grenze. Sie hatte den Druck auf Tusk erhöht, bis sich dieser zu Einführung der Grenzkontrollen entschied. Tusk begründete die Kontrollen offiziell ebenfalls mit der Eindämmung von irregulärer Migration.

Welche Folgen haben die Kontrollen für Asylbewerber?

Die Gewerkschaft der Polizei befürchtet, dass durch beidseitige Kontrollen nun Asylbewerber hin- und hergeschickt werden. Innenminister Dobrindt sieht indes keine Gefahr für ein "Pingpong"-Spiel: Er betont die gute Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und den polnischen Grenzschützern. 

Unstimmigkeiten scheinen in der Praxis bisher tatsächlich selten. Im Mai verweigerte Polen die Einreise von zwei afghanischen Männern, die bei Guben unerlaubt nach Brandenburg eingereist waren und sagten, sie wollten Asyl beantragen. Sie wurden daraufhin zur Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt gebracht. 

Wer hat es mit den polnischen Bürgerwehren an der Grenze auf sich?

Seit einiger Zeit halten polnische rechtsextreme Patrouillen an den Grenzübergängen eigenmächtig Fahrzeuge an, fragen Passanten nach Dokumenten und fahnden nach Migranten. Hinter der "Bewegung zur Verteidigung der Grenzen" steht der in Polen bekannte Rechtsradikale Robert Bakiewicz, der jährlich rechte Aufmärsche zum polnischen Unabhängigkeitstag in Warschau organisiert.

Der Regierung in Warschau sind diese Gruppierungen ein Dorn im Auge. Innenminister Tomasz Siemoniak hat angekündigt, dass Fälle von Amtsanmaßung und Beamtenbeleidigung konsequent bestraft werden. Polens Präsident und rechter PiS-Politiker Andrzej Duda hingegen dankte den selbsternannten Bürgerwehren.

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